LMS und die Macht des Ringes

Wir Men­schen wer­den Twit­ter wei­ter­hin auch sinn­ent­leert und ver­ant­wor­tungs­los nut­zen. Wir wer­den wei­ter­hin glau­ben, dass wir mit tech­no­lo­gi­schem Fort­schritt unse­re Pro­ble­me lösen kön­nen. Wir über­se­hen geflis­sent­lich, dass die Tech­nik und Ihr Gebrauch nur der Spie­gel unse­rer Selbst ist. Wor­aus wie­der ein­mal folgt, dass wir selbst unser größ­tes Pro­blem sind. Denn natür­lich wäre es ungleich anstren­gen­der und bedroh­li­cher, uns selbst zu fokus­sie­ren als irgend­ei­ne neue Tech­no­lo­gie. Schließ­lich wür­de sich da doch der eine oder ande­re graus­li­che Abgrund auftun.

Andre­as Zeuch in: http://www.psychophysik.com/integral-blog/?p=2151

Sigi Jakob – eine Mood­le­ve­te­ra­nin und päd­ago­gi­sche Exper­tin, wenn es um die Nut­zung von Lern­platt­for­men im Sin­ne einer neu zu den­ken­den Lern­kul­tur geht, hat im Rah­men ihrer Key­note als Gast­red­ne­rin auf dem 2. Köl­ner Mood­le­tag etwas erlebt, was sie hier ein­drucks­voll auf­schreibt. Sie nennt dort als Ziel des Vortrags:

Die Ziel­set­zung mei­nes Vor­trags war, die Zuhö­rer für die Not­wen­dig­keit einer Ver­än­de­rung in der Lern­kul­tur zu sen­si­bi­li­sie­ren und auf­zu­zei­gen, dass ein Mood­le­kurs allein noch kei­nen ande­ren Unter­richt und ande­res Ler­nen bewirkt.

Sigi Jakob in: http://www.school-networking.de/start/?p=857

Sigi nennt das Erleb­te ein Deba­kel. In dem Text steckt so viel von dem, was über das The­ma „Neue Tech­no­lo­gien“ zu den­ken ist, dass ich gar nicht weiß, womit ich genau anfan­gen soll.

Also fan­ge ich mit mir selbst an. Ich habe mich vor eini­gen Wochen voll­kom­men aus den Mood­le­krei­sen zurück­ge­zo­gen, obwohl ich mich auch mit Fug und Recht als Mood­ler der ers­ten Stun­de bezeich­nen könn­te. Die­se Ent­schei­dung wur­de kata­ly­siert in mei­ner Aus­ein­an­der­set­zung mit Chris­ti­an Gru­ne, der das LMS its­lear­ning in Deutsch­land ver­treibt. Ich habe nie in mei­ner gesam­ten Mood­le­zeit den metho­di­schen Reich­tum einer Sigi Jakob erreicht.

Das hat­te sys­te­mi­sche Grün­de (die Voll­zeit­müh­le), tech­ni­sche Grün­de (ich bin eher tech­nik­ver­liebt – Mensch, Sigi, was hät­te ich für dich als Tech­ni­ker errei­chen kön­nen…), aber natür­lich alle Din­ge, die Sigi im Vor­spann ihrer Refle­xi­on beschreibt. Vor allem aber habe ich erfah­ren, dass ande­re Tools viel bes­ser zu mei­ner Art des Unter­richts pas­sen. Die­se Art des Unter­richt war schon da. Sie wur­de nicht durch die Tools aus­ge­löst. Gleich­wohl ist der umge­kehr­te Weg denk­bar – die inter­ak­ti­ven Tafeln tau­gen oft als tro­ja­ni­sches Pferd, um Leh­ren­de über­haupt in Kon­takt mit neu­en Medi­en zu bringen.

Jedes LMS trägt die „Macht des Rin­ges“ in sich. Ein LMS bie­tet in der Regel die Mög­lich­keit, Schu­le so zu machen, wie sie schon immer war. Das Sys­tem wird auf allen Ebe­nen durch den Ring geknech­tet wer­den. Die Kräf­te, die dabei unter dem enor­men Eva­lua­ti­ons­druck das Gewohn­te 1:1 ins Digi­ta­le über­tra­gen, wer­den sich der Kraft des Rin­ges nicht ent­zie­hen können.

