Der Zeitpunkt, an dem man nicht mehr umkehren kann

Die Schu­len sind sicher. Das beschlos­se­ne Maß­nah­men­pa­ket muss in sei­ner Wir­kung erst ein­mal beob­ach­tet wer­den. Das Coro­na­vi­rus ist letzt­lich nur eine Grippe.

Das sind so eini­ge Annah­men, die von unter­schied­li­chen Men­schen momen­tan gelebt wer­den. Falls sich die­se Annah­men als falsch oder gra­du­ell falsch her­aus­stel­len, könn­ten die Kon­se­quen­zen sowohl für das Indi­vi­du­um, die so etwas behaup­tet als auch für uns als demo­kra­ti­sche Gesell­schaft erheb­lich sein. Daher müs­sen sol­che Annah­men irgend­wann stim­men. Man kommt hin­ter sie nicht mehr zurück, ohne als kom­plet­ter Voll­idi­ot dazu­ste­hen, der das Offen­sicht­li­che nicht sehen woll­te. Wenn man sei­ne Ansicht ändert, anders han­delt, ist man den­noch in der Wahr­neh­mung oft der Voll­idi­ot, der vor­her z.B. gelo­gen hat. Egal, wie ich mich ver­hal­te, ich kom­me da nicht heil her­aus. Ich kann also zwi­schen dem Tun­nel wäh­len, der mich als Indi­vi­du­um vor mir selbst nach eine Wei­le sym­bo­lisch intakt lässt oder der Selbst­auf­ga­be und der Kon­fron­ta­ti­on mit mei­nem eige­nen Ver­hal­ten. Auf der Ebe­ne des Indi­vi­du­ums ist das maxi­mal tragisch.

Es ist leich­ter, Koali­ti­ons­ver­trä­ge aus­zu­han­deln, als sich dem Drau­ßen zu stel­len. Die­se Struk­tur ist bekannt, in „nor­ma­len“ Zei­ten legi­ti­miert, ein ein­ge­spiel­tes Mus­ter. Sich dem Drau­ßen zu stel­len, bedeu­tet letzt­lich, mit Struk­tu­ren und Mus­tern kom­plett zu bre­chen, die als poli­ti­scher Plot seit Jahr­zehn­ten ablaufen.

Ana­lo­ges mag für die Denk­struk­tu­ren der Impf­ver­wei­ge­rer gel­ten. Wenn es wirk­lich so ist, dass sie die Ver­ant­wor­tung für erneu­te Ein­schrän­kun­gen des Frei­heits­rech­te, ein Zusam­men­bre­chen der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung und erheb­li­che sozia­le Ver­wer­fun­gen auf ihr Kon­to gehen, dann haben die­se Men­schen ein Pro­blem vor sich selbst.

Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men bedeu­tet momen­tan, dass Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den müs­sen. Die­se kön­nen sich als falsch her­aus­stel­len. Gerich­te kön­nen die­se Maß­nah­men und Ent­schei­dun­gen im Nach­hin­ein kas­sie­ren. Das ist dann so. Es gibt aber auch ein nicht uner­heb­li­ches Risi­ko, dass gera­de das Nicht­han­deln oder das Behar­ren auf Posi­tio­nen und Struk­tu­ren erheb­li­che Kon­se­quen­zen nach sich zieht.

Ziem­li­che Sicher­heit dürf­te dar­in bestehen, dass Imp­fun­gen nichts an der bestehen­den Situa­ti­on ändern wer­den. Die Men­schen sind infi­ziert. Sie wer­den zu unter­schied­li­chen Antei­len bei Geimpf­ten und Unge­impf­ten im Kran­ken­haus enden. Mit hoher Wahr­schein­lich­keit wer­den wir Men­schen ver­lie­ren, die wir ken­nen. Und wir haben bereits Pfle­ge­per­so­nal ver­lo­ren und wer­den das auch weiterhin.

Das sind jedoch alles offen­bar kei­ne Argu­men­te, um kon­kret zu han­deln. Die Struk­tur des Zögerns und hin­ter der Situa­ti­on Hin­ter­her­lau­fens bleibt nach wie vor sta­bil. Die Struk­tu­ren sind immun gegen Fak­ten. Auch gegen sol­che, die mit dem Fort­schrei­ten der Pan­de­mie nicht mehr durch ihre his­to­ri­sche Bei­spiel­lo­sig­keit ent­schul­digt wer­den können.

Die Stra­te­gie des Erklä­rens ver­fängt nicht. Die Stra­te­gie des Mütend-Seins ver­fängt nicht. Erst kon­kre­te For­de­run­gen der Exper­ten nach „Lock­downs“ oder „Pro­tes­te der Ver­nünf­ti­gen“ bie­ten ggf. den poli­ti­schen Ent­schei­dern die Art „Legi­ti­ma­ti­on“, die zum rea­len Han­deln erfor­der­lich ist. Wenn schon die ande­ren nicht mehr umkeh­ren kön­nen – wir kön­nen es in Bezug auf die Mit­tel, die wir bis­her ange­wen­det haben, um uns Gehör und „denen“ Legi­ti­ma­ti­on zu verschaffen.

