Lehrkräfte gewinnen – Lehrkräftemangel überwinden

Unterrichten ist ein toller Beruf

Lehr­kraft ist ein tol­ler Beruf. Ich gehe mit eini­gen Stun­den nach den Som­mer­fe­ri­en zurück in den Unter­richt, weil mir in den ver­gan­ge­nen Jah­ren das Unter­rich­ten sehr gefehlt hat. Ich wer­de mit mei­ner gerin­gen Stun­den­zahl nicht oder kaum mit den Wid­rig­kei­ten kon­fron­tiert sein.

Das Lehr­kraft­sein ist in Deutsch­land sehr gut bezahlt. Frau­en und Män­ner wer­den gleich ver­gü­tet. Durch die Ver­be­am­tung win­ken wirk­lich aus­kömm­li­che Pen­sio­nen bei einem rund­rum siche­ren Job. Rech­net man die Per­si­ons­leis­tun­gen mit ein, müs­sen in der frei­en Wirt­schaft erheb­li­che Jah­res­ge­häl­ter zur Bedie­nung der pri­va­ten Alters­ver­sor­ge erwirt­schaf­tet wer­den, um dann auf ein ähn­li­ches Loh­ni­veau zu kom­men. Beam­te mit Kin­dern unter 18 Jah­ren kön­nen ihre Arbeits­zeit sehr fle­xi­bel gestal­ten, für allen ande­ren wur­de über Jah­re die fle­xi­ble Reduk­ti­on von Stun­den ermög­licht, soweit „dienst­li­che Grün­de“ nicht entgegenstanden.

Es gibt aus unter­schied­li­chen Grün­den auch ange­stell­te Lehr­kräf­te. Da sieht es deut­lich schlech­ter aus. Vor allem bei der Bezah­lung, den Auf­stiegs­mög­lich­kei­ten inner­halb des Schul­sys­tem und der Rente.

Wir haben einen ekla­tan­ten Man­gel an Lehr­kräf­ten in allen Schul­for­men. An Gym­na­si­en sieht es noch ver­gleichs­wei­se gut aus. Zukünf­tig wird sich die­ser Man­gel immens ver­schär­fen. Irgend­was scheint nicht zu stim­men, obwohl die Arbeits­be­din­gun­gen sicher und gut sind.

Zwei Arbeitsverträge

Jeder Mensch hat zwei Arbeitsverträge.

Der eine regelt das For­ma­le. Wie viel Geld gibt es für wel­che Arbeit? Wie sieht es mit der Ver­ein­bar­keit von Arbeit und Beruf aus? Wie kann ich mei­ne Arbeits­zeit an mei­ne momen­ta­ne Lebens­si­tua­ti­on anpas­sen? Wie viel Urlaub steht mir zu?

Die­ser ers­te Arbeits­ver­trag ist von außen sicht­bar. Im Lehrer:innenberuf für alle – selbst die Ent­loh­nung auf den Cent genau. Die Feri­en­zei­ten. Dar­an ent­zün­den sich mit ste­ter Regel­mä­ßig­keit die übli­chen Kli­schee­dis­kus­sio­nen von „nach­mit­tags frei“ und „12 Wochen Urlaub“. Da sol­len die Lehr­kräf­te auch etwas für leis­ten – so die ein­hel­li­ge Meinung.

Der ande­re Arbeits­ver­trag regelt das Ideel­le: Kann ich sinn­stif­tend arbei­ten? Erfah­re ich Unter­stüt­zung und Aner­ken­nung? Wel­che Hier­ar­chien gibt es und wie lebt Lei­tung die­se? Errei­che ich Zie­le? Wer­de ich den Men­schen in mei­nem beruf­li­chen Umfeld gerecht? Wel­che Erwar­tun­gen stellt die Gesell­schaft an mich?

Die­ser zwei­te Arbeits­ver­trag ist von außen nicht sicht­bar. Defi­zi­te in die­sem Bereich las­sen sich sehr oft durch eine ent­spre­chen­de Kom­pen­sa­ti­on im ers­ten Arbeits­ver­trag aus­glei­chen. Aber das hat Gren­zen. Gren­zen äußern sich dar­in, dass ein Beruf nicht mehr ange­wählt oder ver­las­sen wird – im Lehrer:innenberuf gar nicht so sel­ten durch „inne­re Kündigung“.

In die­sem Sta­di­um wir­ken Anreiz­sys­te­me finan­zi­el­ler Art nicht mehr – eher wird sogar bewusst auf Geld ver­zich­tet, um den ideel­len Arbeits­ver­trag sinn­stif­tend aus­ge­stal­ten zu können.

Das politische Dilemma

Man hat sich aus mei­ner Sicht poli­tik- und behör­den­sei­tig über Jah­re dar­auf ver­las­sen, dass man mit dem for­ma­len Arbeits­ver­trag – vor allem mit der Beam­tung – schon hin­rei­chend punk­ten wird, um immer genü­gend Lehr­kräf­te auf dem frei­en Markt zur Ver­fü­gung zu haben. Lan­ge Zeit war das auch so. Das kippt aber – übri­gens auch ganz ohne die aktu­el­le Flücht­lings­kri­se, die kata­ly­siert das Pro­blem „nur“.

Wahl­wei­se mag auch der eine oder die ande­re Politiker:in dar­auf gesetzt haben, dass sich die Her­aus­for­de­rung zumin­dest teil­wei­se durch Digi­ta­li­sie­rung löst. Das klappt auch so bedingt. Und jetzt steht man da.

Die poli­ti­sche Lösung sieht dann oft so aus, dass man Geld bereit­stellt und in die­sem Fall Kultusbeamt:innen den Auf­trag erteilt, mit die­sem Geld dafür zu sor­gen, dass das Pro­blem weg­geht oder es nach außen zumin­dest so aus­sieht, als wür­de man etwas dafür tun, dass das Pro­blem weggeht.

Hier­ar­chi­sche Sys­te­me nei­gen dann dazu, dar­auf zu schau­en, wie man an dem for­ma­len Arbeits­ver­trag (z.B. „Bonus­zah­lun­gen“) so schrau­ben kann, dass mehr Men­schen kom­men bzw. die­je­ni­gen blei­ben, die schon im Sys­tem sind. Das Pro­blem liegt aber gar nicht auf der for­ma­len Ebene.

Alter­na­tiv kann man die bis­her kulan­ten Teil­zeit­re­ge­lun­gen beschnei­den oder beam­ten­recht­li­che Mit­tel wie die Abord­nung oder Ver­set­zung nut­zen, um Per­so­nal­res­sour­cen bes­ser aus­zu­nut­zen. Bei­des dürf­te aber zu Las­ten des ideel­len Arbeit­ver­tra­ges gehen und das Pro­blem in ziem­lich kur­zer Zeit ziem­lich ver­schär­fen. Aber: Wir wer­den die­se Maß­nah­men mei­ner Mei­nung nach sehen.