Und dann steht man als idea­lis­ti­scher z.B. Mood­ler da und sieht sich auf ein­mal der gesam­ten Kri­tik­breit­sei­te vom „Bevor­mun­dungs-“ bis zum „Kon­troll­sys­tem“ aus­ge­setzt – nicht weil ich das Sys­tem so nut­ze, son­dern weil die Macht des Rin­ges das Sys­tem ver­führt, ein­fach nur den Abbil­dungs­mo­dus umzu­schal­ten, weil es alte Sicher­hei­ten nicht tan­giert – und da sind wir bei Andre­as Zeuch.

Die Hal­tung bestimmt die Nut­zung digi­ta­ler Tools, nicht die Tools die Hal­tung. Die Tools bil­den aber recht bru­tal die Hal­tung ab. Im Ide­al­fall ist erst die Hal­tung vor­han­den, die für ein neu­es Bil­dungs­sys­tem die Grund­la­ge bietet.

Wenn aber die­se Hal­tung vor­han­den ist, hege ich zur­zeit erns­te Zwei­fel dar­an, dass in der Schu­le die Tool­wahl auf ein LMS fal­len wird. Sei­ne Stär­ken spielt ein LMS m.E. nicht im Lern­pro­zess aus, son­dern im Bereich des Aus­tau­sches, der Eva­lua­ti­on von Lern­pro­zes­sen, der Ver­tei­lung von Best-Prac­ti­se-Set­tings. Ich wage die The­se, dass es ein fun­da­men­ta­ler Unter­schied ist, ob eine Lehr­kraft ein LMS allei­ne für sich und ein Team nutzt oder das eine gan­ze Schu­le tut.

Ein kom­mer­zi­el­ler Anbie­ter lebt übri­gens nicht von der Hal­tung. Er lebt von den Ver­gü­tun­gen für sei­ne Dienst­leis­tun­gen. Des­we­gen wirkt er im Ide­al­fall an Hal­tungs­bil­dung mit, um sein Sys­tem attrak­tiv auf dem Markt zu posi­tio­nie­ren. Er kann aber das eine zur­zeit nicht vom ande­ren tren­nen und muss daher Pro­duk­te vermarkten.Genau wie das Bil­dungs­sys­tem ver­fügt er gar nicht über die Res­sour­cen zur flä­chen­de­cken­den „Hal­tungs­bil­dung“, wohl aber über die eine oder ande­re Kom­pe­tenz in die­sem Bereich.

Was ist der Aus­weg? Ich ken­ne nur Bau­stei­ne. Zum Bei­spiel Speck für die Skep­ti­ker – eine gro­ße Grup­pe inner­halb des Schul­sys­tems. Sie haben wenig per­sön­li­che Vor­be­hal­te, aber eine Men­ge for­ma­le. Mein Speck soll ver­läss­li­che Tech­nik sein. Im Fahr­was­ser ver­läss­li­cher Tech­nik hat die Medi­en­be­ra­tung vom NLQ eine Men­ge anzu­bie­ten. Mal schau­en, ob das so klappt.

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6 Kommentare

  • Die Hal­tung bestimmt die Nut­zung digi­ta­ler Tools, nicht die Tools die Haltung.“
    Sehr rich­tig, wie ich mei­ne. Die­ser Punkt, den Sigi Jacob in ihrem Vor­trag rüber brin­gen woll­te, ist wirk­lich ganz ele­men­tar. Lei­der aber glau­ben vie­le irri­ger Wei­se, dass es genau anders her­um wäre. Bringt die inter­ak­ti­ve White­boards in die Schu­le, instal­liert ein LMS und der Unter­richt wird ande­res wer­den, wird ande­re Qua­li­tä­ten errei­chen. Und dann ist das inter­ak­ti­ve White­board eben doch nur ein rei­nes Leh­rer­instru­ment und das LMS bil­det ledig­lich bestehen­de Struk­tu­ren einer Schu­le mög­lichst 1 : 1 ab.
    Die­sen von dir so gut beschrie­be­nen Sach­ver­halt soll­ten sich vor allem die ver­ge­gen­wär­ti­gen, wel­che Unter­richts­ent­wick­lung durch „neue Medi­en“ vor­an­trei­ben wollen.

