Das leidige Thema Alkohol auf Jugendfreizeiten

Alko­hol gehört zum Leben – Alko­hol macht locker – Alko­hol braucht man zur Ent­span­nung – Boah war ich wie­der besof­fen – goi­le Paaa­die ey – Alko­hol hebt das Niveau – Alko­hol sorgt für sprach­li­che Krea­ti­vi­tät – Unter Alko­hol­ein­fluß kommt der wah­re Cha­rak­ter zum Vor­schein – Alko­hol in der Jugend­ar­beit? Mit­ar­bei­ter schon? – und die Teilnehmer?

Mei­ne ver­klär­te Sicht
Ich bin ein Mensch, der eigent­lich mit einem Six­pack pro Monat sehr gut über die Run­den kommt. Dabei hilft mir zudem der Umstand, daß ich nicht viel ver­tra­ge (man­geln­de Übung).
Ich hal­te Alko­hol für ein gro­ßes volks­wirt­schaft­li­ches Pro­blem und für eine Dro­ge, die in ihren Aus­wir­kun­gen mehr als unter­schätzt wird. Oft bin ich ver­wun­dert, wel­che merk­wür­di­gen Argu­men­te für den Alko­hol in Feld geführt wer­den. Der eine braucht es, damit er nach einem lan­gen, anstren­gen­den Zelt­frei­zeit­tag bes­ser ein­schla­fen kann, der ande­re möch­te sich auch mal in trau­ter Run­de ent­span­nen, der nächs­te trinkt einen schö­nen schot­ti­schen Whis­key (ist echt lecker!) als Genuß­mit­tel und jeder­man könn­te theo­re­tisch ohne Pro­ble­me eine län­ge­re Zeit auf Alko­hol ver­zich­ten. Aller­dings füh­ren die zitier­ten Leu­te unter KEINEN Umstän­den mit auf eine zwei­wö­chi­ge Zelt­frei­zeit, wenn es dort KEINEN Alko­hol gäbe und auch nix mit­ge­bracht wer­den dürf­te – nunja…
Es liegt mir fern, hier laten­te Süch­te zu unter­stel­len. Ich trin­ke auch recht ger­ne iri­sches Bier und ver­sump­fe zwar sel­ten, aber den­noch mal auf irgend­ei­ner Par­ty und ich habe auch immer einen Kas­ten Bier zu Hau­se (der öfters aber sau­er wird). Was mir eher zu den­ken gibt, ist die Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der Alko­hol kon­su­miert wird, obwohl er als 100%ige Dro­ge ein­ge­stuft wer­den muß. Er kann zur kör­per­li­chen Abhän­gig­keit bis hin zum Tod durch Alko­hol­ver­gif­tung füh­ren. In mei­nem Mini­car­fah­rer­da­sein bin ich oft genug mit recht bedau­erns­wer­ten Men­schen kon­fron­tiert, denen der Alko­hol alles, wirk­lich alles genom­men hat. Gut, daß wir alle davon frei und weit ent­fernt sind, oder etwa doch nicht?