Alles, was man kurz­fris­tig tun kann, ver­schärft das Pro­blem. Sinn­vol­le­re Maß­nah­men wir­ken nicht recht­zei­tig vor der nächs­ten Wahl oder sind wahl­wei­se nicht „öffent­lich­keits­gän­gig“. Mit sym­bol­träch­ti­gen öffent­lich­keits­gän­gi­gen Maß­nah­men wer­den im bes­ten Fall knap­pe Res­sour­cen nicht sinn­voll gebunden.

Was also tun?

Men­schen blei­ben in einem Beruf, den sie für sich als sinn­stif­tend erle­ben – das ist mei­ne Über­zeu­gung. Daher kann der Weg nur über den zwei­ten Arbeits­ver­trag führen.

War­um schau­en wir nicht ein­mal ganz kri­tisch auf das Refe­ren­da­ri­at? Ich war erstaunt, was für einen schlech­ten Ruf die­se Aus­bil­dungs­pha­se ins­ge­samt bei mei­nen Student:innen hat­te. Wir soll­ten die­se Wahr­neh­mung wirk­lich ernst neh­men, auch unse­re eige­ne … Viel­leicht hilft schon das Ange­bot(!) einer exter­nen(!) frei­wil­li­gen(!) Super­vi­si­on, um Wahr­neh­mung einzuordnen.

War­um machen wir es gera­de Berufsanfänger:innen am Anfang nicht etwas leich­ter, indem wir das Depu­tat zeit­lich begrenzt sen­ken? Natür­lich ver­schen­ken wir dadurch Unter­richts­stun­den, aber wel­che Lehr­kraft ist bes­ser für das Sys­tem: Die­je­ni­ge, die nicht da ist oder die­je­ni­ge, die zumin­dest 80% arbei­tet? (Ich weiß, dass das recht­lich schwie­rig ist – aber Recht lässt sich gestalten).

Schul­for­men ohne die Mög­lich­keit(!) des Erwerbs eines Abiturs wer­den gesell­schaft­li­che Pro­ble­me akku­mu­lie­ren. Immer. Wir soll­ten drin­gend davon weg­kom­men und eine ech­te Zwei­glied­rig­keit ins Auge fas­sen. Es hat Grün­de, war­um ins­be­son­de­re an Ober- und sons­ti­gen „Mit­tel­schu­len“ der Lehr­kräf­te­man­gel ekla­tant ist.

Die ver­schie­de­nen Hier­ar­chie­be­nen im Schul­sys­tem müs­sen ihre Wirk­lich­kei­ten abglei­chen und erfah­ren. Behördenmitarbeiter:innen soll­ten ver­bind­lich im Fünf­jah­res­tur­nus an Schu­len z.B. im Büro ein­ge­setzt wer­den. Ministeriumsmitarbeiter:innen soll­ten in Kon­takt mit Schu­le und Unter­richt kom­men, z.B. in Form von Hos­pi­ta­tio­nen. Lehr­kräf­te soll­ten Ver­fah­ren in Schul­be­hör­den haut­nah durch Hos­pi­ta­tio­nen erle­ben könn­ten oder es soll­te nie­der­schwel­li­ge Fall­be­spechun­gen mit unter­schied­li­chen Hiera­chie­ebe­nen geben. Wir brau­chen drin­gend gegen­sei­ti­ge Ein­bli­cke in die Arbeit.

Wir soll­ten uns als Gesell­schaft fra­gen, in wel­chem Ver­hält­nis per­sön­li­che Bedürf­nis­se und Lebens­ent­wür­fe zu der Erfül­lung des All­ge­mein­wohls ste­hen. Der Lehrer:innenberuf ist wie kein ande­rer einer, der im All­ge­mein­wohl die­nen soll­te. Das bringt bestimm­te Ein­schrän­kun­gen im per­sön­li­chen Umfeld mit sich, die aber an ande­rer Stel­le kom­pen­siert wer­den – z.B. durch den for­ma­len Arbeits­ver­trag im Fal­le der Verbeamtung.

Das löst die momentane Herausforderung nicht

Nein. Nichts davon löst das. Wir müs­sen Untericht kurz­fris­tig wahr­schein­lich tat­säch­lich strei­chen und damit das Pro­blem „öffent­lich­keits­gän­gig“ machen. Das ist eine poli­ti­sche Bank­rott­erklä­rung. Aber der Glau­be, lang­fris­tig ent­stan­de­ne Pro­ble­me durch kurz­fris­ti­ge Maß­nah­men lösen zu kön­nen, ist bes­ten­falls naiv – eben­so die Absicht, kon­kret „Ver­ant­wort­li­che“ für das Dilem­ma benen­nen zu wol­len. Dann weiß man zwar, dass es an Herrn Mey­er und Frau Schul­ze liegt, aber das Pro­blem ist ja immer noch da.

 

 

Und was ist mit Chromebooks?

Die Geschichte hinter der Geschichte

Ich habe ver­gan­ge­ne Woche einen Arti­kel bei Hei­se-Online zu der Fra­ge ver­öf­fent­licht, war­um iPads in deut­schen Schu­len so weit ver­brei­tet sind. Das Publi­kum bei Hei­se-Online ist i.d.R. eher tech­nik­af­fin und wesent­lich bun­ter gemischt als z.B. im Twitterlehrer:innenzimmer. Dem­entspre­chend kann man es nie­man­dem Recht machen, weil immer irgend­was nicht erwähnt oder zu ver­kürzt  dar­ge­stellt ist – oder man wahl­wei­se eh kei­ne Ahnung hat. Das ist der Fluch der Zei­chen­be­gren­zung. Beson­de­re Wel­len im Nach­gang schlug die Fra­ge, inwie­fern Chrome­books nicht eine gute Alter­na­ti­ve dar­stel­len wür­den. Die­se räum­ten schließ­lich auch gera­de die US-ame­ri­ka­ni­schen Markt auf.

Tat­säch­lich hal­te ich selbst Chrome­books tech­nisch dem iPad mitt­ler­wei­le für über­le­gen, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die zuneh­men­de Ver­an­ke­rung des Faches Infor­ma­tik (ja, es geht vor­an) an den Schu­len. Ich wäre tech­nisch sehr glück­lich mit Chrome­books in der Schu­le. Aber es geht nicht um mich. Das müs­sen gera­de wir Män­ner in Bera­tungs­pro­zes­sen immer wie­der neu lernen.

