Der Zeitpunkt, an dem man nicht mehr umkehren kann

Die Schu­len sind sicher. Das beschlos­se­ne Maß­nah­men­pa­ket muss in sei­ner Wir­kung erst ein­mal beob­ach­tet wer­den. Das Coro­na­vi­rus ist letzt­lich nur eine Grippe.

Das sind so eini­ge Annah­men, die von unter­schied­li­chen Men­schen momen­tan gelebt wer­den. Falls sich die­se Annah­men als falsch oder gra­du­ell falsch her­aus­stel­len, könn­ten die Kon­se­quen­zen sowohl für das Indi­vi­du­um, die so etwas behaup­tet als auch für uns als demo­kra­ti­sche Gesell­schaft erheb­lich sein. Daher müs­sen sol­che Annah­men irgend­wann stim­men. Man kommt hin­ter sie nicht mehr zurück, ohne als kom­plet­ter Voll­idi­ot dazu­ste­hen, der das Offen­sicht­li­che nicht sehen woll­te. Wenn man sei­ne Ansicht ändert, anders han­delt, ist man den­noch in der Wahr­neh­mung oft der Voll­idi­ot, der vor­her z.B. gelo­gen hat. Egal, wie ich mich ver­hal­te, ich kom­me da nicht heil her­aus. Ich kann also zwi­schen dem Tun­nel wäh­len, der mich als Indi­vi­du­um vor mir selbst nach eine Wei­le sym­bo­lisch intakt lässt oder der Selbst­auf­ga­be und der Kon­fron­ta­ti­on mit mei­nem eige­nen Ver­hal­ten. Auf der Ebe­ne des Indi­vi­du­ums ist das maxi­mal tragisch.

Es ist leich­ter, Koali­ti­ons­ver­trä­ge aus­zu­han­deln, als sich dem Drau­ßen zu stel­len. Die­se Struk­tur ist bekannt, in „nor­ma­len“ Zei­ten legi­ti­miert, ein ein­ge­spiel­tes Mus­ter. Sich dem Drau­ßen zu stel­len, bedeu­tet letzt­lich, mit Struk­tu­ren und Mus­tern kom­plett zu bre­chen, die als poli­ti­scher Plot seit Jahr­zehn­ten ablaufen.

Ana­lo­ges mag für die Denk­struk­tu­ren der Impf­ver­wei­ge­rer gel­ten. Wenn es wirk­lich so ist, dass sie die Ver­ant­wor­tung für erneu­te Ein­schrän­kun­gen des Frei­heits­rech­te, ein Zusam­men­bre­chen der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung und erheb­li­che sozia­le Ver­wer­fun­gen auf ihr Kon­to gehen, dann haben die­se Men­schen ein Pro­blem vor sich selbst.

Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men bedeu­tet momen­tan, dass Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den müs­sen. Die­se kön­nen sich als falsch her­aus­stel­len. Gerich­te kön­nen die­se Maß­nah­men und Ent­schei­dun­gen im Nach­hin­ein kas­sie­ren. Das ist dann so. Es gibt aber auch ein nicht uner­heb­li­ches Risi­ko, dass gera­de das Nicht­han­deln oder das Behar­ren auf Posi­tio­nen und Struk­tu­ren erheb­li­che Kon­se­quen­zen nach sich zieht.

Ziem­li­che Sicher­heit dürf­te dar­in bestehen, dass Imp­fun­gen nichts an der bestehen­den Situa­ti­on ändern wer­den. Die Men­schen sind infi­ziert. Sie wer­den zu unter­schied­li­chen Antei­len bei Geimpf­ten und Unge­impf­ten im Kran­ken­haus enden. Mit hoher Wahr­schein­lich­keit wer­den wir Men­schen ver­lie­ren, die wir ken­nen. Und wir haben bereits Pfle­ge­per­so­nal ver­lo­ren und wer­den das auch weiterhin.

Das sind jedoch alles offen­bar kei­ne Argu­men­te, um kon­kret zu han­deln. Die Struk­tur des Zögerns und hin­ter der Situa­ti­on Hin­ter­her­lau­fens bleibt nach wie vor sta­bil. Die Struk­tu­ren sind immun gegen Fak­ten. Auch gegen sol­che, die mit dem Fort­schrei­ten der Pan­de­mie nicht mehr durch ihre his­to­ri­sche Bei­spiel­lo­sig­keit ent­schul­digt wer­den können.

