Titrationsberechnungen
Als Chemielehrer unterrichtet man sie immer wieder, als SuS atmet man erleichtert auf, wenn man sie denn hat: Die allgemeine Titrationsgleichung.
Der Index m steht für Maßlösung, also die Lösung mit der man tritiert und deren Konzentration cm bekannt ist. Hier bestimmt man mit z.B. einer Bürette das verbrauchte Volumen Vm bis zum Äquivalenzpunkt bei einer Säure-/Basetitration.
Der Index p steht für Probelösung, also die Lösung, deren Konzentration cp bestimmt werden soll und deren Volumen Vp bekannt ist.
Spannend sind die stöchimetrischen Faktoren xm und xp, die in der allgemeinen Titrationsggleichung ja vertauscht sind. Warum das so ist, lässt sich nicht unbedingt anschaulich erklären, sondern eher mathematisch, was viele Chemiebücher aber gerne verschweigen oder da einfach drüberweggehen.
Herausbekommen kann die Faktoren nur durch Aufstellung der entsprechenden Reaktionsgleichung. Hier ist die zentrale Fragestellung:
In welchem Verhältnis np : nm reagieren die in der Maß- und Probeklösung enthaltenen Moleküle oder Formeleinheiten miteinander?
Am Beispiel der Titration von Schwefelsäure (Probelösung) mit Natronlauge (Maßlösung) lässt sich das recht einfach erklären. Schwefelsäure ist ein sogenannte zweiprotonige Säure. Pro Molekül können also zwei Hydroniumionen (H3O+) gebildet werden:
Titriert man diese mit Natronlauge, benötigt man pro Schwefelsäuremolekül (n) rechnerisch zwei Formeleinheiten (2n) Natriumhydroxid:
Die vollständige Neutralisationsgleichung lautet dann:
Es gilt also dann:
Die Stoffmenge n ist aber gerade das, was man zum Einsetzen in die Titrationsgleichung nicht braucht. Sie lässt sich aber durch c und V ausdrücken, da sie über die Definitionsgleichung der Konzentration miteinander verknüpft sind:
Jetzt haben wir alle Teile des Puzzles zusammen. Zuerst schreiben wir Gleichung (5) etwas anders:
und multiplizieren beide Seiten von (8) mit np:
Die 1 im Nenner kann man sich auch schenken:
Man sieht aber, dass durch diese simple Umformung der Faktor, der mal in der Verhältnisgleichung (5) zur Maßlösung gehörte, nun vor der Probelösung steht. Der Faktor für die Maßlösung würde auch die Seiten wechseln, man sieht ihn hier eigentlich nur nicht, weil er den Wert 1 besitzt. Aus Anschaulichkeitsgründen habe ich ihn aber dazugeschrieben.
Damit ist ein Rätsel schonmal gelöst. Zur schlussendlichen Titrationsgleichung kommt dadurch, indem man n gemäß Gleichung (7) durch c und V ersetzt, also
und
und das setzen wir jetzt noch in (10) ein:
Damit ist das Ziel erreicht. Das ganze System funktioniert natürlich auch für Redoxtitrationen. Die größte Schwierigkeit ist eigentlich „nur“ die Bestimmung des Verhältnisses, also das Aufstellen der Reaktionsgleichungen.
Meine Schülerinnen und Schüler bekommen dann die Faustregel:
In der Titrationsgleichung wechseln die Zahlenwerte aus dem stöchiometrischen Verhältnis einfach die Seiten.
Immer wieder toll, was LaTeX so kann.
…manchmal hat man ein Brett vor dem Kopf: Heute fragten mich meine Schüler, warum man nicht die Konzentration einer schwachen Säure einfach aus dem Anfangs-pH der Titrationskurve berechnen kann, statt die Titrationsgleichung zu verwenden?
Himmel, ich weiß, dass es nicht geht – aber begründen konnte ich das nicht… wo ist der Denkfehler???
Gut gedacht von den Schülerinnen und Schülern :o) … Du hast bei einer schwachen Säure freie Hydroniumionen (deren Konzentration bekommst du über den pH direkt), freie Säurerestionen (entspricht der Konzentration der Hydroniumionen oder ist daraus berechenbar entsprechend der Säurewertigkeit) und unveränderte Säuremoleküle – und mit deren Konzentration wird es schon schwieriger, die kannst du nicht direkt bestimmen – aber indirekt mit der Henderson-Hasselbalchgleichung, wenn du zusätzlich den pKs-Wert der Säure kennst. – rein mathematisch sollte das klappen. Ich bezweifle aber, dass dein Schul-pH-Meter (vor allen die oft vergewaltigte Glaselektrode) genauer ist als eine Titration mit vernünftigem Indikator – da sähe ich den Knackpunkt.