  • Dabei bin ich von Hau­se aus eher Tech­ni­ker :o)…

    Ich bin sehr froh, jetzt Mit­glied der medi­en­päd­ago­gi­schen Bera­tung hier in Nie­der­sach­sen zu sein. Die­se Erkennt­nis ist dort größ­ten­teils ange­kom­men. Wir wer­den nicht pri­mär im tech­ni­schen Bereich aus­ge­bil­det, son­dern zunächst im Bereich der Bera­tungs­kom­pe­ten­zen. Alles ande­re machen wir im Peer-Coa­ching-Ver­fah­ren – das geht mit einem fun­dier­ten Bera­tungs­back­ground ganz ausgezeichnet.
    Dum­mer­wei­se lässt sich sowas nicht ber­tels­män­nisch eva­lu­ie­ren und daher müs­sen wir auch nach­wei­sen, dass Dank uns z.B. jetzt x iDin­gens, Note­books und SMART-Boards in den von uns bera­te­nen Schu­len hän­gen. Das Zeug kann man zäh­len. Kom­pro­mis­se wer­den immer not­wen­dig sein.

  • Ich stim­me zu, dass die Hal­tung die Nut­zung und nicht die Tools die Hal­tung bestim­men soll­ten – als Ziel­vor­stel­lung. In der Pra­xis kön­nen die „rich­ti­gen“ (im Sin­ne von geeig­net, leicht und ange­nehm nutz­bar, zeit­spa­rend, wirk­li­chen Mehr­wert lie­fernd) Werk­zeu­ge durch eine Ver­än­de­rung von Ein­stel­lun­gen bewirken.
    Die „fal­schen“ Tools (und hier zäh­le ich Mood­le an Schu­len dazu) bestär­ken Ableh­nung und Wider­stän­de bzw. machen es ein­fach, sich dem Leit­me­di­en­wech­sel zu verschliessen.
    Der Drei­klang mobi­le Gerä­te, White­boards, inter­ak­ti­ve Lern­platt­form kann dabei schon ein zen­tra­les Ele­ment für Schul- und Medi­en­ent­wick­lung sein – wenn ergänzt wird durch Fort­bil­dun­gen, die auch auf eine Ein­stel­lungs­än­de­rung hinwirken.

  • Argu­men­te gegen LMS lese ich in letz­ter Zeit häu­fi­ger. Aus mei­ner Sicht wird dabei manch­mal von einem idea­li­sier­ten Ler­ner aus­ge­gan­gen, der die Mög­lich­kei­ten des Web 2.0 vir­tu­os nutzt und des­halb kein LMS braucht. Die­sem Ler­ner bin ich in mei­ner Pra­xis bis­her sel­ten, eigent­lich nie, begeg­net. Inso­fern stel­len LMS für mich zur Zeit (noch) ein will­kom­me­nes Werk­zeug dar, um Lern- und Lehr­pro­zes­se zu orga­ni­sie­ren. In ein paar Jah­ren sieht das ja viel­leicht schon wie­der ganz anders aus.

  • Aus mei­ner Sicht wird dabei manch­mal von einem idea­li­sier­ten Ler­ner aus­ge­gan­gen, der die Mög­lich­kei­ten des Web 2.0 vir­tu­os nutzt und des­halb kein LMS braucht.“

    Naja. Bei Mood­le geht man von einem idea­li­sier­ten Leh­rer aus, der bereit ist, für einen ein­fa­chen Datei­upload mehr als 10x zu kli­cken (dem bin ich so noch nicht begeg­net) – ganz abge­se­hen davon, dass Mood­le tech­nisch eine sehr zicki­ge und anspruchs­vol­le Dame ist.

    Mood­le nicht ein­zu­set­zen heißt nicht, den Ler­nen­den struk­tur­los im Web her­um­ir­ren zu las­sen. Mood­le bie­tet eine Fül­le von Mög­lich­kei­ten, ist qua­si ein Schwei­zer Taschen­mes­ser, schön unter einer ansatz­wei­se inte­grier­ten Oberfläche. 

    Das Wiki­mo­dul sieht gegen Media­wi­ki alt aus. Das Forum hat einen archai­schen Funk­ti­ons­um­fang. Das Blog, nun­ja. Die Daten­bank und die Glos­sa­re sind im Prin­zip nett – aber dafür braucht man noch mehr Klicks. Für den All­tag taugt das für mich nicht.

    Es gibt ande­re Platt­for­men, die vom Ler­ner und nicht vom Leh­rer aus gebaut sind und trotz­dem Struk­tur geben. Maha­ra zum Bei­spiel. Word­Press zum Beispiel.

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