Die Perspektive des medienpädagogischen Beraters

In mei­ner Rol­le als medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter bin ich prin­zi­pi­ell zu Neu­tra­li­tät ver­pflich­tet. Ich muss unter­schied­li­che Sys­te­me gleich­wer­tig neben­ein­an­der stel­len. Pro­dukt­vor­stel­lun­gen las­se ich i.d.R. die betref­fen­den Fir­men oder deren Distributor:innen machen. Schu­len defi­nie­ren dann ihre Anfor­de­run­gen und man schaut ins Umfeld der Schu­le, wel­che Resour­cen z.B. für Admi­nis­tra­ti­on und Garan­tie­ab­wick­lung vor­han­den sind. Wie sehen die Beschaf­fungs­struk­tu­ren beim Trä­ger aus? Und man schaut in das päd­ago­gi­sche Umfeld: Womit arbei­ten eigent­lich im Fal­le der Grund­schu­len die wei­ter­füh­ren­den Schu­len? Wel­che Sys­te­me sind in der beruf­li­chen Bil­dung eta­bliert? Wel­che über­schu­li­schen Koope­ra­ti­ons­mög­lich­kei­ten tun sich auf? Schu­len sind zudem zuneh­mend sen­si­bi­li­siert für Fra­gen des Daten­schut­zes und des Urhe­ber­rechts. Alle Anfor­de­run­gen und Wün­sche erfüllt heu­te kein Sys­tem. Wer bei der Beschaf­fung von End­ge­rä­ten für Schüler:innen nur auf die jewei­li­ge Schu­le schaut, denkt m.E. deut­lich zu kurz. Für den Erfolg oder Miss­erfolg einer Ein­füh­rung von End­ge­rä­ten gibt es deut­lich mehr Gelin­gens­be­din­gun­gen als rein technische.

Die Voraussetzungen vor Ort

Mein eige­ner Land­kreis ist rela­tiv fest in der Hand von IServ. Des­sen MDM kommt bis­her nur mit iPads zurecht. Daher gibt es hier vor Ort schon rein prag­ma­tisch bestimm­te Vor­ga­ben, die sich aber auch fle­xi­bel ändern. Unser Medi­en­zen­trum betreibt z.B. einen Big­BlueBut­ton-Clus­ter als Video­kon­fe­renz­lö­sung, die nach­mit­tags auch gemein­nüt­zi­gen Ver­ei­nen und ande­ren Bil­dungs­ein­rich­tun­gen offen­ste­hen wür­de – allein unser Mar­ke­ting dafür ist noch zu schlecht. Es gibt ein eige­nes Ether­pad, Din­ge wie einen Onlineau­dio­edi­tor, eine Video­dis­tri­bu­ti­ons­platt­form oder ein Sys­tem zur Vor­be­rei­tung von Tafel­bil­dern. Vie­le ande­re Medi­en­zen­tren sind da noch nicht soweit mit ihrem Ange­bot an frei­en Softwarelösungen.

Bei Thema bleiben: Chromebooks?

Tat­säch­lich gibt es Schu­len in kom­mu­na­len Trä­ger­schaf­ten des Land­krei­ses, die eher Rich­tung Chro­me­OS oder auch Android gehen möch­ten. Daher habe ich mir in Koope­ra­ti­on mit einem Dis­tri­bu­tor drei Gerä­te ange­schaut, die über die Goog­le Admin-Kon­so­le steu­er­bar waren. Durch den Dis­tri­bu­tor wur­de die „Mana­ged Guest Ses­si­on“ als daten­schutz­kon­for­me Kon­fi­gu­ra­ti­ons­mög­lich­keit vor­ge­stellt. Dabei wer­den nach jeder Abmel­dung sämt­li­che Ein­stel­lun­gen vom Gerät gelöscht, sodass z.B. ein Nut­zer, der das Gerät am glei­chen Schul­tag ver­wen­det, kei­nen Zugriff auf frem­de Inhal­te und Doku­men­te hat. Ein Goo­gle­kon­to ist zur Nut­zung der Gerä­te dabei nicht not­wen­dig. Die Nut­zung erfolgt kom­plett anonym – aller­dings ist der Ein­satz­zweck damit begrenzt: Die­ser Modus eig­net sich eigent­lich nur für „Kof­fer­ge­rä­te“, die man für ein­zel­nen Schul­stun­den ent­leiht. Tech­nisch ent­spricht das dem Gast­mo­dus von Shared-iPads.

Bei persönlichen Geräten möchte man etwas anderes

Chrome­Books zeich­nen sich dadurch aus, dass sowohl Ein­stel­lun­gen, Datei­en und sons­ti­ge Inhal­te mit den Cloud­sys­te­men von Goog­le abge­bil­det wer­den. Eine loka­le Nut­zung ist tech­nisch begrenzt mög­lich, beschnei­det aber die Ein­satz­mög­lich­kei­ten enorm. Bei einem Gerät, was kein Kof­fer­ge­rät ist, möch­te man die­sen Kom­fort nut­zen können.

Dazu wird tech­nisch ein Goo­gle­kon­to benö­tigt. Die­ses kann man zwar über alter­na­ti­ve Authen­ti­fi­zie­rungs­sys­te­me wie z.B. auch IServ nut­zen – gleich­wohl muss eine wie immer gear­te­te Kopp­lung zwi­schen Authen­ti­fi­zie­rungs­me­tho­de und einem Benut­zer­ac­count in Goog­le Class­room statt­fin­den. Der Vor­schlag zum daten­schutz­kon­for­men Ein­satz lau­tet in dem Fall: Pseud­ony­mi­sie­rung, d.h. man erstellt Kon­ten mit Fan­ta­sie­na­men. In Bil­dungs­kon­tex­ten sind Fan­ta­sie­na­men wie­der­um sehr unprak­tisch – vor allem bei Koope­ra­ti­on und Kol­la­bo­ra­ti­on. Goog­le garan­tiert für Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen, dass Daten von Schüler:innen nicht für Wer­be­zwe­cke genutzt wer­den – mit Schrems II ist klar, dass US-Anbie­ter daten­schutz­tech­nisch bis­her alle das glei­che Pro­blem haben. Das Behar­ren von z.B. Micro­soft auf „Tele­me­trie­da­ten zur Ver­bes­se­rung der Nut­zungs­er­fah­rung“ gibt deut­lich Hin­wei­se dar­auf, wor­um es Anbie­tern letzt­lich geht. Das ist bei Erwach­se­nen, die die tech­ni­schen Abläu­fe dahin­ter nicht ver­ste­hen, schon frag­wür­dig, bei Schutz­be­foh­le­nen, die der Schul­pflicht unter­lie­gen, aus mei­ner Sicht ein kla­res Ausschlusskriterium.

Goog­le muss die­se Daten auch gar nicht nut­zen. Es reicht, die­se Daten zu haben, um sie spä­ter nut­zen zu kön­nen. Die Pseud­ony­mi­sie­rung schützt davor gera­de nicht – zuneh­mend wei­chen Anbie­ter auf bio­me­tri­sches Track­ing aus, was inner­halb einer kon­zern­ei­ge­nen Platt­form noch ein­mal wesent­lich bes­ser funktioniert.