Die Stra­te­gie des Erklä­rens ver­fängt nicht. Die Stra­te­gie des Mütend-Seins ver­fängt nicht. Erst kon­kre­te For­de­run­gen der Exper­ten nach „Lock­downs“ oder „Pro­tes­te der Ver­nünf­ti­gen“ bie­ten ggf. den poli­ti­schen Ent­schei­dern die Art „Legi­ti­ma­ti­on“, die zum rea­len Han­deln erfor­der­lich ist. Wenn schon die ande­ren nicht mehr umkeh­ren kön­nen – wir kön­nen es in Bezug auf die Mit­tel, die wir bis­her ange­wen­det haben, um uns Gehör und „denen“ Legi­ti­ma­ti­on zu verschaffen.

Die Alter­na­ti­ve ist, dass es ganz schlimm wird – wenn das noch geht.

Dieses Blog war noch nie besonders politisch … (Laschet)

… aber das, was gera­de im Kon­text der unbe­schreib­li­chen Flut­ka­ta­stro­phe an Ver­hal­ten von einem Bun­des­kanz­ler­kan­di­da­ten zu sehen war, hat für mich dann doch grund­sätz­li­che Bedeutung.

Bun­des­prä­si­dent Stein­mey­er hält eine Rede im Kri­sen­ge­biet – auch dar­über kann man eigent­lich schon­mal reden. Anna­le­na Baer­bock wur­de vor­ge­wor­fen, nicht ins Kri­sen­ge­biet gefah­ren zu sein. Mei­ne Bekann­ten zum THW-Zug aus Clop­pen­burg haben zu bei­den Ansät­zen so ihre Mei­nung, spre­chen z.B. von „Zusatz­be­las­tung“ von Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen im Kon­text von Pres­se­ter­mi­nen vor Ort.

Im Hin­ter­grund ist Armin Laschet zu sehen, wie er – von wahr­schein­lich Par­tei­kol­le­gen – ange­spro­chen wird und mit ihnen herz­haft lacht. Im Vor­der­grund wird von Herrn Stein­mey­er gleich­zei­tig betrof­fen gesprochen.

Deutsch­land erlebt eine Kri­se von inter­na­tio­na­lem Aus­maß – wenn­gleich rela­tiv klein im Ver­gleich zu ande­ren Kata­stro­phen in der Welt. Laschet wird ggf. Kanz­ler wer­den. Stel­len wir uns ein­mal vor, er besucht ein Kri­sen­ge­biet in einem ande­ren Land und ver­hält sich in die­ser Art und Wei­se. Sei­ne Reak­ti­on auf Kri­tik an sei­nem Ver­hal­ten auf Twit­ter sah so aus:

Er bedau­ert den Ein­druck, der ent­stan­den ist. Bis zu die­sem Punkt hät­te ich es irgend­wie erklä­ren kön­nen, war­um man als Über­sprungs­hand­lung in einer sol­chen Situa­ti­on lacht – mei­nen Kin­dern hät­te ich das nicht durch­ge­hen las­sen. Pas­sen­der­wei­se hat Twit­ter gleich eine ana­lo­ge Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie her­aus­ge­sucht.Bei­de ent­schul­di­gen sich nicht für ihr Ver­hal­ten, son­dern für den Ein­druck, die ihr Ver­hal­ten in der Öffent­lich­keit womög­lich hin­ter­las­sen hat. Es geht über­haupt nicht um die Betrof­fe­nen oder die Situa­ti­on: Es geht allein dar­um, mög­li­chen Scha­den von der eige­nen Per­son oder Insti­tu­ti­on abzu­wen­den. Das ist natür­lich poli­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on, die von Berater:innen erson­nen wur­de, die nicht im Dienst der Öffent­lich­keit ste­hen. Zudem flammt jetzt noch in der Pres­se auf: „Stein­mey­er hat ja auch gelacht!“ – wenn dem so ist, ist das natür­lich auch nicht Ord­nung, aber zur Ver­tei­di­gung Laschets jetzt nicht so optimal.

Was hätte ich gerne von Herrn Laschet in dieser Situation gesehen?

Herr Laschet wird humor­voll von Parteikolleg:innen ange­spro­chen. Ich hät­te jetzt ger­ne einen schar­fen Blick und beschwich­ti­gen­de Hän­de mit ein­deu­ti­ger Ges­te gese­hen. So gehört sich das für einen Men­schen, der einen Lei­tungs­an­spruch in Deutsch­land erhebt. Das ist mein Maß­stab. Viel­leicht ist der über­höht. Viel­leicht unter­schät­ze ich den Druck, unter dem Herr Laschet per­sön­lich steht.