Die Alter­na­ti­ve ist, dass es ganz schlimm wird – wenn das noch geht.

Entidentifizierung – eine Gefahr für „Bildung“ unter Coronabedingungen

War­um bin ich medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter? War­um bin ich das in Voll­zeit? War­um bin ich nicht mehr in der Schule?

Jeder Mensch hat zwei Arbeitsverträge:

Der ers­te regelt das For­ma­le. Wie viel Geld? Wie vie­le Stun­den? Wel­che Spe­sen? Wel­cher Urlaubs­an­spruch? usw.

Der zwei­te regelt das Informelle:

Füh­le ich mich an mei­nem Arbeits­platz wohl? Kann ich die Zie­le der Insti­tu­ti­on oder des Betrie­bes enga­giert mit­tra­gen? Habe ich funk­tio­nie­ren­de sozia­le Netz­wer­ke in mei­nem Arbeits­kon­text? Steht das, was ich in mei­ne Arbeit „ste­cke“, in sinn­vol­ler Rela­ti­on zu der Wert­schät­zung, die mir auf der Arbeit u.a. von Vor­ge­setz­ten ent­ge­gen­ge­bracht wird?

Was Insti­tu­tio­nen sowie Betrie­be sehen und wahr­neh­men, ist die Kün­di­gung des ers­ten Arbeits­ver­tra­ges. Wenn das zu über­hand nimmt, erfol­gen spä­tes­tens Maß­nah­men zur Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung. Wenn die­se gut ist, schaut sie auf den Zustand der „zwei­ten“, inne­ren Arbeitsverträge.

Schu­le ist beson­ders. Vie­le dort täti­gen Lehr­kräf­te haben nach spä­tes­tens 10 Jah­ren kei­ne sinn­vol­le Aus­stiegs­op­ti­on ohne das Risi­ko des Kom­plett­ver­lus­tes der Alters­ver­sor­gung. Auch vor die­sem Hin­ter­grund wäre es mei­nes Erach­tens sinn­voll, hier zukünf­tig umzu­den­ken und die gesetz­li­che Ren­ten­ver­si­che­rung zumin­dest zu ermög­li­chen – auch den Beamt:innen. Die Mög­lich­kei­ten, sich inner­halb des Sys­tems Schu­le neue Arbeits­fel­der zu erschlie­ßen, sind sehr begrenzt.

(Rand­no­tiz: Die Medi­en­be­ra­tung nimmt offen­bar an Attrak­ti­vi­tät zu. Sehr vie­le sehr klu­ge und kom­pe­ten­te Men­schen wol­len zu uns. Das war ein­mal anders. Vie­le von ihnen woll­ten bis­her lie­ber an Schu­le sein.)

Die inne­re Kün­di­gung führt in Schu­le zur Aus­bil­dung von Wohl­fühl­b­la­sen: Ich umge­be mich mit Men­schen, die zu mir pas­sen. Ich schaf­fe mir Frei­räu­me in mei­nem Unter­richt (die ich aber oft nicht tei­len darf, ohne mit dem umge­ben­den Sys­tem zu kol­li­die­ren). Ich fin­de Stra­te­gien, um für mich sinn­lo­se Situa­ti­on zu über­ste­hen und auszusitzen.

Eine Wohl­fühl­b­la­se ist fra­gil, weil ihre Sta­bil­tät und Ver­läss­lich­keit nicht allein von mir bestimmt wird: Die Lieblingskolleg:in lässt sich ver­set­zen. Ein bis­he­ri­ges Her­zens­the­ma wird von Men­schen über­nom­men, die sich mit mei­ner Vor­ar­beit inner­halb der Schul­ge­mein­schaft pro­fi­lie­ren – das kann ich nicht beeinflussen.

Kün­di­gen Mit­ar­bei­ten­de inner­lich, sind Wer­te und Zie­le der Insti­tu­ti­on oder des Betrie­bes in Gefahr. In guten Orga­ni­sa­tio­nen iden­ti­fi­zie­ren sich vie­le Mit­ar­bei­ten­de mit ihrer Ein­rich­tung. Erst so wer­den gemein­sa­me Hand­lun­gen mög­lich – gera­de im päd­ago­gi­schen Bereich ist das immens wich­tig für die Ori­en­tie­rung von z.B. Kin­dern und Jugendlichen.

Das Gemein­sa­me stirbt durch den Pro­zess der Ent­i­den­ti­fi­zie­rung und weicht der Kon­kur­renz und dem Kampf der Wohl­fühl­b­la­sen unter- und miteinander.

Ich stel­le mir gera­de hel­le Köp­fe in den Kul­tus­mi­nis­te­ri­en vor, bzw. muss ich mir sie gar nicht vor­stel­len – ich ken­ne tat­säch­lich eine gan­ze Anzahl hier in Nie­der­sach­sen. Ich stel­le mir vor, dass es dort sehr gute Ideen über die Ent­wick­lung von Schu­le in der Zukunft gibt.