Bei App­le­pro­duk­ten ist es für eine Schu­le schon schwie­rig, im Fal­le von exter­nen Anfra­gen eine daten­schutz­kon­for­me Nut­zung nach­zu­wei­sen – die offe­ne Flan­ke sind hier tat­säch­lich „nur“ die MDM-Sys­te­me so man nicht App­les Class­room App nutzt.  Bei der per­so­na­li­sier­ten Nut­zung von Goog­le-Class­room oder der Online-Office­suite von Goog­le dürf­te das unmög­lich werden.

Und ja: In ihrer Frei­zeit machen Schüler:innen ja sol­che Din­ge auch und gehen viel sorg­lo­ser mit die­sen Daten um. Aus Eltern- oder Anbie­ter­per­spek­ti­ve ist die­se Argu­men­ta­ti­on nach­voll­zieh­bar – als Bera­ter kann ich mir das so nicht erlauben.

Bei iPads brau­che ich kei­nen per­so­na­li­sier­ten Nut­zer (obwohl dadurch vie­les deut­lich prak­ti­scher wird). Ich kann als Insti­tu­ti­on das Gerät trotz­dem weit­ge­hend auf die Anfor­de­run­gen der Schu­le zuschnei­den (das geht über die Admin­kon­so­le von Goog­le auch) und Ein­ga­ben wie z.B. Anmel­de­da­ten auf dem Gerät selbst erhal­ten. Das geht bei der „Mana­ged Guest Ses­si­on“ bei Chrome­books nicht und braucht – zumin­dest nach mei­nen Erfah­run­gen mit den Leih­ge­rä­ten  – eine per­so­na­li­sier­te Anmel­dung. Da vie­le Men­schen kein pra­xis­taug­li­ches Manage­ment von Zugangs­da­ten haben – Schüler:innen bis auf Aus­nah­men schon gar nicht – wird man im Unter­richt viel Zeit genau damit ver­lie­ren, Zugangs­da­ten wie­der­her­zu­stel­len oder zu besorgen.

Schließ­lich kann lokal nicht gespei­chert wer­den: Jedes Unter­richts­pro­dukt, jeder Text muss irgend­wie im Web erstellt oder dort abge­legt wer­den. Die Goo­gle­welt lebt von einem per­so­na­li­sier­tem Zuschnitt. Ohne sind die Kom­fort­ein­bu­ßen und der Ver­lust an päd­ago­gi­schen Mög­lich­kei­ten immens. Als rei­nes Zugangs­ge­rät für web­ba­sier­tes Arbei­ten sind Chrome­books hin­ge­gen m.E. unschlag­bar und eine ech­te Alter­na­ti­ve zu iPads. Doch wel­che Schu­le ver­fügt dazu bis­her über eine ent­spre­chen­de Infra­struk­tur ohne vom Regen in die Trau­fe zu kom­men wie etwa bei Office 365 – was eine per­so­na­li­sier­te Anmel­dung erfordert?

Wie würde ich Chromebooks nutzen?

Ich arbei­te seit Jah­ren web­ba­siert. Mit der Mana­ged Guest Ses­si­on ist eine tech­ni­sche Grund­la­ge geschaf­fen, zumin­dest in der Schu­le daten­schutz­kon­form zu arbei­ten. Zu Hau­se kön­nen natür­lich alle Fami­li­en­mit­glie­der auf eige­ne Ver­ant­wor­tung wild ihre Goog­le-Accounts nut­zen – ggf. leis­tet man dem Vor­schub, wenn man Chrome­books in der Schu­le nutzt – aber das ist bei Apple umge­kehrt ja auch so. Ich kann mir das „leis­ten“, weil ich seit Jah­ren kei­ne Schul­bü­cher nut­ze und dazu auch die ent­spre­chen­den Fächer habe, die das ermög­li­chen. Für eine gan­ze Schu­le ist das erst­mal noch nichts in mei­nen Augen.

Sobald über die Schu­le beschaff­te Inhal­te ver­teilt wer­den sol­len, wird es wie­der haa­rig, wenn Tot­holz (= Papier) dabei kei­ne Rol­le spie­len soll. Da hat Apple mit dem ASM wie­der die Nase vorn. Wer heu­te schon kei­ne loka­len Apps braucht (man kommt auch ohne aus) und über eine DS-GVO-kon­for­mes, web­ba­sier­tes Cloud­sys­tem ver­fügt – dem wür­de ich auf gar kei­nen Fall zu iPads raten, das geht dann mit Chro­me- oder Linux­note­books deut­lich bes­ser – selbst rechts­kon­for­me Prü­fun­gen wären mög­lich, wenn­gleich je nach Sys­tem tech­nisch noch etwas tri­cky zu organisieren.

 

Schwachstellen im Schulsystem

Seit gerau­mer Zeit bewe­ge ich mich mehr in einer Beob­ach­ter­po­si­ti­on im Schul­sys­tem. Ich habe regel­mä­ßig Kon­takt mit allen denk­ba­ren Hier­ar­chie­ebe­nen. Das liegt vor allem dar­an, dass Medi­en­be­ra­tung mas­siv in Fokus gerät, seit­dem „Digi­ta­li­sie­rung“ als eines der poli­ti­schen Haupt­the­men in Erschei­nung tritt. Zuneh­mend fährt man als medi­en­päd­ago­gi­sche Bera­tung nicht mehr „unter dem Radar“, son­dern ich bin mit mei­nen Kolleg:innen durch­aus in Pro­zes­se von lan­des­wei­ter Bedeu­tung hier in Nie­der­sach­sen ein­ge­bun­den. Dadurch dass alles gera­de „ganz schnell“ gehen muss, kommt es immer wie­der zu Begeg­nun­gen mit sehr grund­sätz­li­chen Schwach­stel­len im Sys­tem, die m.E. man eigent­lich „nur“ gezielt „unter Feu­er“ neh­men müss­te, um Ver­än­de­run­gen zu beschleu­ni­gen. Als Beam­ter fehlt aller­dings das Instru­men­ta­ri­um, bzw. es soll­te tun­lichst im Schrank blei­ben, wenn die eige­ne Macht­po­si­ti­on ledig­lich eine ideel­le ist. „Unter Feu­er neh­men“ ist dabei wirk­lich kein schö­ner Aus­druck, aber ein guter Spie­gel so man­ches Wun­sches, der einem manch­mal kommt. Wel­che Schwach­stel­len mei­ne ich?

