Der Kompetenzbegriff

Wis­sen kann man mit­tei­len, Weis­heit aber nicht. Man kann sie fin­den, man kann sie leben, man kann von ihr getra­gen wer­den, man kann mit ihr Wun­der tun, aber sagen und leh­ren kann man sie nicht.

Her­mann Hes­se, Siddharta

Wis­sen kann man mit­tei­len, Kom­pe­ten­zen nicht. Man kann erken­nen, dass Kom­pe­ten­zen einen per­sön­li­chen und all­ge­mei­nen Nut­zen haben, man kann sie wei­ter­ent­wi­ckeln, man kann sie adap­tie­ren von fach­li­chen, päd­ago­gi­schen oder ethi­schen  Vor­bil­dern, man kann von ihnen getra­gen wer­den und mit ihnen für sich und ande­re Wun­der tun, aber sie sich ein­pro­gram­mie­ren las­sen oder durch eine bestimm­te Art von Input auto­ma­tisch gene­rie­ren kann man sie nicht.

Maik Riecken (liest gera­de viel Fach­ar­bei­ten zu Hessetexten)

Tja. Ich moch­te den Kom­pe­tenz­be­griff noch nie, obwohl ich Kom­pe­ten­zen ansich sehr ger­ne mag. Heu­te tun wir oft ger­ne so, als sei­en Kom­pe­ten­zen etwas Nor­mier­ba­res, Abprüf­ba­res – dabei ist die­ses Din­gens schon begriff­lich nicht ganz leicht zu fas­sen – trotz­dem bekom­me ich das immer noch in Lehr­pro­ben­ent­wür­fen für Refe­ren­da­re nicht nur hin­ge­pfuscht, son­dern auch kom­pe­tenz­spe­zi­fisch aus­dif­fe­ren­ziert („give the peo­p­le what they want“).

Ich sehe immer wie­der in mei­nem Unter­richt, dass Kom­pe­ten­zen in  ihrer kon­kre­ten Aus­ge­stal­tung etwas sehr Sub­jek­ti­ves, Indi­vi­du­el­les sind. Klar, kann ich z.B. Kom­pe­ten­zen im Bereich der frei­en Rede ver­mit­teln. Aber kommt dann zwangs­läu­fig immer ein guter Red­ner her­aus? In der Aus­ge­stal­tung einer Kom­pe­tenz gibt es sehr vie­le Mög­lich­kei­ten. Wir Men­schen sind irgend­wie viel zu oft nicht die Sum­me unse­rer Tei­le (Des­we­gen dürf­te z.B. das Bea­men wohl auch nie klap­pen…). Viel­leicht gilt das für die Abs­trak­ta „Kom­pe­tenz“ und „Weis­heit“ auch irgendwie.

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6 Kommentare

  • Antoninus

    Das „Bea­men“ wid ganz bestimmt nie und nim­mer „klap­pen – und das ist kei­ne Weis­heit, son­dern ein­fa­ches, natur­wis­sen­schaft­li­ches – äh: W i s s en, eben..!

    Bea­men müss­te ein mate­ri­el­les Zer­le­ben in nicht mehr struk­tu­ier­te, nicht mehr sicht­ba­re Ein­zel­tei­le leis­ten kön­nen, alos eien Ato­mi­sie­rung (ohne Ver­nich­tung oder Zer­stö­rung!) – u n d dann belie­big das Zusam­men­fü­gen der nicht mehr adhä­si­ven oder erkenn­bar fixier­ten oder fixier­ba­ren Tei­le, die dann ja kei­ne „Tei­le“ eines orga­nisch Gan­zen mehr wären. 

    - Potz­null­tau­send!

    Pro­sit!