Wel­che Erfah­run­gen machen gera­de Lehr­kräf­te bei der „Coro­nastra­te­gie für Schu­len“ – das muss man sich immer klar­ma­chen – mit Tei­len(!) der an Kul­tus­mi­nis­te­ri­um täti­gen Men­schen und der Poli­tik? Ich glau­be, dass es zur Zeit vie­le poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen gibt, die Lehr­kräf­te von dem Sys­tem ent­frem­den, was sie bis­her viel­leicht noch leid­lich unter­stüt­zend im Hin­ter­grund wahr­ge­nom­men haben.

Hel­le Köp­fe in Kul­tus­struk­tu­ren wer­den es nach Coro­na sehr schwer haben, Ver­trau­en auf­zu­bau­en – weil ich ver­mu­te, dass sich vie­le Lehr­kräf­te von ihrem Dienst­herrn bzw. den dahin­ter­lie­gen­den Struk­tu­ren gera­de ent­i­den­ti­f­zie­ren. Die Muti­gen kri­ti­sie­ren öffent­lich – das hat es in die­ser Aus­prä­gung in mei­ner gesam­ten Amts­zeit noch nicht gege­ben, obwohl es bei ande­ren The­men Schief­la­gen gab: Chan­cen­ge­rech­tig­keit, Inklu­si­on etc..

Ich sehe viel Erschöp­fung. Die gefähr­lichs­te Erschöp­fung für eine Orga­ni­sa­ti­on ist lang­fris­tig die, die heu­te zu Resi­gna­ti­on führt: „Von oben ist nichts zu erwar­ten. Ich muss den Schüler:innen gerecht wer­den, dafür bren­ne ich, dafür brau­che ich mei­ne Kraft!“ Das sagt nie­mand, aber ich bil­de mir ein, genau das zu spü­ren. Die öffent­lich Kri­ti­schen haben ein Ven­til. Die ste­hen not­falls auch allei­ne auf­recht. Die Kul­tus­bü­ro­kra­tie täte m.E. sehr gut dar­an, da hin­zu­hö­ren und ins direk­te Gespräch zu gehen – unter dem Schutz der Öffentlichkeit.

Ich bin pri­vi­le­giert. Ich bekom­me mein Geld ohne Abzü­ge. Des­we­gen habe ich auch die Ver­pflich­tung, gera­de jetzt beson­ders viel zurück­zu­ge­ben. Aber wie weit darf das gehen? Die Gren­ze ist erreicht, wenn die eige­ne Gesund­heit gefähr­det ist. Und vie­le, die als Lehr­kraft oder Schul­lei­tung in der Müh­le des Sys­tems ste­cken, gehen momen­tan über die­se Gren­ze hin­aus. Schu­le braucht Men­schen die bren­nen. Mei­ne Kin­der brau­chen das. Iden­ti­fi­ka­ti­on hal­te ich für einen der maß­geb­li­chen Brenn­stof­fe überhaupt.

 

 

Persönliche Verschwörungstheorie

Im letz­ten Arti­kel hat­te ich über Erfah­run­gen aus der Fami­li­en­qua­ran­tä­ne geschrie­ben. Sol­che per­sön­li­chen Arti­kel sind für mich eher unge­wöhn­lich. Des­we­gen mache ich jetzt mal wie­der etwas Krea­ti­ves. Es ist eine rei­ne Fiktion.

Nichts hiervon ist belegbar oder stimmt.

Also ein fik­ti­ver Text, wie ihn Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker schrei­ben könnten.

 

Schulöffnungen maßgeblich für zweite Infektionswelle verantwortlich

Politiker:innen hiel­ten wesent­li­che Infor­ma­tio­nen zurück, um Wirt­schaft nicht zu gefährden

13.10.2021, Land­kreis Drei­ei­chen. Der Land­kreis Drei­ei­chen zähl­te vor einem Jahr zu den am meis­ten betrof­fe­nen Coro­na-Hot­spots in Deutsch­land. Wie sich in der Rück­schau her­aus­stellt, gin­gen die Infek­ti­ons­ket­ten dabei von Kin­dern und Jugend­li­chen aus. Durch Schlie­ßun­gen von Schu­len und Kin­der­ta­ges­stät­ten hät­te sich das Aus­maß der Epi­de­mie im Land­kreis ver­mei­den lassen.