Schwachstelle 1: Alle müssen unter allen Umständen ihr Gesicht wahren können

Im Schul­sys­tem arbei­ten Men­schen in Lei­tungs­po­si­tio­nen, die Feh­ler machen. Darf man das offen benen­nen? Einer der wesent­li­chen stil­len Ver­trä­ge schreibt m.E. unge­sagt fest, dass das nicht gesche­hen darf. Ich ken­ne Schul­lei­tun­gen, die ver­sucht haben, offen damit umzu­ge­hen und erle­ben muss­ten, dass ihnen das nicht als Stär­ke ange­rech­net wur­de. Es gibt „Sprach­re­ge­lun­gen“ – durch­aus auch für mas­si­ves Fehl­ver­hal­ten, z.B. „nicht den not­wen­di­gen Abstand zu Schüler:innen ein­ge­hal­ten“. Im Grun­de geht es für mich dabei dar­um, Ver­ant­wor­tung zu ent­per­so­na­li­sie­ren. Auf Schul- und Schul­amts­ebe­ne wird nur das repro­du­ziert, was u.a. Pres­se­ab­tei­lun­gen von Minis­te­ri­en vor­le­ben. Wenn sich etwas nicht 120%ig auf eine Rege­lung oder einen Erlass zurück­füh­ren lässt, gibt es äußerst sel­ten schrift­li­che Aus­künf­te oder Gesprä­che in grö­ße­ren Grup­pen. Das gespro­che­ne Wort genießt in Deutsch­land einen hohen Schutz­sta­tus und ist rela­tiv leicht glaub­haft im Nach­hin­ein erin­ne­rungs­tech­nisch modifizierbar.

Ich bin selbst Teil die­ser stil­len Ver­trä­ge. Mate­ria­li­en und Vor­ga­ben, die ich oder mei­ne Kolleg:innen pro­du­zie­ren, erschei­nen „ent­per­so­na­li­siert“ auf offi­zi­el­len Web­sei­ten und sind von außen nur immens schwie­rig einer Per­son zuzu­ord­nen. Das ist manch­mal ganz ange­nehm, aller­dings pro­fi­tie­re ich auch indi­rekt davon, was ich an ande­rer Stel­le kri­ti­sie­re. Ich kann Inhal­te set­zen – ganz ohne Verantwortung.

Eigent­lich steckt für mich dahin­ter ins­ge­samt viel Angst. Angst z.B. vor einer media­len Dar­stel­lung, die sehr ver­kürzt und oft „pla­ka­tiv“ ope­riert, damit Kom­ple­xi­tät mög­lichst ein­fach zu ver­ste­hen ist. Oder Angst, an Glaub­wür­dig­keit zu ver­lie­ren. Die­se Angst ist gera­de im Beam­ten­sta­tus objek­tiv eigent­lich völ­lig unbe­grün­det (zumin­dest wirt­schaft­lich), aber auch ich muss beim öffent­li­chen Schrei­ben die­se im Sys­tem ver­an­ker­ten Ängs­te immer mit­den­ken und im Blick haben – zumu­te ist mir manch­mal durch­aus anders.

Ich arbei­te in einem Umfeld, in dem mein Vor­ge­setz­ter mir bei Feh­lern immer sagt: „Und Maik, has­te was draus gelernt?“ – und danach wird bespro­chen und es geht wei­ter. Das pas­siert übri­gens inner­halb des Sys­tems. Abso­lut ist nichts.

Schwachstelle 2: Angst vor Öffentlichkeit

Eigent­lich hängt die­se Schwach­stel­le sehr eng mit der ers­ten zusam­men. Im Beam­ten­sys­tem ist immens stark regle­men­tiert, wer sich zu was im Sys­tem öffent­lich äußern darf. Die Kon­se­quen­zen bei einer Über­schrei­tung sind rela­tiv deut­lich. Das bekom­men Jour­na­lis­ten zu spü­ren, die zitier­ba­re Aus­sa­gen von Lehr­kräf­ten in Inter­views erhal­ten möch­ten. Oft bin ich schon gefragt wor­den, ob ich Schu­len ken­nen wür­de, die dies und jenes schon rea­li­siert haben oder in die­ser oder jener Pro­blem­stel­lung ste­cken. Natür­lich ver­su­che ich, Kon­tak­te her­zu­stel­len, aller­dings steht davor immer das Bera­tungs­ge­heim­nis: Ich ent­schei­de nicht, ob eine Schu­le sich zu die­ser oder jener Sache äußern möch­te. Ich iden­ti­fi­zie­re nicht für Jour­na­lis­ten Schu­len, die zu die­ser oder jener Fra­ge­stel­lung pas­sen OHNE mir vor­her die Legi­ti­ma­ti­on zu holen. Und genau da wird es immer wie­der schwie­rig: Das braucht u.U. so viel Zeit, dass Dead­lines in Redak­tio­nen dann schon längst ver­stri­chen sind und die Sache dann im San­de ver­läuft. Es gibt eine unglaub­li­che Scheu, sich als Schul­lei­tung öffent­lich zu bestimm­ten Abläu­fen im Schul­sys­tem zu äußern – wahr­schein­lich weil die Abhän­gig­kei­ten sehr groß sind, z.B. bei der Lehrer:innenversorgung. Zu all­ge­mei­nen poli­ti­schen Aus­sa­gen geht das zuneh­mend. Zu Her­aus­for­de­run­gen, die „dienst­in­tern“ auf­tre­ten, geht das nicht, da die Treue­pflicht dem ent­ge­gen­steht. Aller­dings sit­zen in Schul­vor­stän­den, in denen sol­che Din­ge dis­ku­tiert wer­den, stets auch Per­so­nen, die nicht die­sen Regu­la­ri­en unter­lie­gen und die direk­te Anfra­gen ohne Ein­hal­tung des Dienst­we­ges an die Behör­de stel­len könn­ten – was im ers­ten Schritt ein Gebot der Fair­ness wäre, bevor man nach außen geht. Den­noch: Die Angst vor Öffent­lich­keit ist tief ver­wur­zelt im Schul­sys­tem und sie ist daher geeig­net, Ver­än­de­run­gen zu beschleunigen.