Er hat es maxi­mal ver­fehlt. Mir ist nicht so klar, ob ihm sel­ber die­ses Licht auf­ge­gan­gen ist, oder ob er mit sei­nem State­ment ledig­lich auf die öffent­li­che Kri­tik reagiert.

Was er aus mei­ner Sicht hät­te sagen müs­sen, ist sowas hier:

Mein Ver­hal­ten war ange­sichts der Situa­ti­on pie­tät­los gegen­über den Opfern, Hel­fern und Betrof­fe­nen in die­ser bei­spiel­lo­sen Flut­ka­ta­stro­phe. Im Wahl­kampf ste­he ich unter enor­men Druck, was zu mei­nem Feh­ler mit bei­getra­gen hat. Ich bit­te alle Betrof­fe­nen um Ver­zei­hung. Ich stel­le mich nun der aus mei­nen Fehl­ver­hal­ten resul­tie­ren­den öffent­li­chen Debat­te und über­neh­me dafür die Verantwortung.

Wenn ich Herrn Laschet maxi­mal nega­tiv den­ke, wer­den wir unter sei­ner mög­li­chen Kanz­ler­schaft als ers­te Maß­nah­me eine Regu­lie­rung der sozia­len Medi­en sehen – damit sol­che „Ein­drü­cke“ künf­tig schon im Keim erstickt wer­den kön­nen. Rezo, wo bist du? Mehr Vor­la­gen braucht es nicht für ein neu­es Video.

Wirklichkeitsentkoppelt

Neu­es For­mat. Eine Gedan­ken­samm­lung. Erst­mal vier Geschichten.

Die erste Geschichte

Yvonne Gebau­er erwirbt eine Drei-Jah­res-Lizenz der Brock­haus-Online­enzy­klo­pä­die zur Nut­zung durch alle Schüler:innen in NRW. Der Spott der Online­com­mu­ni­ty und eini­ger kri­ti­scher Jour­na­lis­ten ist ihr sicher.

Ich bin mir sicher, dass Frau Gebau­er das maxi­mal ver­wirrt: Schließ­lich hat sie ja nicht direkt die­sen Deal ein­ge­fä­delt, son­dern die Vor­be­rei­tun­gen und die Idee dazu kom­men ja aus ihrem Minis­te­ri­um von Fachrefe­ra­ten. Sie hat sich auf die­se inhalt­li­che Vor­ar­beit ver­las­sen, die lei­der an den momen­ta­nen Bedar­fen gering­fü­gig vor­bei­geht. Die Mit­tel, die dafür ein­ge­setzt wur­den, sind höchst­wahr­schein­lich Mit­tel aus dem Digi­tal­pakt: Ein Teil der Zuwen­dun­gen an die Län­der ist für Vor­ha­ben auf Lan­des­ebe­ne vorgesehen.

Die zweite Geschichte

Unter vie­len Jour­na­lis­ten gibt es ein Nar­ra­tiv, dass die Digi­tal­pakt­mit­tel ein­fach nicht abge­ru­fen wer­den. Die Nach­fra­gen an die Kul­tus­mi­nis­te­ri­en tür­men sich. Mich haben auch schon eini­ge Anfra­gen dazu erreicht, aber mei­ne Ant­wor­ten stie­ßen auf wenig Gegen­lie­be: Zu wenig pla­ka­tiv, zu kom­plex, in der Öffent­lich­keit nicht ver­mit­tel­bar. Jetzt gibt es in Nie­der­sach­sen einen 10-Punk­te-Plan Digi­ta­li­sie­rung. Die­ser sieht als Ziel­vor­ga­be vor, noch im Jahr 2021 min­des­tens 50% der Digi­tal­pakt­mit­tel „zu bin­den“. Denn: Zah­len – so wichtig!

Dass die Ursa­chen für den gerin­gen Mit­tel­ab­fluss ganz woan­ders lie­gen (und der Stau bzw. Kno­ten sich recht bald lösen wird), hät­te Recher­chen vor­aus­ge­setzt. Statt­des­sen schaut man lei­der im Jour­na­lis­mus oft ger­ne auf Zahlen.