Hil­de­gard Kemp­ten (Name geän­dert) steht fas­sungs­los vor dem Grab ihres im letz­ten Win­ter an den Fol­gen einer Coro­na­in­fek­ti­on ver­stor­be­nen Ehe­man­nes. Jeder im Land­kreis kennt jeman­den, bei dem Fami­li­en­mit­glie­der Opfer im Krei­se der Fami­lie zu bekla­gen hat. Der Land­kreis zähl­te bis kurz vor den Herbst­fe­ri­en des letz­ten Jah­res zu den nahe­zu coro­nafrei­en Gebie­ten. Nie­mand hat­te damals mit dem immensen Ein­fluss von Kin­dern und Jugend­li­chen beim Infek­ti­ons­ge­sche­hen gerech­net. Prof. Nobert Ein­haus von der ört­li­chen Kli­nik, Spe­zia­list für Lun­gen­krank­hei­ten, stellt heu­te resi­gniert fest: „Wir waren blind für aty­pi­sche und asym­pto­ma­ti­sche Krank­heits­ver­läu­fe bei jün­ge­ren Pati­en­ten. Das muss man in der Rück­schau deut­lich fest­stel­len.“ Der Land­kreis Drei­ei­chen zählt mit zu den jüngs­ten deutsch­land­weit. Das Virus hat­te sich weit­ge­hend unent­deckt unter jün­ge­ren Men­schen ver­brei­tet, die damals mit einer Ver­zö­ge­rung von weni­gen Wochen das Virus an ihre nähe­ren Ver­wand­ten wei­ter­ge­ge­ben haben. Durch feh­len­de Tes­tun­gen zu Anfang von Qua­ran­tä­ne­maß­nah­men war die Über­zeu­gung bei den Ver­ant­wort­li­chen ent­stan­den, dass Schu­len und Kin­der­gär­ten bei der Infek­ti­on eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le spie­len wür­den. „Da war in der Rück­schau doch mehr der Wunsch der Vater des Gedan­kens“, gibt sich Ein­haus nach­denk­lich: „Nie­mand woll­te sich ernst­lich dem Vor­wurf aus­set­zen, durch erneu­te Schul­schlie­ßun­gen das gesam­te Wirt­schafts­le­ben hier vor Ort zum Erlie­gen zu brin­gen und gro­ße Tei­le der Zivil­ge­sell­schaft über Gebühr zu belasten.“

Die wei­te­re Ent­wick­lung in Drei­ei­chen sorg­te genau dafür: Irgend­wann war der Punkt erreicht, dass Schu­len und Kin­der­gär­ten schlicht aus Per­so­nal­man­gel doch die Tore schlie­ßen muss­ten: Erzieher:innen und Lehr­kräf­ten erkrank­ten rei­hen­wei­se oder befan­den sich in behörd­li­cher Qua­ran­tä­ne. Die Aus­wir­kun­gen kamen teil­wei­se einem loka­len Lock­down gleich. Arbeit­neh­mer aus allen Berei­chen des Wirt­schafts­le­bens waren betrof­fen. Gan­ze Pro­duk­tio­nen konn­ten nicht mehr auf­recht erhal­ten wer­den. „Irgend­wann kam der Punkt, an dem wir auch mit unse­rem gan­zen inner­halb des Land­krei­ses quer­ver­setz­ten Per­so­nal die Kon­tak­te nicht mehr nach­ver­fol­gen konn­ten“, sagt Bernd Sief­ke, Lei­ter der loka­len Gesund­heits­am­tes, ein bedäch­ti­ger, in sich gekehr­ter Mann. „Es waren kei­ne Clus­ter­er­eig­nis­se mehr aus­ma­chen wir beim ers­ten Fall inner­halb einer Fami­li­en­fei­er, das Virus war ein­fach über­all, ohne erkenn­ba­res Mus­ter.“ Der Land­kreis Drei­ei­chen hat­te damals früh­zei­tig mit weit schär­fe­ren Ver­ord­nun­gen als vom Land aus vor­ge­se­hen reagiert und damit den ers­ten Infek­ti­ons­herd inner­halb einer Gemein­de im Nord­kreis erfolg­reich bekämpft. Bemer­kens­wert: Es kam im Nord­kreis durch­aus zu behörd­lich ange­ord­ne­ten Schulschließungen.

Wie sich in der Rück­schau her­aus­stell­te, war genau die­se Reak­ti­on ent­schei­dend für die loka­le Ein­däm­mung. Da bei eini­gen Rei­hen­tests ca. 5–6 Tage nach Beginn der Schul­schlie­ßun­gen nichts Wesent­li­ches her­aus­kam, war man sich sicher, hier rich­tig gehan­delt zu haben. Heu­te weiß man: Die infek­tiö­se Zeit bei Kin­dern und Jugend­li­chen ist bedeu­tet gerin­ger als bei Erwach­se­nen. Der jun­ge Orga­nis­mus wird mit dem Virus in der Regel weit­aus schnel­ler fer­tig, so dass bereits zwei bis drei Tage nach einer asym­pto­ma­ti­schen Infek­ti­on der dama­li­ge PCR-Test nicht mehr anschlug. Durch die früh­zei­ti­ge häus­li­che Qua­ran­tä­ne konn­te die­se Kin­der das Virus auch in den Fami­li­en kaum weitergeben.

Ganz anders die Ent­wick­lung in der Kreis­stadt: Die Schu­len blie­ben im Wesent­li­chen geöff­net. Das Virus konn­te sich weit­ge­hend unent­deckt in der Schü­ler­schaft ver­brei­ten. Mit einer Ver­zö­ge­rung von ca. 1–2 Wochen erfass­te es Eltern, Groß­el­tern und Freun­de der Fami­lie, aber auch Lehr­kräf­te. Anders als zu Anfang der zwei­ten Wel­le schien das Virus nun aus der Mit­te der Gesell­schaft zu kom­men. Die star­ke Kor­re­la­ti­on zwi­schen der Anzahl der Kin­der und der Anzahl der posi­ti­ven Fäl­le inner­halb einer Fami­lie konn­te ange­sichts der dra­ma­ti­schen Ent­wick­lun­gen nie­man­dem auf­fal­len. Dazu war die Zahl der Kin­der­lo­sen inner­halb der Kreis­stadt auch zu gering.