Schwachstelle 3: Rang sticht inhaltliche Kompetenz

Der/Die A15er:in ent­wirft Kon­zep­te, der/die A14er:in setzt die­se dann in der Schul­ge­mein­schaft um!“ (Bit­te nicht über die Besol­dungs­stu­fen wun­dern, ich kom­me aus einem gym­na­sia­len Sys­tem). Anders geht es anschei­nend nicht. Die­ses Den­ken ist tief ver­wur­zelt in man­chen Schul­struk­tu­ren. Als ich damals ange­fan­gen habe, kon­se­quent nach die­sem Anspruch zu arbei­ten, hat­te ich auf ein­mal viel weni­ger zu tun (und weni­ger Moti­va­ti­on, viel weni­ger Spaß sowie erst­mal schlaf­lo­se Gewis­sens­näch­te). Ich war ja nur der­je­ni­ge, der umsetzt. Die gan­zen Trans­ak­ti­ons­kos­ten für unaus­ge­go­re­ne Pro­jek­te konn­te ich dann nach oben wie­der abge­ben. Um die­sen Mecha­nis­mus aus­zu­he­beln, muss man nur auf­hö­ren, unaus­ge­go­re­ne Über­le­gun­gen aus Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein „zu ret­ten“ und „nach­zu­steu­ern“. Man könn­te die Ver­ant­wor­tung ein­fach nur dahin umlei­ten, wo sie hin­ge­hört, anstatt sich selbst ver­ant­wort­lich zu füh­len und inhalt­lich etwas bewe­gen zu wol­len. Wenn das alle machen wür­den, wäre Schu­le viel, viel ärmer, aber die Struk­tur bekä­me mehr und mehr Ris­se. Gera­de das The­ma Digi­ta­li­sie­rung legt feh­len­de Kom­pe­ten­zen recht scho­nungs­los offen. War­um nicht die insti­tu­tio­nell „Höher­ste­hen­den“ ein­fach in die Ver­ant­wor­tung neh­men, statt immer­zu zu ret­ten, was zu ret­ten ist?

Und damit ist nichts einfach …

Das Spiel heißt im Grun­de immer wie­der „Anpas­sung und Wider­stand“. Und es heißt auch Ver­ant­wor­tung und ste­ti­ges Abwä­gen, wenn „dienst­li­chen Inter­es­sen“ sinn­haf­tem Ver­hal­ten manch­mal ent­ge­gen­ste­hen. „Das Sys­tem“ ist im Grun­de nicht so stark, wie es manch­mal scheint. Von innen her­aus ist man als Kri­ti­ker immer sehr stark auf die Soli­da­ri­tät von ande­ren ange­wie­sen, sonst kann es schnell zu insti­tu­tio­nel­len Macht­aus­brü­chen und Kurz­schlüs­sen kom­men, bei denen man das Ein­zel­ner kaum bestehen kann – außer wenn „öffent­li­che Schein­wer­fer“ das ermög­li­chen – aber auch die­ser labi­le „Schutz“ ist extrem flüchtig.

Schulkritik und Komfortzone

Ich habe ges­tern die Doku­men­ta­ti­on „Jugend ohne Abschluss“ aus der Rei­he „45 Minu­ten“ des NDR gesehen:

Akti­vie­ren Sie Java­Script um das Video zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=tYOJ0nllvC4

Mir wird bei sowas immer wie­der klar, dass sich Schu­le nicht durch Ver­stel­len eini­ger Schrau­ben ver­än­dern lässt.

Selbst wenn wir Din­ge wie ver­än­der­te Prü­fungs­kul­tur, sinn­stif­ten­des Ler­nen und Pro­jekt­ler­nen umset­zen, wür­de sich ohne wei­te­re gesell­schaft­li­che Para­me­ter wahr­schein­lich wenig ändern – vor­aus­ge­setzt, wie bekä­men ohne das Schrau­ben an ande­ren gesell­schaft­li­chen Para­me­tern das über­haupt hin.

Das hat für mich damit zu tun, dass Auf­wach­sen in einer Gesell­schaft dem Auf­wach­sen in einer Her­de gleicht und Päd­ago­gik für mich eigent­lich eine Auf­ga­be der Her­de ist, bzw. dass in der Rea­li­tät die „Her­de“ das impli­zit immer tut und übernimmt.

Die Schüler:innen in der Doku­men­ta­ti­on sind für mich geprägt von ihrer per­sön­li­chen Ent­wick­lung in einer Gesell­schaft, zu der das Schul­sys­tem sach­lo­gisch ganz gut passt und die Erfah­run­gen des Ver­sa­gens ver­stärkt. Aber Schu­le ist eben ein Lern­ort von vie­len, ver­än­der­te Prü­fungs­kul­tur, sinn­stif­ten­des Ler­nen und Pro­jekt­ler­nen kann nicht vor­aus­set­zungs­los statt­fin­den und voll­zieht sich immer auf der Basis der gesell­schaft­li­chen Pro­zes­se, in die Schu­le nun­mal ein­ge­bun­den ist.

Sorgt z.B. gen­der­ge­rech­te Spra­che dafür, dass die Benach­tei­li­gung von Frau­en in einer Gesell­schaft mit kapi­ta­lis­ti­schem Betriebs­sys­tem abge­baut wird? Wür­de eine Gesell­schaft, in der Frau­en nicht mehr benach­tei­ligt sind, eine ande­re Spra­che her­vor­brin­gen? Wür­de eine Gesell­schaft mit einem ande­rem Betriebs­sys­tem eine ande­re Schu­le her­vor­brin­gen oder eine ver­än­der­te Schu­le eine ande­re Gesellschaft?

Was wir seit Jah­ren gut kön­nen, ist zu beschrei­ben, was wir wol­len. Wir suchen uns dafür ein­zel­ne Aspek­te her­aus, die wir beson­ders gut beschrei­ben kön­nen. Digi­ta­li­sie­rung, Prüfungsformate

Gen­der­ge­rech­te Spra­che beschreibt für mich bis­her ledig­lich einen Wunsch. His­to­risch hat Spra­che immer Gesell­schaft abge­bil­det. Hat ver­än­der­te Spra­che allein schon­mal gesell­schaft­li­che Ver­hält­nis­se ver­än­dert? Besteht nicht die Gefahr, dass nach anfäng­li­cher Irri­ta­ti­on über „ver­ge­wal­tig­te“ Spra­che ange­nom­men wird, dass Frau­en jetzt doch schon ganz schön mehr gleich­be­rech­tigt sind? Oder dass durch eine ver­än­der­te Prü­fungs­kul­tur das kapi­ta­lis­ti­sche Betriebs­sys­tem auto­ma­tisch umpro­gram­miert wird?

Übri­gens: Huma­nis­ti­sche Päd­ago­gik ist im Rah­men der Bera­tung von Unter­neh­men durch­aus salon­fä­hig gewor­den, um Gewinn­ma­xi­mie­rung unter dem Deck­man­tel von „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zes­sen auf Augen­hö­he“ zu betrei­ben. Die Hier­ar­chien sind noch vor­han­den – und viel­leicht bloß ste­alth geor­den hin­ter „akti­vem Zuhö­ren“, „Joi­ning“ und „Socia­li­zing“.

War­um soll­te sich z.B. sinn­stif­ten­des Ler­nen nicht eben­falls nach einer kapi­ta­lis­ti­schen Logik nut­zen lassen?