Und Poli­tik lie­fert die­se dann, weil so das Spiel funk­tio­niert. Ich sehe für Nie­der­sach­sen momen­tan eine gro­ße Gefahr, dass unter dem öffent­li­chen Druck das Pen­del von „sinn­vol­ler Digi­ta­li­sie­rung von schu­li­schen Pro­zes­sen“ stark hin­über­schwingt: „Die Koh­le muss raus, lass‘ mal Gerä­te anschaf­fen!“ Mit inhalt­li­cher und päd­ago­gi­scher gelun­ge­ner Arbeit ist kei­ne Pro­fi­lie­rung mög­lich. Ein schi­ckes Foto vor dem LCD-Panel ist da viel fluf­fi­ger: Für alle Sei­ten: Jour­na­lis­ten, Poli­tik und Schu­le. Und hin­ter­her wird dann gejam­mert, dass man sich ja viel zu wenig Gedan­ken gemacht hat.

Die dritte Geschichte

Es gibt Dienst­ge­rä­te zur Aus­stat­tung von Lehr­kräf­ten. Unter dem Begriff wer­den in der öffent­li­chen Dar­stel­lun­gen ganz vie­le Din­ge in einen Topf gewor­fen. Das Sofort­aus­stat­tungs­pro­gramm des Bun­des führt gera­de nicht zur Anschaf­fung von Gerä­ten, die im dienst­li­chen Kon­text rechts­si­cher ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Allen­falls wird es vie­ler­orts schul­ge­bun­de­ne Gerä­te geben, die an Lehr­kräf­te von den Trä­gern „ver­lie­hen“ wer­den, um deren rechts­kon­for­men Ein­satz und um deren Admi­nis­tra­ti­on sich die Lehr­kräf­te selbst küm­mern müs­sen. Um das zu begrei­fen, muss man För­der­richt­li­ni­en lesen (und zur Ver­fü­gung haben). Letzt­lich bekom­men die­se Gerä­te dann den Sta­tus eines Pri­vat­ge­rä­tes, was man dann nur nicht selbst finan­zie­ren muss. Gera­de für die Ziel­grup­pe unter den Lehr­kräf­ten, für die das inter­es­sant wäre, näm­lich die bis­her digi­tal Vor­sich­ti­gen, ist der tat­säch­li­che Nut­zen dann doch eher begrenzt. Die­se Dis­kre­panz aus öffent­li­cher Dar­stel­lung und schmuck­lo­ser Rea­li­tät bringt mich hier an die Gren­ze des­sen, was ich noch sach­lich in der Bera­ter­tä­tig­keit ver­mit­teln kann.

Die vierte Geschichte

Mei­ne Twit­ter­ak­ti­vi­tä­ten sind sehr begrenzt gewor­den, ich fil­te­re viel und mute Din­ge, die mich ggf. trig­gern könn­ten. Vor Grals­hü­tern kann man sich auch durch die­se Tak­tik kaum schüt­zen. Sach­lich stimmt alles, Schu­le ist voll reform­be­dürf­tig und Prü­fungs­kul­tur muss sich ändern – kein Dis­senz soweit. Aber in der pan­de­mi­schen Situa­ti­on neh­me ich gera­de ande­re Bedürf­nis­se und ande­re Not­wen­dig­kei­ten wahr – nicht alle gefal­len mir inhalt­lich. Eini­ges lässt sich durch bestimm­te Wei­chen­stel­lun­gen in Bah­nen len­ken, die spä­ter eher einen offe­nen Ent­wick­lungs­rah­men bie­ten. Und es wer­den nicht die Men­schen gehört, die inhalt­lich am wei­tes­ten sind, son­dern die­je­ni­gen, die die momen­ta­nen prag­ma­ti­schen Not­wen­dig­kei­ten am ehes­ten bedie­nen. Schon schlimm, ich weiß. Ich bin vol­ler Bewun­de­rung für Bücher, die zum neu­en Ler­nen gera­de ent­ste­hen. Ich könn­te erst nach län­ge­rer Erfah­rung über die­se Din­ge schrei­ben und weiß noch viel zu wenig über Distanz­ler­nen oder die Gestal­tung von Videokonferenzen.

Was ist das Gemeinsame an allen Geschichten?

Ich habe sehr lan­ge gesucht, ob es irgend­ei­nen gemein­sa­men Nen­ner gibt. Ich glau­be vor­sich­tig, dass der Schlüs­sel im Begriff der Pro­fi­lie­rung liegt und dass Digi­tal­the­men hier in beson­de­rem Maße unpro­duk­ti­ve Pro­fi­lie­rung fördern.