Der Zug war nicht mehr auf­zu­hal­ten, das Spiel war ver­lo­ren“, stellt Land­rä­tin Simo­ne Peters resi­gniert fest. Die Stra­te­gie wur­de grund­sätz­lich geän­dert. Man setz­te im Land­kreis auf geziel­te Durch­seu­chung, ent­zog Risi­ko­grup­pen dem öffent­li­chen Leben. Alten­pfle­ge­kräf­te zogen in die Alten­hei­me, Kran­ken­pfle­ge­kräf­te ins Kran­ken­haus. Pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge wur­den von ihren Arbeitgeber:innen freigestellt.

In der Not­fall­ver­sor­gung und auf den Inten­siv­sta­tio­nen inner­halb des Krei­ses kam es zu dra­ma­ti­schen Ent­wick­lun­gen, die an die Zustän­de in Nord­ita­li­en wie am Anfang der Pan­de­mie im Früh­jahr 2020 erin­ner­ten. „Das war der Preis.“ Der Blick von Land­rä­tin Peters wird starr. Im Land­kreis ver­star­ben um die 800 Patient:innen unmit­tel­bar oder mit­tel­bar an den Fol­gen einer Coro­na­in­fek­ti­on. Um die 200 von Ihnen konn­ten auf­grund eines völ­lig über­las­te­ten Gesund­heits­sys­tems nicht die in die­sen Fäl­len vor­ge­se­he­ne The­ra­pie erhal­ten. „Wir konn­ten zwi­schen einem tota­len Lock­down mit der vagen Hoff­nung auf Bes­se­rung und einer Zer­stö­rung gro­ßer Tei­le der loka­len Wirt­schaft oder der geziel­ten Durch­seu­chung mit den abseh­ba­ren Fol­gen ent­schei­den. Bei­des kei­ne hoff­nungs­vol­len Optio­nen.“, sagt Peters. „Mich wird die­se Bür­de mein Leben lang begleiten.“

Der Land­kreis Drei­ei­chen zähl­te zu einem der ers­ten deutsch­land­weit, die als durch­seucht gal­ten. Er steht heu­te wirt­schaft­lich ver­gleichs­wei­se gut da. Sta­tis­ti­ken beschei­ni­gen dem Land­kreis wesent­lich gerin­ge­re Ster­be­ra­ten durch Ver­ein­sa­mung bei alten oder depres­si­ven bzw. psy­chisch labi­len Men­schen. Land­rä­tin Peters gilt heu­te als eine der schärfs­ten Kritiker:innen des Kri­sen­ma­nage­ments in den Kul­tus­be­hör­den. Unter­stützt von Per­sön­lich­kei­ten aus dem Land­kreis hat sie ver­schie­de­ne Kla­gen gegen füh­ren­de Minis­te­ri­al­be­am­te initiiert.

Nichts hiervon ist belegbar oder stimmt. Dieser Text ist eine reine Fiktion mit Fantasieereignissen, Fantasiezitaten und Fantasienamen.

 

 

 

 

Tag 9 der Familienquarantäne – Gedanken zur Epidemie

Ich woh­ne im Land­kreis Clop­pen­burg. Das Infek­ti­ons­ge­sche­hen stellt sich zur Zeit bei uns so da:Die Inzi­denz pen­delt momen­tan so um die 40 Infek­tio­nen pro 100.000 Ein­woh­ner. Clop­pen­burg ist ein Zen­trum der fleisch­ver­ar­bei­ten­den Indus­trie. Auch Gemü­se­an­bau ist hier ein gro­ßer Wirt­schafts­zweig, wobei 1kg Gemü­se ja mitt­ler­wei­le mehr kos­tet als teil­wei­se 1kg Fleisch.

Wir alle im Land­kreis haben mit einem Aus­bruch gerech­net. Mit einem Aus­bruch in der Fleisch- oder Agrar­in­dus­trie. Der Aus­bruch, um des­sen Ein­däm­mung sich alle hier red­lich und nach bes­tem Wis­sen und Gewis­sen in der Ver­wal­tung mühen, kommt aber wahr­schein­lich eher aus der Mit­te der Gesell­schaft. Clop­pen­burg ist mit einem Durch­schnitts­al­ter um die 40 Jah­re ein sehr jun­ger Land­kreis. Wir sehen hier gera­de eine Rei­he völ­lig kom­pli­ka­ti­ons­lo­ser Infek­tio­nen unter jun­gen Men­schen und Kin­dern – bzw. sehen wir sie wahr­schein­lich gera­de nicht in dem wirk­li­chen Aus­maß. Dage­gen hel­fen kei­ne Mas­ken und kei­ne Abstand­re­ge­lun­gen im öffent­li­chen Raum oder Schulen.

Unse­re Fami­lie hat es jetzt erwischt: Eines mei­ner Kin­der ist vor­letz­ten Mitt­woch posi­tiv getes­tet wor­den. Wir hät­ten unter nor­ma­len Umstän­den nicht getes­tet. Der Arzt hat­te eine Tes­tung zunächst abge­lehnt. Trotz Kon­takt mit einer Per­son, die posi­tiv geste­tet wor­den war, sind bei unse­rem Kind kei­ne Sym­pto­me auf­ge­tre­ten, die sich in irgend­ei­ner Form einer COVID-19-Erkran­kung zuord­nen lie­ßen. Da muss man dann schon etwas insis­tie­ren und das lang­jäh­ri­ge Ver­trau­en („Wenn die Rieckens kom­men, dann ist da auch was!“) ausspielen.

