Material: Innerer Monolog zum Fräulein von Scuderi
Aus einer kürzlich geschriebenen Klassenarbeit – zwischen den beiden Aufgaben konnte gewählt werden:
Aufgabenstellung 1:
Während des im beiliegenden Textauszuges wiedergegebenen Gespräches geht Olivier Brusson einiges durch den Kopf.
a) Gib seine Gedanken durch einen inneren Monolog wieder. (66%)
b) Begründe die Ausgestaltung deines Textes in der im Unterricht geübten Art und Weise. Beachte dabei auch die Entwicklung des Gesprächs. (34%)
Aufgabenstellung 2:
Während des im beiliegenden Textauszuges wiedergegebenen Gespräches geht Rene Cardillac einiges durch den Kopf.
a) Gib seine Gedanken durch einen inneren Monolog wieder. (66%)
b) Begründe die Ausgestaltung deines Textes in der im Unterricht geübten Art und Weise. Beachte dabei auch die Entwicklung des Gesprächs. (34%)
Und die zu bearbeitende Textstelle:
Ganz verwirrt, beinahe besinnungslos sitze ich in meiner Dachkammer, da geht die Tür auf, und René Cardillac tritt herein. ‚Um Christus‘ willen! was wollt Ihr?‘ schrie ich ihm entgegen. Er, das gar nicht achtend, kommt auf mich zu und lächelt mich an mit einer Ruhe und Leutseligkeit, die meinen innern Abscheu vermehrt. Er rückt einen alten, gebrechlichen Schemel heran und setzt sich zu mir, der ich nicht vermag, mich von dem Strohlager zu erheben, auf das ich mich geworfen. ‚Nun Olivier‘, fängt er an, ‚wie geht es dir, armer Junge? Ich habe mich in der Tat garstig übereilt, als ich dich aus dem Hause stieß, du fehlst mir an allen Ecken und Enden. Eben jetzt habe ich ein Werk vor, das ich ohne deine Hilfe gar nicht vollenden kann. Wie wär’s, wenn du wieder in meiner Werkstatt arbeitetest? – Du schweigst? – Ja, ich weiß, ich habe dich beleidigt. Nicht verhehlen wollt‘ ich’s dir, daß ich auf dich zornig war wegen der Liebelei mit meiner Madelon. Doch recht überlegt habe ich mir das Ding nachher und gefunden, daß bei deiner Geschicklichkeit, deinem Fleiß, deiner Treue ich mir keinen bessern Eidam wünschen kann als eben dich. Komm also mit mir und siehe zu, wie du Madelon zur Frau gewinnen magst.«BR> Cardillacs Worte durchschnitten mir das Herz, ich erbebte vor seiner Bosheit, ich konnte kein Wort hervorbringen. ‚Du zauderst‘, fuhr er nun fort mit scharfem Ton, indem seine funkelnden Augen mich durchbohren, ‚du zauderst? – du kannst vielleicht heute noch nicht mit mir kommen, du hast andere Dinge vor! – du willst vielleicht Desgrais besuchen oder dich gar einführen lassen bei d’Argenson oder la Regnie. Nimm dich in acht, Bursche, daß die Krallen, die du hervorlocken willst zu anderer Leute Verderben, dich nicht selbst fassen und zerreißen.‘ Da macht sich mein tief empörtes Gemüt plötzlich Luft. ‚Mögen die‘, rufe ich, ‚mögen die, die sich gräßlicher Untat bewußt sind, jene Namen fühlen, die Ihr eben nanntet, ich darf das nicht – ich habe nichts mit ihnen zu schaffen.‘ ‚Eigentlich‘, spricht Cardillac weiter, ‚eigentlich, Olivier, macht es dir Ehre, wenn du bei mir arbeitest, bei mir, dem berühmtesten Meister seiner Zeit, überall hochgeachtet wegen seiner Treue und Rechtschaffenheit, so daß jede böse Verleumdung schwer zurückfallen würde auf das Haupt des Verleumders. – Was nun Madelon betrifft, so muß ich dir nur gestehen, daß du meine Nachgiebigkeit ihr allein verdankest. Sie liebt dich mit einer Heftigkeit, die ich dem zarten Kinde gar nicht zutrauen konnte. Gleich als du fort warst, fiel sie mir zu Füßen, umschlang meine Knie und gestand unter tausend Tränen, daß sie ohne dich nicht leben könne. Ich dachte, sie bilde sich das nur ein, wie es denn bei jungen verliebten Dingern zu geschehen pflegt, daß sie gleich sterben wollen, wenn das erste Milchgesicht sie freundlich angeblickt. Aber in der Tat, meine Madelon wurde siech und krank, und wie ich ihr denn das tolle Zeug ausreden wollte, rief sie hundertmal deinen Namen. Was konnt‘ ich endlich tun, wollt‘ ich sie nicht verzweifeln lassen? Gestern abend sagt‘ ich ihr, ich willige in alles und werde dich heute holen. Da ist sie über Nacht aufgeblüht wie eine Rose und harrt nun auf dich, ganz außer sich vor Liebessehnsucht.‘ – Mag es mir die ewige Macht des Himmels verzeihen, aber selbst weiß ich nicht, wie es geschah, daß ich plötzlich in Cardillacs Hause stand, daß Madelon, laut aufjauchzend: ‚Olivier – mein Olivier – mein Geliebter – mein Gatte!‘ auf mich gestürzt, mich mit beiden Armen umschlang, mich fest an ihre Brust drückte, daß ich im Übermaß des höchsten Entzückens bei der Jungfrau und allen Heiligen schwor, sie nimmer, nimmer zu verlassen!“
Bei der Reflexion sollten der inhaltliche Kontext der Textstelle, die innere Welt, die äußere Welt, der Charakter der jeweiligen Figur und ggf. sprachliche Besonderheiten des Originaltextes Berücksichtigung finden. Das ist gar nicht so einfach…