Poli­tik muss sich pro­fi­lie­ren, was oft genug über Zah­len funk­tio­niert. Das ist so gelernt, dass man dar­an letzt­lich gemes­sen wird. Man­che Jour­na­lis­ten müs­sen sich pro­fi­lie­ren, weil Digi­tal­the­men nun­mal ganz oben in der Wahr­neh­mung sind. Ver­ant­wort­li­che für Beschaf­fungs­pro­zes­se kön­nen sich pro­fi­lie­ren, indem mög­lichst schnell mit mög­lichst gro­ßen Zah­len etwas beschafft wird. Beschaf­fun­gen sind dann gut, wenn sie öffent­lich sicht­bar sind, d.h. wenn man sich vor ihnen foto­gra­fie­ren las­sen kann. Dann ist „die Öffent­lich­keit“ zufrie­den und damit auch die Poli­tik. Mit mög­lichst radi­ka­len The­sen zum Umbau des Schul­sys­tems kann man sich pro­fi­lie­ren und wird gehört. Das ist z.B. auch eine mei­ner Pro­fi­lie­rungs­an­sät­ze, das „Brain“ zu sein, zu hin­ter­fra­gen, es kom­plex zu machen.  Mit immer neu­en Meta-Platt­for­men kann man sich pro­fi­lie­ren und zwar bit­te jede Insti­tu­ti­on immer wie­der neu. Da geht es gar nicht um Inhal­te, da geht es um Darreichungsformen.

Päd­ago­gi­sche Kon­zep­te und päd­ago­gi­sche Arbeit kann man nicht foto­gra­fie­ren. Man braucht zudem Zeit, um sie zu ver­ste­hen. Und es braucht noch mehr Zeit, um sie zu ent­wi­ckeln und in die­sem Ent­wick­lungs­pro­zess zu ler­nen. Es ist dif­fu­ses Wis­sen in einer Regi­on, was die eine Schu­le kann und die ande­re nicht. Der Erfolg sol­cher Kon­zep­te ist ein stil­ler. Gefühlt sind mei­ne Bera­tun­gen erfolg­rei­cher, wenn ich stil­ler bin, mehr zuhö­re, weni­ger pla­ka­tiv auf­tre­te, mich zurück­neh­me – weil ich dann bes­ser weiß, was ich sagen oder fra­gen „darf“.  Pro­fi­lie­rung ver­gif­tet inhalt­li­che Arbeit, sie stellt sich davor und über­strahlt mit ihrem LED-Kalt­licht­schein­wer­fer jedes war­me Glü­hen. Ich erle­be es oft, dass wir Män­ner damit ein viel grö­ße­res Pro­blem als Frau­en haben.

Vie­le Lehr­kräf­te machen sich gera­de auf den Weg und neh­men zum ers­ten Mal Tech­nik in die Hand. So wie sie es tun, hat es viel­leicht zunächst noch nichts mit Digi­ta­li­sie­rung zu tun. Was nicht pas­sie­ren darf ist, jetzt zusätz­lich zu sagen: „Du musst es von Anfang an mit einem ande­ren Mind­set­ting dar­an! Die bist erwach­sen und stu­diert!“ Pan­de­mie + Tech­nik + Mind­set ist viel­leicht – zumin­dest für ganz „nor­ma­le“ Men­schen – gera­de dann doch etwas ein klein wenig zu viel.

 

 

 

 

Auf Wiedersehen, Frau Heister-Neumann!

Es ist nun schon eini­ge Tage her, seit­dem Chris­ti­an Wulff sein Kabi­nett umge­bil­det hat. Schlag­zei­len mach­te eine neue Sozi­al­mi­nis­te­rin mit ihrer Anre­gung, reli­giö­se Sym­bo­le aus den Schu­len zu ver­ban­nen, kei­ne oder weni­ge Schlag­zei­len mach­te der Weg­gang von Frau Heis­ter-Neu­mann aus dem Kultusministerium.

Ich habe in der Begrün­dung für die­se Ent­schei­dung oft den Duk­tus der „Herausnahme einer ange­schla­ge­nen, tap­fe­ren Spie­le­rin aus dem Feld“ ver­nom­men. Mei­ner Mei­nung nach stimmt das.