Seit vor­letz­ten Don­ners­tag sind wir als Fami­lie offi­zi­ell, seit dem Diens­tag davor in frei­wil­li­ger Qua­ran­tä­ne. Ich habe mich danach beim Haus­arzt tes­ten las­sen, mei­ne Frau in einem tier­ärzt­li­chem Labor (Ja, das geht hier, schnell und zer­ti­fi­ziert) – bei­de Tests waren nega­tiv. Die Umstän­de waren aber so, dass wir uns bei unse­rem Kind hät­ten infi­zie­ren müs­sen (drei Stun­den Film in einem 7qm Raum ohne offe­nes Fens­ter). Es spricht also eini­ges dafür, dass wir bei­de bereits eine Infek­ti­on durch­ge­macht haben, die aber kom­pli­ka­ti­ons­los ver­lau­fen ist. Das wäre durch einen Anti­kör­per­test abzu­si­chern. Viel­leicht leis­te ich mir selbst den – dann auch wie­der nicht so aus­sa­ge­kräf­ti­gen – Spaß.

Das Infek­ti­ons­ge­sche­hen in unse­rer Fami­lie hat wahr­schein­lich einen Aus­gangs­punkt in einer pri­va­ten Fei­er mit sehr begrenz­ter Per­so­nen­zahl. Aber das ist nicht sicher. Vie­les spricht in der Rück­schau dafür.

Eines ist aber ziem­lich sicher: Wir als Gesell­schaft wis­sen über das Virus und sei­ne Aus­brei­tung eigent­lich noch viel zu wenig. Wir wis­sen nichts über die Dun­kel­zif­fer, die jetzt hier in Clop­pen­burg in Tei­len aus­ge­leuch­tet wird.

Sicher ist auch, wel­che Fol­gen eine bestä­tig­te Infek­ti­on inner­halb eines Jahr­gangs in einer Schu­le hat: Der gesam­te Jahr­gang wird frei­ge­setzt. Alle Schüler:innen müs­sen sich in ihren Haus­hal­ten in Zim­mer­qua­ran­tä­ne bege­ben und z.B. auch getrennt von ihrer Fami­lie essen. Eine Tes­tung zu Anfang die­ser Qua­ran­tä­ne fin­det aus Kapa­zi­täts­grün­den nicht statt. Die übri­gen Fami­li­en­mit­glie­der müs­sen sich ledig­lich von dem Kind in Qua­ran­tä­ne fern­hal­ten, ste­hen selbst aber nicht unter Quarantäne.

Natür­lich fin­den z.B. Rei­hen­tes­tun­gen zum Ende der Qua­ran­tä­ne auch bei Schüler:innen statt. Aber die brin­gen maxi­mal eine Absi­che­rung dar­über, dass mit Auf­nah­me des Schul­be­triebs ein bestimm­ter Per­so­nen­kreis an einem bestimm­ten Tag nicht infek­ti­ös ist. Nach zwei Wochen kann man sich recht sicher sein, dass alle Ergeb­nis­se nega­tiv ausfallen.

Ein grö­ße­rer Erkennt­nis­ge­winn über das Infek­ti­ons­ge­sche­hen wür­de aber ein Rei­hen­test zu Anfang einer Qua­ran­tä­ne bie­ten, weil m.E. dann deut­li­cher wür­de, wie weit die Infek­ti­on in der jün­ge­ren Bevöl­ke­rung ver­brei­tet ist. Posi­ti­ve Tes­tun­gen hier wür­den aber wei­te­re Din­ge aus­lö­sen, z.B. Qua­ran­tä­ne für den gesam­ten Haus­halt und Kon­takt­nach­ver­fol­gun­gen. Die Test­ka­pa­zi­tä­ten wären wohl da, nicht aber das Per­so­nal, für das, was danach kom­men könnte.

Des­we­gen habe ich Freun­den ent­ge­gen mei­ner sonst doch eher nüch­ter­nen Art doch recht fata­lis­tisch fol­gen­des gepostet:

Das Spiel ist eigent­lich verloren.

Gedreht wer­den kann es nur durch recht dras­ti­sche Maß­nah­men, die auch so ihre Fol­gen nach sich zie­hen. Viel­leicht wer­den das im bes­ten Fall „Wan­der­maß­nah­men“ – dann käme der Land­kreis Clop­pen­burg als einer der ers­ten wie­der aus der Num­mer teil­wei­se heraus.

Qua­ran­tä­ne ist ein schwe­rer Grund­rechts­ein­griff, der sich zwar als Beam­ter mit Ein­fa­mi­li­en­haus, Gar­ten und funk­tio­nie­ren­dem sozia­len Netz für die Grund­ver­sor­gung gut aus­hal­ten lässt (selbst Bau­ma­te­ri­al kommt hier an), aber natür­lich auch wie­der Schlag­lich­ter auf Schu­le und Fern­un­ter­richt wirft. Sport fällt auch flach – selbst im Lock­down konn­te man zumin­dest allei­ne durch den Wald toben.

