Die Autonomie der Schule und Medienentwicklungsplanung

Wenn Sie an einer Schu­le tätig sind, wird Sie der nächs­te Abschnitt wahr­schein­lich ärgern. Wenn Sie wohl­wol­lend lesen, tun Sie es mit der Bril­le eines Schul­trä­gers, der vor der Auf­ga­be steht, sei­ne Schu­len struk­tu­riert zu unter­stüt­zen und dabei von außen auf Sie und sei­ne Schu­len schaut.

Bei der Erstel­lung und vor allem der Umset­zung eines Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nes wird immer wie­der unter­schätzt, dass Schu­len über einen lan­gen Zeit­raum gewohnt waren, hin­sicht­lich des Ein­sat­zes von Mit­teln und der Anschaf­fung von Gerä­ten weit­ge­hend auto­nom zu ent­schei­den. Das ist bei Grund­schu­len, die in der Regel bei der Zuwei­sung von Etat­mit­teln gegen­über wei­ter­füh­ren­den Schu­len eher das Nach­se­hen hat­ten, weit weni­ger aus­ge­prägt als z.B. bei Gym­na­si­en oder tech­ni­schen Berufsschulen.

Bei letz­te­ren sind oft sowohl orga­ni­sa­to­risch als auch tech­nisch z.T. erheb­li­che Kom­pe­ten­zen vor­han­den, so dass die­se Sys­te­me bis­her auto­nom gut in ihrem Rah­men zurecht­ge­kom­men sind. Die Aus­sicht, jetzt mit einer struk­tu­rier­ten exter­nen Aus­stat­tungs­pla­nung kon­fron­tiert zu sein, sorgt in der­ar­ti­gen wei­ter­füh­ren­den Schu­len nicht unbe­dingt für Freu­de. Unter­stüt­zung in Form von qua­li­fi­zier­tem Per­so­nal sieht man zwar immer ger­ne, aber nur dann, wenn die jewei­li­ge Schu­le über deren Zeit und Ein­satz voll bestim­men kann. Zudem sol­len sol­che Mit­ar­bei­ter der Schu­le natür­lich exklu­siv zur Ver­fü­gung stehen.

Es geht bei Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung also um nichts weni­ger als um die Auf­he­bung einer klas­si­schen Rollenverteilung!

Damit wird klar, dass gera­de zu Anfang ein gut mode­rier­ter Pro­zess essen­ti­ell ist.

Schu­len waren bis­her gewohnt

  • … selbst Hard­ware auszuwählen
  • … ggf. Ver­gleichs­an­ge­bo­te dafür einzuholen
  • … Bud­gets „krea­tiv“ zu nutzen
  • … Beschaf­fungs­an­trä­ge zu sam­meln und einzureichen
  • … Hard­ware teil­wei­se selbst zu warten

Trä­ger waren bis­her gewohnt

  • … Hard­ware nach Vor­ga­ben der Schu­len auszuschreiben
  • … Für rechts­kon­for­me Aus­schrei­bungs­ver­fah­ren zu sorgen
  • … nicht nach Sinn oder Unsinn einer Beschaf­fungs­maß­nah­me zu fragen
  • … sich stets im Rah­men der Haus­halts­mit­tel bewe­gen zu müssen
  • … kaum objek­ti­ve Kri­te­ri­en an eine Beschaf­fungs­maß­nah­me anle­gen zu können

Gute Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ver­knüpft die Beschaf­fung von Aus­stat­tung eng mit päd­ago­gi­schen Fra­ge­stel­lun­gen. Es kann der Fall ein­tre­ten, in dem ein Aus­stat­tungs­wunsch extern von Fach­per­so­nal kri­tisch hin­ter­fragt wird – das hat man nicht so ger­ne. Bis­her war es gera­de in berufs­bil­den­den Schu­len prin­zi­pi­ell mög­lich, dass Lehr­kräf­te teu­re Nischen­pro­duk­te für die Aus­bil­dung beschaf­fen konn­ten, die letzt­lich aber nur spo­ra­disch im Unter­richt genutzt wur­den und ansons­ten eher der Außen­dar­stel­lung dien­ten. Das heißt nicht, dass sol­che Vor­komm­nis­se die Regel sind, zeigt aber ein Pro­blem: Woher soll ein Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­ter wis­sen, was päd­ago­gisch sinn­voll ist und was ggf. von eine Schu­le bei einem Aus­stat­tungs­wunsch nicht bedacht wur­de, damit z.B. ein Gerät über­haupt unter­richt­lich nutz­bar wird?

Sowohl die Frei­heit bei der Aus­wahl von Hard- und Soft­ware als auch die weit­ge­hen­de Auto­no­mie beim päd­ago­gi­schen Ein­satz der­sel­ben ist durch Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung „bedroht“.