Frau Heis­ter-Neu­mann war aus ver­schie­de­nen Grün­den hier in Nie­der­sach­sen nicht sehr beliebt, im Kon­text mit der Ver­la­ge­rung des Stun­den­kon­tos (LAz­Ko) direkt vor die Pen­si­on kam es zum ers­ten Mal zu Pro­tes­ten von Leh­re­rin­nen und Leh­rern vor dem Land­tag – eigent­lich ein Wider­spruch in sich: Leh­rer soli­da­risch(!) auf der Straße.

Aber auch sonst hat­te Frau Heis­ter-Neu­mann für die mit der Macht­über­nah­me der schwarz-gel­ben Koali­ti­on ein­ge­führ­ten, umfas­sen­den Schul­re­for­men (Abschaf­fung der Ori­en­tie­rungs­stu­fe, zen­tra­le Abitur­prü­fun­gen, Pro­fil­ober­stu­fe, G8, selbst­stän­di­ge Schu­len usw.) gera­de­zu­ste­hen. Neid und Ver­ant­wor­tung sind mit Macht immer sehr stark ver­bun­den – das muss man in der Poli­tik aus­hal­ten. Und es ist ein Zei­chen der Stär­ke, die damit ein­her­ge­hen­de, teils hef­ti­ge Kri­tik auch zu ertragen.

Die meis­ten Refor­men wur­den unter dem ers­ten Kul­tus­mi­nis­ter der schwarz-gel­ben Koali­ti­on, Bernd Buse­mann ein­ge­führt. Die­ser über­nahm nach eini­ger Zeit im Amt das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um von Frau Heis­ter-Neu­mann, die ihrer­seits Kul­tus­mi­nis­te­rin wur­de (Tausch). Ob dabei Sach­zwän­ge eine Rol­le spiel­ten, oder die sich regen­den Her­aus­for­de­run­gen an den Schu­len und der damit ver­bun­de­ne Druck auf den Minis­ter, ist rei­ne Spekulation.

Jedoch sah sich Frau Heis­ter-Neu­mann in mei­nen Augen nun mit Wir­kun­gen von Refor­men kon­fron­tiert, die sie im Kern nicht zu ver­ant­wor­ten hat­te. Frau Heis­ter-Neu­mann ging mei­ner Mei­nung nach sach­lo­gisch vor: Das Gelin­gen von G8 und dabei gera­de der Dop­pel­jahr­gang waren mas­siv von der Ver­sor­gung mit Lehr­kräf­ten abhän­gig. Und just in die­sem Zeit­raum soll­te das Arbeits­zeit­kon­to in die Rück­zah­lungs­pha­se kom­men. Von einem ver­wal­tungs­tech­ni­schen Stand­punkt aus ist es abso­lut logisch, durch eine Ver­la­ge­rung der Rück­zah­lungs­pha­se des Arbeits­zeit­kon­tos das Gelin­gen der Reform per­so­nell sicherzustellen.

Die ent­schei­den­de Fra­ge mit Blick auf die Leh­rer­ver­sor­gung in der Zukunft war für mich bereits damals, war­um die Aus­zah­lung „am Stück“ direkt vor der Pen­sio­nie­rung damit ein­her­ge­hen soll­te und nicht direkt ein Modell ange­strebt wur­de, wie wir es jetzt in Nie­der­sach­sen (erstrit­ten) haben: Die Aus­zah­lungs­pha­se wird auf die Zeit nach dem Dop­pel­jahr­gang ver­scho­ben und es gibt Anrei­ze für KuK, die bereits in die Aus­gleichs­pha­se gekom­men wären, den Ein­tritt in sel­bi­ge zu ver­schie­ben mit teil­wei­se sehr fle­xi­blen Rege­lun­gen. Hat Frau Heis­ter-Neu­mann wirk­lich nicht gewusst, dass sie genau an die­sem Punkt mas­si­ven Wider­stand evo­zie­ren wür­de? Oder lagen dem Kul­tus­mi­nis­te­ri­um Zah­len vor, die die­ses doch recht rabia­te Vor­ge­hen sach­lo­gisch recht­fer­ti­gen können?

Es ist ja viel zuge­sagt wor­den: Z.B. die Sen­kung der Klas­sen­fre­quen­zen (per­so­nal­in­ten­siv) durch Ver­bleib der durch die „Überwindung des Doppeljahrgangs“ neu geschaf­fe­nen Stel­len an den Gym­na­si­en, deren Schü­ler­zahl wahr­schein­lich wei­ter leicht stei­gen wird. Dem ent­ge­gen steht die Aus­gleichs­pha­se des LAz­Ko, die ab dem 1.8.2012 begin­nen wird.

