Facebook, die Schufa und die Daten

Ges­tern schwapp­te eine Wel­le der Empö­rung durch das Netz, die bis heu­te anhält: Die Schufa forscht zusam­men mit dem HPI dar­an, frei ver­füg­ba­re Infor­ma­tio­nen aus dem Social­me­dia­be­reich mit in ihre Scoring­al­go­rith­men zu inte­grie­ren.  Kris­ti­an Köhn­topp sieht das als Ver­such der Schufa, sich selbst abzu­schaf­fen. Sei­ne These:

Gelingt es auf Basis von frei ver­füg­ba­ren Infor­ma­tio­nen eine von der der Wirt­schaft als ähn­lich ver­läss­lich emp­fun­de­ne Scoring­in­fra­struk­tur auf­zu­bau­en, so kann das mit der heu­te zur Ver­fü­gung ste­hen­den Rechen­ka­pa­zi­tät eigent­lich jeder mit­tel­mä­ßig mit Kapi­tal aus­ge­stat­te­te Inves­tor machen.

Noch­mal: Es geht nicht dar­um, ob ein sol­ches Scoring irgend­was Sinn­vol­les abbil­det. Es geht allein dar­um, dass das, was es abbil­det, von den Kun­den als ver­läss­lich emp­fun­den wird. Die Dis­kus­si­on in sei­nen Blog ist bemer­kens­wert und wirft eigent­lich alles an Fra­gen auf, was dazu gestellt wer­den muss:

  • Ist eine Regu­lie­rung der Daten­ver­ar­bei­tung durch Geset­ze mög­lich, ohne dass es zu immensen gesell­schaft­li­chen Kol­la­te­ral­schä­den kommt?
  • Ist eine Offen­le­gung der Scoring­al­go­rith­men gesetz­lich gegen die gesam­mel­ten Inter­es­sen der Wirt­schaft durchsetzbar?
  • Ist Kom­mu­ni­ka­ti­on auf Twit­ter und Co. „pri­vat“ und z.B. mit einem Tele­fon­ge­spräch ver­gleich­bar, das nur unter hohen gesetz­li­chen Hür­den durch Drit­te ver­wert­bar wird?

Ich den­ke:

Mit frei ver­füg­ba­ren Daten, d.h. Daten, die durch eine offe­ne Schnitt­stel­le abge­saugt wer­den kön­nen, wird tech­nisch das gemacht wer­den, was tech­nisch mög­lich ist.

Wenn nicht hier, dann eben an einem Ort, der nicht regu­liert ist. Das Netz kennt kei­ne Schran­ken oder Gren­zen. Goog­le macht es vor – Goog­le macht vie­le Sachen, weil Goog­le es kann, nicht weil es auf den ers­ten Blick sinn­voll ist.

Moral als Instanz greift nicht, allen­falls zur Bewer­tung, die aber nie­man­den in die­sem Kon­text etwas nützt.

Man kann Din­ge mora­lisch ver­werf­lich fin­den und etwas anpran­gern – nur ändern wird man dadurch nichts. Man kann Geset­ze und Regu­lie­run­gen schaf­fen. Nur ändern wird man dadurch nichts, solan­ge es nicht welt­weit gül­ti­ge Regeln gibt. Das ist das Neue. Es wird vor­erst kein Meis­ter kom­men, der den ver­rückt spie­len­de Besen, den wir selbst ver­zau­bert haben, wie­der in die Schran­ken weist.

Und das ist erst der Anfang. Es gibt noch viel mehr Daten in sozia­len Net­zen, die für irgend­wen einen Wert haben. Das ist das Geschäfts­mo­dell. Viel­leicht sehen wir bald pri­va­ten Kran­ken­kas­sen, die aus Tweets das Ver­si­che­rungs­ri­si­ko bestim­men? Viel­leicht sehen wir Fir­men, die aus Zeit­punk­ten von Tweets Leis­tungs­da­ten von poten­ti­el­len Mit­ar­bei­ten­den errechnen.

Kris­ti­an Köhn­topps Lösung ist Ver­hal­ten und zwar Ver­hal­ten vor dem Hin­ter­grund des Wis­sens um die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten der Daten­ver­ar­bei­tung. Einem Kris­ti­an Köhn­topp traue ich das zu. Einem tou­ch­en­den Anwen­der nicht. Der möch­te nicht ver­ste­hen, der möch­te nut­zen. Zum Ler­nen zwin­gen kann man nie­man­den. Je wei­ter man den Men­schen von der Tech­nik ent­fernt, des­to leich­ter wird Bedie­nung – kei­ne Fra­ge. Aber Ver­hal­ten vor dem Hin­ter­grund tech­ni­scher Mög­lich­kei­ten wird immer unmög­li­cher. Das hal­te ich für eine gelun­ge­ne, wirt­schaft­li­che Stra­te­gie zur Gewinn­ma­xi­mie­rung und Kundenbindung.

Dage­gen: Geset­ze? Moral? Ethik? Ich bin gespannt auf die Zukunft und küm­me­re mich auf jeden Fall immer wie­der um Technik.