Noch nicht 16jährige Teil­neh­mer und der Alkohol
Das deut­sche Recht ist hier mal wie­der auf unse­rer Sei­te: Es ist uns als Jugend­lei­tern ver­bo­ten, Jugend­li­chen unter 16 Jah­ren den Kon­sum oder Erwerb jeg­li­cher Art von Alko­hol zu gestatten.
Was aber tun, wenn Alko­hol in die­ser Alters­grup­pe auf Frei­zei­ten zum Pro­blem wird? Wir ken­nen das ja alle mit den leich­ten „Cola-Dosen“ in den Rei­se­ta­schen und den Fläsch­chen, die hin und wie­der auf­tau­chen, um dann in Abge­schie­den­heit des Abends in trau­ter Run­de kon­su­miert zu wer­den („Ich hab‘ nur Cola im Glas!“).
Eine Über­re­ak­ti­on hilft mei­ner Erfah­rung nach in sol­chen Fäl­len oft wenig. Ich wür­de ver­su­chen, sehr bestimmt und klar zu reagie­ren. Dazu gehört für mich das sofor­ti­ge Ein­kas­sie­ren der „cor­pi delic­ti“ (Beweis­ma­te­ria­li­en) ohne Aus­sicht, die­se jemals wie­der aus­zu­hän­di­gen (aber bit­te, bit­te nicht selbst trin­ken). Des­wei­te­ren wür­de ich Streß in unbe­grenz­ten Men­gen frei­set­zen, indem ich mit den betrof­fe­nen Teil­neh­mern ein Gespräch beim Fahr­ten­lei­ter anbe­rau­me (Gesprä­che sind immer Streß für Teil­neh­mer). Man muß sich aller­dings dar­über im Kla­ren sein, daß im Gespräch mein eige­nes Kon­sum­ver­hal­ten von den Teil­neh­mer the­ma­ti­siert wer­den könn­te. Ich glau­be, daß in der Angst davor der Grund für so vie­le hef­ti­ge Gegen­re­ak­tio­nen beim Auf­tau­chen von Alko­hol auf Frei­zei­ten zu suchen ist. In dem Gespräch wür­de ich mit den Teil­neh­mern kla­re Kon­se­quen­zen ver­ein­ba­ren, die bei „Straf­tat­wie­der­ho­lung“ ein­tre­ten sol­len. Die­se Kon­se­quen­zen (z.B. „Aus­geh­ver­bot“, beson­de­re Nacht­ru­he­zei­ten bzw. Beauf­sich­ti­gung usw.) MÜSSEN dann im Fall des Fal­les auch durch­ge­zo­gen wer­den. Die aller­letz­te mög­li­che Kon­se­quenz wäre für mich, den Teil­neh­mer auf Kos­ten der Eltern nach Hau­se zu schi­cken. Aber bis es dazu kommt, soll­te schon eini­ges gesche­hen sein.
Pro­ble­me mit Alko­hol ver­sie­gen zudem oft mit der Quel­le. Man soll­te sich nicht davor scheu­en, ört­li­che Tank­stel­len oder Kiosks auf das Jugend­schutz­ge­setz auf­merk­sam zu machen und ggf. sogar mit einer Anzei­ge zu drohen.

Über 16jährige Teil­neh­mer und der Alkohol
Wenn es um ihre Rech­te geht, sind die meis­ten Jugend­li­chen in der Regel ziem­lich gut auf­ge­klärt. Ab dem voll­ende­ten 16. Lebens­jahr darf man Geträn­ke mit gerin­gem Gesamt­al­ko­hol­ge­halt erwer­ben und in der Öffent­lich­keit kon­su­mie­ren. Aller­dings spricht nichts dage­gen, in eurer Frei­zeit­ord­nung eine ent­spre­chen­de Klau­sel ein­zu­ar­bei­ten, die ein Alko­hol­ver­bot für Teil­neh­mer vorsieht.
Ich bin da immer hin- und her­ge­ris­sen. Einer­seits weiß ich ganz genau, daß Alko­hol einen unglaub­li­chen Reiz auf Jugend­li­che aus­übt und daß auch sehr vie­le „Mann­bar­keits­ri­ten“ mit die­sem Stoff ver­bun­den sind. Ich bin dage­gen, den Alko­hol­kon­sum in irgend­ei­ner Form auf der Frei­zeit zu för­dern. Ich weiß aber auch, aus wie­vie­len Quel­len der Alko­hol ent­springt und daß man sich mit einem gene­rel­len Ver­bot viel Ärger ein­fan­gen kann.
Ich ten­die­re mitt­ler­wei­le zu einem Kom­pro­miß, wenn ich eine Grup­pe vor mir habe, die durch­weg das 16. Lebens­jahr voll­endet hat (und nur dann). Wir ver­kau­fen unter die­sen Umstän­den eine bestimm­te Men­ge Bier an unse­re Teil­neh­mer (max. 2x 0.33l am Abend, eher aber nur 1x 0.33l). Die­ses Bier darf dann in trau­ter Run­de getrun­ken wer­den, aller­dings nur am spä­te­ren Abend nach dem offi­zi­el­len Pro­gramm­ende. Man muß dazu­sa­gen, daß wir immer über recht gro­ße Zelt­plät­ze ver­fü­gen und das „Jugend­dorf“ stets etwas abseits liegt. Das Bier darf nicht aus dem Jugend­dorf­be­reich hin­aus­ge­tra­gen wer­den. Durch die­se Rege­lung konn­ten vie­le Pro­ble­me mit Alko­hol zumin­dest ent­schärft wer­den. Ich emp­feh­le, nicht gleich am ers­ten Abend mit dem Ver­kauf zu begin­nen, son­dern mir die Leu­te erst­mal eine Wei­le anzu­schau­en (kei­nen Vertrauensvorschuß…)
Die­se Vor­ge­hens­wei­se ist nicht für jede Frei­zeit glei­cher­ma­ßen gut geeig­net. Ins­be­son­de­re wenn vie­le Kon­tak­te von den „Älte­ren“ zu den „Jun­gen“ bestehen, kommt es oft zu Neid­ge­füh­len bei den Jün­ge­ren. Wie immer muß man also von Fall zu Fall abwägen…
Soll­tet ihr euch dafür ent­schei­den, den Alko­hol auf eurer Frei­zeit gene­rell zu ver­bie­ten so gilt die Regel „Gele­gen­heit macht Pro­ble­me“ in ver­schärf­ter Form. Es bedarf dann beson­de­rer Wach­sam­keit und Auf­klä­rung im Vor­we­ge der Frei­zeit im Hin­blick auf die dort gel­ten­den Regeln. Ins­be­son­de­re soll­tet ihr auch im Betreu­er­kreis euren eige­nen Alko­hol­kon­sum zum The­ma machen. Der Vor­bild­cha­rak­ter von Mit­ar­bei­tern für Jugend­li­che wird mei­ner Erfah­rung nach immer ger­ne unterschätzt.