Lie­be Mitarbeiter:innen, 30% eurer Arbeits­zeit könnt ihr mit euren sinn­stif­ten­den Pro­jek­ten ver­brin­gen, das habt ihr in der Schu­le pri­ma gelernt, aber weil wir so gut zu euch sind und das über­haupt erst ermög­licht, haben wir das Vor­kaufs­recht auf eure Ideen!“.

Ist damit z.B. die For­de­rung nach einer ver­än­der­ten Prü­fungs­kul­tur am Ende ein Fei­gen­blatt? Ist gen­der­ge­rech­te Spra­che am Ende ein Fei­gen­blatt? So qua­si eine Art intel­lek­tu­el­ler Ablass­han­del? „Seht, ich habe es gese­hen und beschrie­ben, lest und ver­steht end­lich! Und macht end­lich, dass es sich ändert!“.

Men­schen, die sich für Gleich­be­rech­ti­gung ein­set­zen, wis­sen, dass Spra­che das dünns­te Brett ist – aber eben am leich­tes­ten zu bear­bei­ten, weil man dann weni­ger mit dem Stech­ei­sen im Hart­holz her­um­wür­gen muss. Gen­der­ge­rech­te Spra­che als intel­lek­tu­el­le Kom­fort­zo­ne. Dar­über lässt sich schrei­ben, strei­ten, dis­ku­tie­ren, ohne dass es all­zu dicht kommt. Weder muss ich als Mann dafür mei­nen Ange­stell­ten mehr zah­len, noch mei­nen gleich­be­rech­tig­ten Teil bei der Haus­ar­beit oder Kin­der­be­treu­ung leis­ten. Ein wenig Gen­öle auf Social­me­dia oder in den Feuil­le­tons ertra­gen, das war es auch schon.

Ich den­ke gera­de viel dar­über in mei­nen Bera­tun­gen über die­se Struk­tu­ren nach – ist ja schon irgend­wie auch eine schrä­ge Ana­lo­gie. Mei­ne Posi­ti­on ist ver­dammt kom­for­ta­bel. Ich muss mei­ne Hal­tung nicht ändern oder mei­ne Arbeits­rou­ti­nen. Das ist oft auch der Grund dafür, dass ich mich manch­mal bewusst in ande­re Posi­tio­nen bege­be und im mei­nem pri­va­ten Umfeld die Viel­falt suche. Ich bin sehr glück­lich, dass ich dabei auch manch­mal unge­fil­tert rück­ge­mel­det bekom­me, „wie das so ankommt in die­ser Realität“.

PS:

Ich ver­wen­de zuneh­mend gen­der­ge­rech­te Spra­che und set­ze mich für ver­än­der­te Rou­ti­nen im Schul­sys­tem ein. Die die­sem Ein­satz ver­bun­de­ne „Leis­tung für gesell­schaft­li­che Ver­hält­nis­se“ hal­te aller­dings in mei­nem Fall nicht für beson­ders rele­vant. Die Magie kommt für mich von woan­ders. Und manch­mal fängt sie ganz banal an, z.B. bei der Unter­stüt­zung bei der Ein­rich­tung von irgend­wel­chem Gerätekrams.

 

 

Wirklichkeitsentkoppelt

Neu­es For­mat. Eine Gedan­ken­samm­lung. Erst­mal vier Geschichten.

Die erste Geschichte

Yvonne Gebau­er erwirbt eine Drei-Jah­res-Lizenz der Brock­haus-Online­enzy­klo­pä­die zur Nut­zung durch alle Schüler:innen in NRW. Der Spott der Online­com­mu­ni­ty und eini­ger kri­ti­scher Jour­na­lis­ten ist ihr sicher.

Ich bin mir sicher, dass Frau Gebau­er das maxi­mal ver­wirrt: Schließ­lich hat sie ja nicht direkt die­sen Deal ein­ge­fä­delt, son­dern die Vor­be­rei­tun­gen und die Idee dazu kom­men ja aus ihrem Minis­te­ri­um von Fachrefe­ra­ten. Sie hat sich auf die­se inhalt­li­che Vor­ar­beit ver­las­sen, die lei­der an den momen­ta­nen Bedar­fen gering­fü­gig vor­bei­geht. Die Mit­tel, die dafür ein­ge­setzt wur­den, sind höchst­wahr­schein­lich Mit­tel aus dem Digi­tal­pakt: Ein Teil der Zuwen­dun­gen an die Län­der ist für Vor­ha­ben auf Lan­des­ebe­ne vorgesehen.

Die zweite Geschichte

Unter vie­len Jour­na­lis­ten gibt es ein Nar­ra­tiv, dass die Digi­tal­pakt­mit­tel ein­fach nicht abge­ru­fen wer­den. Die Nach­fra­gen an die Kul­tus­mi­nis­te­ri­en tür­men sich. Mich haben auch schon eini­ge Anfra­gen dazu erreicht, aber mei­ne Ant­wor­ten stie­ßen auf wenig Gegen­lie­be: Zu wenig pla­ka­tiv, zu kom­plex, in der Öffent­lich­keit nicht ver­mit­tel­bar. Jetzt gibt es in Nie­der­sach­sen einen 10-Punk­te-Plan Digi­ta­li­sie­rung. Die­ser sieht als Ziel­vor­ga­be vor, noch im Jahr 2021 min­des­tens 50% der Digi­tal­pakt­mit­tel „zu bin­den“. Denn: Zah­len – so wichtig!

Dass die Ursa­chen für den gerin­gen Mit­tel­ab­fluss ganz woan­ders lie­gen (und der Stau bzw. Kno­ten sich recht bald lösen wird), hät­te Recher­chen vor­aus­ge­setzt. Statt­des­sen schaut man lei­der im Jour­na­lis­mus oft ger­ne auf Zahlen.

Und Poli­tik lie­fert die­se dann, weil so das Spiel funk­tio­niert. Ich sehe für Nie­der­sach­sen momen­tan eine gro­ße Gefahr, dass unter dem öffent­li­chen Druck das Pen­del von „sinn­vol­ler Digi­ta­li­sie­rung von schu­li­schen Pro­zes­sen“ stark hin­über­schwingt: „Die Koh­le muss raus, lass‘ mal Gerä­te anschaf­fen!“ Mit inhalt­li­cher und päd­ago­gi­scher gelun­ge­ner Arbeit ist kei­ne Pro­fi­lie­rung mög­lich. Ein schi­ckes Foto vor dem LCD-Panel ist da viel fluf­fi­ger: Für alle Sei­ten: Jour­na­lis­ten, Poli­tik und Schu­le. Und hin­ter­her wird dann gejam­mert, dass man sich ja viel zu wenig Gedan­ken gemacht hat.