Wenn mei­ne Dis­zi­plin und Selbst­be­herr­schung in einer äußerst pri­vi­le­gier­ten Posi­ti­on Krat­zer erlei­den – wie mag es da ande­ren erge­hen? Noch län­ger die­se Maß­nah­men? In der Brei­te der Gesell­schaft? Ohne defi­nier­tes Ende?

Ich ertap­pe mich tat­säch­lich gele­gent­lich dabei, mitt­ler­wei­le eher Rich­tung Durch­seu­chung um den Preis des Aus­schlus­ses gefähr­de­ter Per­so­nen vom öffent­li­chen Leben zu den­ken – qua­si der „opti­mier­te schwe­di­sche Weg“. Aber das wür­de wohl mit ziem­li­cher Sicher­heit zu den ita­lie­ni­schen Ver­hält­nis­sen vom Früh­jahr führen.

Was wer­den wir für Stim­mungs­bil­der nach Weih­nach­ten, nach einem wei­te­ren hal­ben Jahr der Ein­schrän­kun­gen sehen? Was lässt sich tun, um dem zu begeg­nen? Was kann der Anteil von uns dar­an sein?

Zar­ter Anfang:

Ich glau­be, wir brau­chen mehr Daten­qua­li­tät, mehr Tes­tun­gen zu Beginn einer Qua­ran­tä­ne, mehr zivi­les und ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment in der Gesund­heits­äm­tern. Aber das ist nur ein intel­lek­tu­el­ler Anfang. Viel bedeu­ten­der ist der Blick auf die Emo­tio­nen in der Zivil­ge­sell­schaft, die sich nicht opti­mie­ren mit zuneh­men­der Dau­er von Beschränkungen.

 

Themen in Schule nach den Sommerferien – oder meine Angst vor der Angst

Ich habe letz­tes Wochen­en­de abends drau­ßen an einem lan­gen Tisch vor einer Knei­pe geses­sen. Da war nichts geplant oder reser­viert, ich bin ein­fach in der Stadt gewe­sen und habe spon­tan Bekann­te und Freun­de getrof­fen. Alles inner­halb der Coro­na­re­ge­lun­gen mit Abstand und unter frei­em Him­mel. Aber es ist – nord­deut­scher – Som­mer. Man kann drau­ßen sit­zen, Fens­ter öff­nen und vie­le Din­ge tun, die im Herbst oder Win­ter so nicht mehr funktionieren.

Clop­pen­burg hat nicht vie­le fleisch­ver­ar­bei­ten­de Betrie­be, Clop­pen­burg ist die fleisch­ver­ar­bei­ten­de Gegend über­haupt. Viel hängt wirt­schaft­lich am Funk­tio­nie­ren die­ses Sys­tems. Wenn ein Schlacht­hof auch nur zeit­wei­se geschlos­sen wer­den muss, hat dies immense Aus­wir­kun­gen für die gesam­te durch­ge­tak­te­te Lie­fer­ket­te vom Land­wirt bis zum Ver­brau­cher. Geflü­gel über­schrei­tet genorm­te Gewich­te, die Qua­li­tät des Schwei­ne­fleisches vari­iert – gan­ze Char­gen könn­ten ver­nich­tet wer­den müs­sen – nicht weil das Pro­dukt schlecht wäre – es kann schlicht nicht mehr genormt ver­ar­bei­tet wer­den. Man kann zur Fleisch­in­dus­trie ste­hen wie man will, aber es wird immense sozia­le Aus­wir­kun­gen auf die gesam­te Regi­on haben, wenn Coro­na zu nen­nens­wer­ten Schlie­ßun­gen der Schlacht­hö­fe führt. Befreun­de­te Steu­er­be­ra­ter, die wirk­lich Ein­bli­cke in die Fir­men­bü­cher haben, rech­nen spä­tes­tens im Herbst mit einer Plei­te­wel­le. Mit­tel­ständ­ler gehen mit eige­nem Ver­mö­gen „all in“ die Fir­ma, um Arbeits­plät­ze und Lebens­wer­ke zu ret­ten. Das fällt an sol­chen Aben­den in Neben­sät­zen, Scher­zen, zyni­schen Übertreibungen.

Bei mir war es an die­sem Abend eine Mischung aus immensem Unwohl­sein: Die­ser gelo­cker­te Sta­tus Quo wird das Maxi­mum sein, was es in den nächs­ten Mona­ten geben wird. Und ich als Beam­ter bin die­sen Markt­zy­klen und Dyna­mi­ken zumin­dest finan­zi­ell kom­plett ent­zo­gen. Ich habe am aller­we­nigs­ten das Recht, Angst zu haben. Ich ins­be­son­de­re, der ich nicht ein­mal mehr unter­rich­te. Dar­über schreibt zur­zeit kaum jemand, das wird aber zuneh­mend kommen.