  • Und wenn sich nun doch her­aus­stellt, dass Mate­rie (=Tei­le) gar nicht exis­tiert? So rich­tig viel Mate­rie haben sie mit ihren Teil­chen­be­schleu­ni­gern noch nicht gefun­den… Und zum aller­größ­ten Teil besteht Welt anschei­nend lei­der aus lee­rem Raum um irgend­wel­che Atom­ker­ne, in denen auch viel lee­rer Raum kumu­liert zu sein scheint. Und wenn ein­mal mehr in dem Kern ein Teil­chen ent­deckt wird, stellt sich wie­der her­aus, dass selbiges… 

    Ob wir in dem Bereich wirk­lich schon viel „wis­sen“ mag ich als Che­mi­ker nicht beur­tei­len. Dafür muss ich selbst den SuS zu vie­le Model­le und eben dadurch auch Gren­zen mei­nes Wis­sens anbieten.

    Ich fin­de den phi­lo­so­phi­schen Aspekt an der Sache viel span­nen­der als den natur­wis­sen­schaft­li­chen. Das lässt ich eini­ger­ma­ßen grei­fen… Obwohl unse­re Spra­che – wie Nietz­sche uns lehrt – ja eigent­lich auch nur…

  • Hal­lo,
    versuch’s doch mal ana­ly­tisch mit Holons. Ein Holon ist ein Ganz/Teil, immer schon GANZ und doch gleich­zei­tig TEIL von einem ande­ren Holon im nächs­ten Holon usw. Dadurch umgehst du die Fal­len des Ato­mis­mus und des tra­di­tio­nel­len Holismus.
    Freund­li­che Grü­ße vom Bildungswirt

  • Habe mich gera­de ein­mal schlau gele­sen. Ja nun – das bringt uns doch wahr­schein­lich nur zu der Erkennt­nis, dass wir den Ursprung nicht errei­chen kön­nen, da immer wie­der Holons auf­tre­ten. „Ich weiß es nicht“ trifft es dann ja schon irgendwie…

  • Ich gebe dir recht. Liest man aber Cur­ri­cu­la, in denen zahl­rei­che Kom­pe­ten­zen und Teil­kom­pe­ten­zen auf­ge­lis­tet wer­den, so bekommt man den Ein­druck, dass es dar­um gin­ge, all die­se müss­ten nur im Ein­zel­nen erwor­ben wer­den, und schon hät­te man den kom­pe­ten­ten Men­schen. Es steckt viel mehr hin­ter Bil­dung als „nur“ der Erwerb zahl­rei­cher Kompetenzen.

    • Man muss ja fai­rer­wei­se sagen, dass es die „Sach­kom­pe­tenz“ nach wie vor gibt. Um zu ver­ste­hen, war­um die Cur­ri­cu­la so aus­se­hen, wie sie aus­se­hen, muss man dar­auf schau­en, wie sie ent­ste­hen. Was ich da schon „unter der Hand“ gehört habe, geht auf kei­ne Kuh­haut. Da tagen z.B. zwei Fach­grup­pen von Fach A und Fach B zur glei­chen Zeit am glei­chen Ort. Sie schrei­ben fest, dass fächer­über­grei­fen­der Unter­richt zwi­schen Fach A und B statt­fin­den soll, legen aber die sich über­schnei­den­den Inhal­te in ver­schie­de­ne Schul­jah­re, bzw. Stu­fen. Wir hat­ten an unse­rer Schu­le ein fächer­über­grei­fen­des Pro­jekt zwi­schen Fach A und Fach B (und zusätz­lich C). Das konn­ten wir in die Ton­ne kloppen.
      Man kann in der Cur­ri­cu­la­ge­stal­tung so arbei­ten und es mag Sach­zwän­ge geben. Man kann aber nicht erwar­ten, dass „das Volk“ das Ergeb­nis dann mit Jubel­ge­schrei auf­nimmt und sich fort­an alles ändert, obwohl sich das erst­mal ja nett liest – Phra­sen­ge­dre­sche erken­ne ich sofort, weil ich es selbst oft als Stil­mit­tel ein­set­ze. Cur­ri­cu­la sind so inte­gral, dass für die Betei­lig­ten min­des­tens eine sat­te Stun­den­ent­las­tung, Rei­se­kos­ten­er­stat­tung usw. her­aus­sprin­gen muss – so zieht man Leu­te an, bzw. erhöht die Chan­ce Leu­te anzuziehen.

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