Mit­ar­bei­ter und der Alkohol
Mit­ar­bei­ter sind Vor­bil­der für Jugend­li­che und das weit mehr als man nor­ma­ler­wei­se annimmt. Bestimm­te Din­ge dür­fen daher unter kei­nen Umstän­den vor­kom­men. Dazu gehört für mich z.B. ein Mit­ar­bei­ter, der mit einer Bier­fah­ne über den Platz läuft oder gar eine Ein­heit leitet.
Wir in Preetz haben mitt­ler­wei­le eine recht stren­ge Rege­lung, die sich über Jah­re hin­weg ent­wi­ckelt hat. Alko­hol wird erst kon­su­miert, wenn alle Teil­neh­mer in ihren Zel­ten (oder Bet­ten) sind. Es fin­det dann bei uns eine Mit­ar­bei­ter­an­dacht statt, nach deren Been­di­gung der gemüt­li­che Teil des Abends beginnt. Wir ver­kau­fen Bier und mitt­ler­wei­le auch ande­re Din­ge (Wein, Whis­key, Rum usw.) nur zu die­ser Zeit. Wir haben uns dar­auf geei­nigt, nichts an alko­ho­li­schen Geträn­ken außer der Rei­he mit­zu­brin­gen. Das klingt teu­er, hart und dis­zi­pli­niert, klappt aber wider Erwar­ten sehr gut. Jetzt zu den Auswirkungen:

  • Die Mit­ar­bei­ter kom­men mor­gens aus dem Bett
  • Die Mit­ar­bei­ter sind auch in der zwei­ten Frei­zeit­wo­che für die Kin­der voll da
  • Die Mit­ar­bei­ter sind weni­ger erkäl­tet – sonst eine Fol­ge von Übermüdung
  • Es wird in Maßen getrunken
  • Die Mit­ar­bei­ten haben nach der Frei­zeit Geld für Aktio­nen á la Han­sa-Park usw.
  • Die Mit­ar­bei­ter haben trotz­dem viel Spaß, da sich das Leben nun viel mehr am Tage abspielt
  • Unser Argu­ment für die­se Rege­lung ist: Wir wol­len in aller­ers­ter Linie für die Teil­neh­mer dasein. Das gelingt uns wesent­lich bes­ser ohne durch­zech­te Näch­te (die es bei uns auch gege­ben hat).
    Nun kann man nicht bei jeder Grup­pe erwar­ten, daß sie sich der­ar­ti­gen Restrik­tio­nen frei­wil­lig unter­wirft. Der Kon­sum von Alko­hol hat für mich dann Gren­zen, wenn ich mer­ke, daß er sich auf mei­nen Umgang mit den Teil­neh­mern in irgend­ei­ner Form aus­wirkt. Bestimm­te Grund­re­geln soll­ten für alle ver­bind­lich sein:

  • Kei­ne Sauf­ge­la­ge in Anwe­sen­heit von Teilnehmern
  • Kei­ne Bier­fah­ne wird über den Platz getragen
  • Bei Tages­be­ginn bin ich in der Lage, mei­ne Auf­ga­ben als Mit­ar­bei­ter ange­mes­sen zu bewältigen
  • Aber das sind ja Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten. Apo­pros: Wenn ein Mit­ar­bei­ter wie­der­holt durch sei­nen Alko­hol­kon­sum auf­fällt und sich nicht an vor­her bespro­che­ne Grund­re­geln hält, hät­te ich im Gegen­satz zu einem Teil­neh­mer kei­ne Pro­ble­me damit, ihn aus der Frei­zeit zu entfernen.

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    3 Kommentare

    • Wenn ein Mit­ar­bei­ter wie­der­holt durch sei­nen Alko­hol­kon­sum auf­fällt und sich nicht an vor­her bespro­che­ne Grund­re­geln hält, hät­te ich im Gegen­satz zu einem Teil­neh­mer kei­ne Pro­ble­me damit, ihn aus der Frei­zeit zu entfernen.“
      – Rich­tig so.

    • Marian_R

      Mich wür­de inter­es­sie­ren, wie­so über­haupt Alko­hol kon­su­miert wer­den muss?
      Ist das ein Zuge­ständ­nis um den Kon­sum zu kon­trol­lie­ren (weil die Teil­neh­mer sich das Zeug sonst an der Tan­ke holen), ein Zuge­ständ­nis an die Lei­ter (die ja sonst nicht mit­kom­men) oder…?

      (Kom­me aus einem Pfad­fin­der­bund in dem es gar kei­nen Alko­hol gibt und tre­te jetzt in Kon­takt mit Grup­pen, die das für völ­lig nor­mal hal­ten und möch­te das gern verstehen…)

    • Hal­lo Marian,

      Der Arti­kel ist schon sehr alt. Ich per­sön­lich bin dei­ner Mei­nung: Alko­hol ist über­haupt nicht notwendig.
      Es ist einer­seits Zuge­ständ­nis zur Kon­trol­le des Kon­sums – ganz klar. Ich habe her­aus­for­dern­de Situa­ti­on lie­ber direkt vor mir als irgend­wo in einem Ver­steck, weil ich sie auf die­se Wei­se pro­ble­ma­ti­sie­ren kann.
      Ande­rer­seits glau­be ich, dass es im Leben oft dar­um geht, mit Din­gen umge­hen zu müs­sen. Dabei ist Alko­hol nur ein The­ma – Abhän­gig­kei­ten gibt es vie­le – direkt (aktiv) oder indi­rekt (pas­siv). Wenn ich die­sen jewei­li­gen Aspekt ganz und gar aus­klam­me­re, ver­baue ich mir auch die Chan­ce, etwas über die Mecha­nis­men zu ler­nen, die zum Kon­sum von z.B. Alko­hol füh­ren – schwie­rig aus­ge­drückt, aber ich hof­fe, dass du eine Ahnung davon bekommst, wor­um es mir geht.
      Durch die­se Stu­fung haben wir es geschafft, das The­ma an sich erst­mal anzu­ge­hen, d.h. zu einem Pro­blem zu machen. Die Reak­ti­on „So, jetzt aber gar nichts mehr!“ hät­te das womög­lich nicht geleistet.
      Eine Grup­pe, die von vorn­her­ein die Kul­tur fährt „kein Alko­hol“ hat es da ein wenig leich­ter, da die Regeln klar sind, zumin­dest die offe­nen. Das erle­be ich bei vie­len Jugend­grup­pen aber anders. Unse­re Grup­pe hat­te damals schon eine Geschichte.

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