Neh­men wir ein­mal an, dass von 60 KuK an einer Schu­le 20 davon pro­fi­tie­ren, fal­len an die­ser Schu­le ein­mal eben 20x4=80 Stun­den (mehr als drei vol­le Stel­len) weg – die Kol­le­gen unter­rich­ten ja die zwei LAz­Ko-Stun­den nicht mehr und bekom­men zusätz­lich pro Jahr zwei ange­spar­te LAz­Ko-Stun­den ver­gü­tet. Wei­ter­hin geht das Gerücht, dass in den nächs­ten sechs Jah­ren der eine oder ande­re Kol­le­ge bzw. die eine oder ande­re Kol­le­gin in Pen­si­on gehen wird. Ob die ange­dach­te Ver­kür­zung des Vor­be­rei­tungs­diens­tes auf 1,5 Jah­re und der Aus­bau der Stu­di­en­se­mi­na­re die­se Effek­te kom­pen­sie­ren kön­nen, wäre auf Basis von kon­kre­tem Zah­len­ma­te­ri­al zu über­prü­fen. Außer­dem soll es ja in Nie­der­sach­sen auch leich­ter wer­den, als Quer­ein­stei­ger – gera­de in Man­gel­fä­chern – den Beam­ten­sta­tus zu erlangen.

Die ent­schei­den­de Fra­ge ist, ob die­se Maß­nah­men aus­rei­chend sind oder ob der ein­zi­ge Aus­weg doch in einer Erhö­hung des Stun­den­de­pu­ta­tes bestehen wird. Dafür bie­tet sich die Aus­gleichs­pha­se ja nahe­zu an, weil die KuK durch auch noch einer Depu­tats­er­hö­hung um zwei Stun­den unter dem Strich noch zwei Stun­den weni­ger als vor­her unter­rich­ten… Außer­dem hat Nie­der­sach­sen ohne­hin bun­des­weit eines der kleins­ten Stun­den­de­pu­ta­te (wenn man Sei­ten­ef­fek­te wie Stel­len­schlüs­sel und Klas­sen­fre­quen­zen nicht berück­sich­tigt). Die Lob­by von Leh­rern in der Öffent­lich­keit ist – u.U. auch selbst mit­ver­schul­det – klein… Zwei Stun­den – was ist das denn schon? 30–33 SuS mehr. Fällt bei den bis 180 – je nach Fächer­kom­bi­na­ti­on – , die man mit vol­ler Stel­le zu betreu­en hat, auch kaum auf.

Soll­te Herr Alt­hus­mann, unser neu­er Kul­tus­mi­nis­ter, die­se Ent­schei­dung aus Sach­zwän­gen her­aus tref­fen müs­sen und dadurch unter Druck gera­ten, so hof­fe ich wenigs­tens, dass er die­se Schlacht dann sel­ber schla­gen kann und nicht ein ande­res Minis­te­ri­um sei­ner Hil­fe bedarf.

Schö­ner wäre es natür­lich, wenn das Kul­tus­mi­nis­te­ri­um die vor­lie­gen­den Zah­len trans­pa­rent ver­öf­fent­li­chen wür­de… Dann könn­te man gemein­sam über etwas Kon­kre­tes reden, bila­te­ral, kol­le­gi­al und auf Augen­hö­he. Und da Leh­re­rin­nen und Leh­rer in der Sum­me kei­ne Unmen­schen sind, ergä­be sich viel­leicht sogar ein nach­hal­ti­ges Kon­zept für die Zukunft und zurück­ge­won­ne­nes Ver­trau­en – es geht um eines der wert­volls­ten Güter, die wir besitzen.

Koch versteht

Auch wenn es schon so oft ver­linkt wor­den ist. Man möge sich vor Augen hal­ten, dass das der Mann ist, der im hes­si­schen Land­tag behaup­tet hat, lang­haa­ri­ge Leh­rer könn­ten kei­ne ange­mes­se­nen Vor­bil­der für SuS sein – also eine doch eher kon­ser­va­ti­ve Aus­sa­ge. Schaut es euch an, was der Mann zur Fra­ge der digi­ta­len Gesell­schaft und zur Rol­le der Netz­welt sagt.