Die dritte Geschichte

Es gibt Dienst­ge­rä­te zur Aus­stat­tung von Lehr­kräf­ten. Unter dem Begriff wer­den in der öffent­li­chen Dar­stel­lun­gen ganz vie­le Din­ge in einen Topf gewor­fen. Das Sofort­aus­stat­tungs­pro­gramm des Bun­des führt gera­de nicht zur Anschaf­fung von Gerä­ten, die im dienst­li­chen Kon­text rechts­si­cher ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Allen­falls wird es vie­ler­orts schul­ge­bun­de­ne Gerä­te geben, die an Lehr­kräf­te von den Trä­gern „ver­lie­hen“ wer­den, um deren rechts­kon­for­men Ein­satz und um deren Admi­nis­tra­ti­on sich die Lehr­kräf­te selbst küm­mern müs­sen. Um das zu begrei­fen, muss man För­der­richt­li­ni­en lesen (und zur Ver­fü­gung haben). Letzt­lich bekom­men die­se Gerä­te dann den Sta­tus eines Pri­vat­ge­rä­tes, was man dann nur nicht selbst finan­zie­ren muss. Gera­de für die Ziel­grup­pe unter den Lehr­kräf­ten, für die das inter­es­sant wäre, näm­lich die bis­her digi­tal Vor­sich­ti­gen, ist der tat­säch­li­che Nut­zen dann doch eher begrenzt. Die­se Dis­kre­panz aus öffent­li­cher Dar­stel­lung und schmuck­lo­ser Rea­li­tät bringt mich hier an die Gren­ze des­sen, was ich noch sach­lich in der Bera­ter­tä­tig­keit ver­mit­teln kann.

Die vierte Geschichte

Mei­ne Twit­ter­ak­ti­vi­tä­ten sind sehr begrenzt gewor­den, ich fil­te­re viel und mute Din­ge, die mich ggf. trig­gern könn­ten. Vor Grals­hü­tern kann man sich auch durch die­se Tak­tik kaum schüt­zen. Sach­lich stimmt alles, Schu­le ist voll reform­be­dürf­tig und Prü­fungs­kul­tur muss sich ändern – kein Dis­senz soweit. Aber in der pan­de­mi­schen Situa­ti­on neh­me ich gera­de ande­re Bedürf­nis­se und ande­re Not­wen­dig­kei­ten wahr – nicht alle gefal­len mir inhalt­lich. Eini­ges lässt sich durch bestimm­te Wei­chen­stel­lun­gen in Bah­nen len­ken, die spä­ter eher einen offe­nen Ent­wick­lungs­rah­men bie­ten. Und es wer­den nicht die Men­schen gehört, die inhalt­lich am wei­tes­ten sind, son­dern die­je­ni­gen, die die momen­ta­nen prag­ma­ti­schen Not­wen­dig­kei­ten am ehes­ten bedie­nen. Schon schlimm, ich weiß. Ich bin vol­ler Bewun­de­rung für Bücher, die zum neu­en Ler­nen gera­de ent­ste­hen. Ich könn­te erst nach län­ge­rer Erfah­rung über die­se Din­ge schrei­ben und weiß noch viel zu wenig über Distanz­ler­nen oder die Gestal­tung von Videokonferenzen.

Was ist das Gemeinsame an allen Geschichten?

Ich habe sehr lan­ge gesucht, ob es irgend­ei­nen gemein­sa­men Nen­ner gibt. Ich glau­be vor­sich­tig, dass der Schlüs­sel im Begriff der Pro­fi­lie­rung liegt und dass Digi­tal­the­men hier in beson­de­rem Maße unpro­duk­ti­ve Pro­fi­lie­rung fördern.

Poli­tik muss sich pro­fi­lie­ren, was oft genug über Zah­len funk­tio­niert. Das ist so gelernt, dass man dar­an letzt­lich gemes­sen wird. Man­che Jour­na­lis­ten müs­sen sich pro­fi­lie­ren, weil Digi­tal­the­men nun­mal ganz oben in der Wahr­neh­mung sind. Ver­ant­wort­li­che für Beschaf­fungs­pro­zes­se kön­nen sich pro­fi­lie­ren, indem mög­lichst schnell mit mög­lichst gro­ßen Zah­len etwas beschafft wird. Beschaf­fun­gen sind dann gut, wenn sie öffent­lich sicht­bar sind, d.h. wenn man sich vor ihnen foto­gra­fie­ren las­sen kann. Dann ist „die Öffent­lich­keit“ zufrie­den und damit auch die Poli­tik. Mit mög­lichst radi­ka­len The­sen zum Umbau des Schul­sys­tems kann man sich pro­fi­lie­ren und wird gehört. Das ist z.B. auch eine mei­ner Pro­fi­lie­rungs­an­sät­ze, das „Brain“ zu sein, zu hin­ter­fra­gen, es kom­plex zu machen.  Mit immer neu­en Meta-Platt­for­men kann man sich pro­fi­lie­ren und zwar bit­te jede Insti­tu­ti­on immer wie­der neu. Da geht es gar nicht um Inhal­te, da geht es um Darreichungsformen.

Päd­ago­gi­sche Kon­zep­te und päd­ago­gi­sche Arbeit kann man nicht foto­gra­fie­ren. Man braucht zudem Zeit, um sie zu ver­ste­hen. Und es braucht noch mehr Zeit, um sie zu ent­wi­ckeln und in die­sem Ent­wick­lungs­pro­zess zu ler­nen. Es ist dif­fu­ses Wis­sen in einer Regi­on, was die eine Schu­le kann und die ande­re nicht. Der Erfolg sol­cher Kon­zep­te ist ein stil­ler. Gefühlt sind mei­ne Bera­tun­gen erfolg­rei­cher, wenn ich stil­ler bin, mehr zuhö­re, weni­ger pla­ka­tiv auf­tre­te, mich zurück­neh­me – weil ich dann bes­ser weiß, was ich sagen oder fra­gen „darf“.  Pro­fi­lie­rung ver­gif­tet inhalt­li­che Arbeit, sie stellt sich davor und über­strahlt mit ihrem LED-Kalt­licht­schein­wer­fer jedes war­me Glü­hen. Ich erle­be es oft, dass wir Män­ner damit ein viel grö­ße­res Pro­blem als Frau­en haben.

Vie­le Lehr­kräf­te machen sich gera­de auf den Weg und neh­men zum ers­ten Mal Tech­nik in die Hand. So wie sie es tun, hat es viel­leicht zunächst noch nichts mit Digi­ta­li­sie­rung zu tun. Was nicht pas­sie­ren darf ist, jetzt zusätz­lich zu sagen: „Du musst es von Anfang an mit einem ande­ren Mind­set­ting dar­an! Die bist erwach­sen und stu­diert!“ Pan­de­mie + Tech­nik + Mind­set ist viel­leicht – zumin­dest für ganz „nor­ma­le“ Men­schen – gera­de dann doch etwas ein klein wenig zu viel.

 

 

 

 

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