Wäre ich noch Voll­zeit im Unter­richt, wäre es mir bestimmt so ergan­gen: „Bis zu den Som­mer­fe­ri­en schaf­fe ich das schon und danach geht es dann ja rela­tiv nor­mal mit dem Kohor­ten­sys­tem wei­ter. Man kann wie­der Arbei­ten schrei­ben, Noten ver­läss­lich geben (aber vie­le schö­ne Din­ge, die Schu­le aus­ma­chen fal­len auch im aller­bes­ten Fall weg …)“.

Was geschieht aber, wenn es so wei­ter­geht wie vor den Som­mer­fe­ri­en? Schu­le ist dann der ver­meint­li­chen rechts­si­che­ren Mög­lich­keit beraubt, Noten zu geben. Die Orga­ni­sa­ti­on von Prü­fun­gen wird kom­plex. Wie in der Fleisch­in­dus­trie: Man kann zu Noten und Bewer­tun­gen ste­hen, wie man möch­te: Der Weg­fall bzw. die Ein­schrän­kun­gen machen etwas mit Menschen.

Ich glau­be, es wird einen hohen Bedarf an Lösun­gen für die­ses Dilem­ma geben. Und es wird zuneh­mend Kolleg:innen geben, die Angst haben, weil sie gewohn­ter Arbeits­ab­läu­fe und Sicher­hei­ten beraubt sind, sich in ihren Struk­tu­ren(!) umstel­len müssen.

Als digi­ta­ler Kämp­fer habe ich mir lan­ge Zeit immer gedacht: Du musst nie­man­den ändern. Wer sich nicht ändert, wird von den Umstän­den des Kul­tur­wan­dels geän­dert. Aber ich habe dabei nicht an Coro­na gedacht, son­dern eher an zivil­ge­sell­schaft­li­che Impulse.

Im Twit­ter­leh­rer­zim­mer scheint immer alles so ein­fach und manch­mal schwarz und weiß. „Die Kri­se bie­tet Chan­cen der Schul­ent­wick­lung“ ist z.B. ein gän­gi­ger Satz. Objek­tiv ist das auch so. Aber die Welt funk­tio­niert so nicht. Nicht sach­lich, son­dern bald viel­leicht wesent­lich emo­tio­na­ler als uns lieb ist. Frank­furt, Opernplatz.

Schu­le wird auch nicht zurück­fal­len in alte Struk­tu­ren – zumin­dest bis zur Ent­wick­lung eines wirk­sa­men Impf­stoffs. Es wird wie­der und wie­der zumin­dest loka­le Impacts geben. Es ist nicht sicher, ob ich mei­ne Klas­sen­ar­beit schrei­ben kann. Die­ser Unsi­cher­heit kann man mit agi­lem Han­deln und Den­ken natür­lich begeg­nen, aber nicht ohne vor­he­ri­ge per­so­na­le Ent­wick­lungs­pro­zes­se. Schu­le an sich ist dafür nicht gebaut. Zudem ist das für Lehr­kräf­te noch­mal deut­lich leich­ter als für Schul­lei­tun­gen, die deut­lich mehr sys­te­mi­sche „Gegen­über“ haben (Eltern, Schul­be­hör­de, Lokal­po­li­tik, Gesund­heits­amt, Lehr­kräf­te, Schüler:innen, Gremien).

Ich grüb­le daher an Fort­bil­dun­gen mit ande­ren Inhal­ten her­um. FoBis zu alter­na­ti­ve Auf­ga­ben­for­ma­ten lau­fen mir regel­mä­ßig voll. Ich habe nie eine Fort­bil­dung 2x gege­ben – das war mir immer zu lang­wei­lig. Das wer­de ich ver­än­dern müssen.

Es wird m.E. drin­gend Fort­bil­dun­gen zum The­ma Bewer­tung und Beno­tung beim Distanz­ler­nen geben müs­sen. Nicht, weil das inhalt­lich so erstre­bens­wert ist, son­dern um viel­leicht auch läh­men­de Ängs­te bei man­chen Lehr­kräf­ten zu mil­dern. Angst ist das, was wir zur­zeit am wenigs­ten brau­chen können.

Ich mer­ke, dass ich den Fokus von Bera­tung mehr und mehr weg hin zu: „Ihr macht das am bes­ten jetzt so und so aus den und den Grün­den!“ ver­schie­be. Die Zeit des krea­ti­ven Ent­wi­ckelns kann wie­der in der Zeit der stei­gen­den Sicher­heit kom­men. Es gibt Kolleg:innen, die sowas hier weder hören noch lesen wol­len und auch durch­aus öffent­lich sehr sau­er reagieren.

Für Nie­der­sach­sen wird der August ein Schei­de­punkt. Nord­rhein-West­fa­len und Hes­sen „erpro­ben“ für uns, wie das mit dem Kohor­ten­sys­tem funk­tio­niert. Zumin­dest ist klar, dass wir in der letz­ten Feri­en­wo­che deut­lich mehr wis­sen wer­den als zu Beginn der Krise.

Sor­gen machen mir die gesell­schaft­li­chen Lang­zeit­aus­wir­kun­gen der Kri­se. Wirt­schaft­lich und Psy­cho­lo­gisch. In unser aller Umfeld wird es Betrof­fe­ne geben.

 

 

 

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