Dazu kommt erschwe­rend, dass kom­ple­xe Pro­zes­se wie die Umset­zung einer Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung gera­de in der Anfangs­zeit gar nicht opti­mal lau­fen kön­nen und sich Erfol­ge nur so lang­sam ein­stel­len, dass Schu­len mit hohem Auto­no­mie­be­stre­ben die­se gar nicht wahr­neh­men wer­den und sich nach den „alten“ Zei­ten zurück­seh­nen, in denen schließ­lich alles bes­ser lief. Alter­na­tiv las­sen der­ar­ti­ge Schu­len sich gar nicht erst auf eine über­ge­ord­ne­te Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ein. Aus ihrer Sicht sind das zusätz­li­che Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren, die den ohne­hin schon schwie­ri­gen schu­li­schen All­tag wei­ter verkomplizieren.

Von Sei­ten wei­ter­füh­ren­der Schu­len soll­te man sich als Trä­ger auf viel Wider­stand ein­stel­len, gleich­zei­tig aber auch selbst­kri­tisch reflek­tie­ren, was man selbst in der Ver­gan­gen­heit zu die­sem oft­mals vor­han­de­nen Miss­trau­en bei­getra­gen hat: Man­che Sor­ge ist vor dem Hin­ter­grund ver­gan­ge­ner Pro­zes­se und Ver­wal­tungs­ab­läu­fe durch­aus berechtigt.

Ohne eine struk­tu­rier­te Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ist aber etwas ganz Wesent­li­ches nicht mög­lich – streng­ge­nom­men auch nicht mehr in den „alten“ Beschaf­fungs­stru­ku­ren: Die Gewähr­leis­tung von Sup­port. Zum einen wach­sen zur­zeit auch durch den Digi­tal­pakt immense digi­ta­le Gerä­te­struk­tu­ren in den Schu­len auf, die der Betreu­ung bedür­fen und die gewohn­ten Struk­tu­ren bald über­for­dern dürf­ten. Zum ande­ren sind die bis­her hete­ro­ge­nen Umge­bun­gen ( z.B. dort iPads, hier Note­books, da Bea­mer, hier LED-Dis­plays, dort Prä­fe­renz für Her­stel­ler A, dort für Her­stel­ler B ) sup­port­tech­nisch nicht mit end­lich viel Per­so­nal zu bewäl­ti­gen. Schu­len möch­ten einer­seits oft auto­nom ent­schei­den kön­nen, wel­che Gerä­te und wel­che Soft­ware beschafft wird, ander­seits bei Pro­ble­men aber auf ein Sup­port­sys­tem tref­fen, wel­ches mit jeder Pro­blem­stel­lung bei jeder Hard- und Soft­ware sofort zurecht­kommt. Das ist in der Band­brei­te der anzu­tref­fen­den Vor­stel­lun­gen nicht zu leisten.

Die Idee, zusam­men mit der Hard­ware gleich bestimm­te Sup­port­leis­tun­gen eines Her­stel­lers aus­zu­schrei­ben, ist nach mei­ner Erfah­rung als schein­ba­rer Aus­weg eini­ger­ma­ßen naiv: Der Haupt­zeit­fres­ser ist die Kom­mu­ni­ka­ti­on – ein Feh­ler will fest­ge­stellt, beschrie­ben und wei­ter­ge­lei­tet sein. Die Feh­ler­be­he­bung muss beglei­tet wer­den. Je mehr unter­schied­li­che Sup­port­part­ner hier mit im Boot sind, des­to kom­ple­xer und auf­wän­di­ger wird ein sol­ches Vorhaben.

IT-Mit­ar­bei­ter für den öffent­li­chen Bereich sind sehr schwie­rig zu fin­den, da u.a. die Ver­gü­tung tarif­recht­lich fest­ge­schrie­ben und zum frei­en Markt nicht kon­kur­renz­fä­hig ist. Tref­fen Per­so­nen dann schon in der Pro­be­zeit auf sehr hete­ro­ge­ne Umge­bun­gen mit indi­vi­dua­li­sier­ten Ansprü­chen von Lehr­kräf­ten, ist das eine Situa­ti­on, die in der frei­en Wirt­schaft nicht üblich ist. Ohne Ansät­ze der Ver­ein­heit­li­chung ist das für vie­le nicht lan­ge ein attrak­ti­ves Arbeits­um­feld – die­se Per­spek­ti­ven ist Schu­len i.d.R. völ­lig fremd, da dort meist ein unre­flek­tier­ter gene­rel­ler Leis­tungs­an­spruch for­mu­liert wird. Die natür­lich nach­voll­zieh­ba­re und über Jah­re ange­stau­te Ent­täu­schung bekommt i.d.R. das Sup­port­per­so­nal vor Ort zuerst ab. Das muss trä­ger­sei­tig durch z.B. regel­mä­ßi­ge Gesprä­che, aber auch ein ent­schie­de­nes Auf­tre­ten gegen­über Schul­lei­tun­gen kom­pen­siert wer­den – gera­de in der Anfangszeit.