Die SWK möchte als kurzfristige Lösung Mehrarbeit, Abbau von Teilzeit und größere Klassen

Die politisch geschickt instrumentalisierte SWK

Manch­mal bin ja Pro­phet: Ich habe vie­le die­ser Vor­schlä­ge bereits vor eini­ger Zeit vor­aus­ge­se­hen: Lehr­kräf­te gewin­nen & Lehr­kräf­te­man­gel über­win­den – als Laie. Die SWK bekommt in sozia­len Medi­en gera­de doch recht ein­deu­ti­ge Reak­tio­nen, die Tei­le ihrer Mit­glie­der offen­bar stark ver­un­si­chert. Renom­mier­te Bildungsjournalist:innen wie der von mir geschätz­te Jan-Mar­tin Wiar­da sprin­gen ihr bei. Zwi­schen­tö­ne wie der Ver­such, Unter­richts­qua­li­tät durch Ein­satz aus­ge­bil­de­ter Lehr­kräf­te erhal­ten zu wol­len, ver­hal­len gegen­über den Maß­nah­men aus dem „Gift­schrank“.

Es war aus mei­ner Sicht kei­ne klu­ge Ent­schei­dung der SWK, den vor­an­ge­gan­ge­nen Auf­trag der KMK über­haupt anzu­neh­men – offen­bar ohne ihn zu modi­fi­zie­ren. Es ist sehr span­nend, wor­über öffent­lich gespro­chen wird. Span­nend ist aber auch, wor­über in Zusam­men­hang mit der SWK-Ver­öf­fent­li­chung nicht gespro­chen wird und wer sich gera­de nicht öffent­lich äußert und erklärt.

Ver­misst habe ich z.B. eine belast­ba­re Erhe­bung über die Grün­de, war­um Lehr­kräf­te in Teil­zeit gehen. Ver­bän­de und Lehr­kräf­te selbst behaup­ten: Wegen Über­las­tung und dem Wunsch, den Beruf mög­lichst gut und schü­ler­ge­recht zu machen. Ande­re gesell­schaft­li­che Grup­pen behaup­ten: Wegen Bequem­lich­keit und dabei zu aus­kömm­li­cher Besol­dung. Mir feh­len dazu Zah­len. Daten­ge­stütz­te Erkennt­nis­se dazu könn­ten nicht uner­heb­lich zu geeig­ne­ten Maß­nah­men bei­tra­gen. Belast­ba­re Zah­len wird man in die­ser Pha­se der Debat­te nicht mehr bekommen.

Ver­misst habe ich übri­gens wei­ter­hin die Idee, mit ande­ren Auf­ga­ben betrau­te Lehr­kräf­te zurück ins Sys­tem zu holen, z.B. Fach­be­ra­tung, Medi­en­be­ra­tung, Schul­ent­wick­lungs­be­ra­tung, Schul­in­spek­ti­on bzw. all­ge­mein Men­schen mit Lehr­amts­aus­bil­dung, die an Schul­be­hör­den, Lan­des­in­sti­tu­ten und Minis­te­ri­en arbei­ten – da wäre noch eini­ges zu holen, um den Preis einer wei­te­ren sys­te­ma­ti­schen Schwä­chung des Mit­tel­baus des Schul­sys­tems, die schon seit Jah­ren u.a. von exter­nen Bera­tungs­agen­tu­ren vor­an­ge­trie­ben wird.

Poli­tik instru­men­ta­li­siert nun­mal ger­ne – das Feu­er rich­tet sich zur­zeit recht effek­tiv gegen die Wissenschaftler:innen. Dabei hät­te ich ganz ande­re Fra­gen – z.B. ob die alt­ehr­wür­di­ge KMK (immer­hin selbst län­ger exis­tie­rend als der Bun­des­rat) eine geeig­ne­te Struk­tur dar­stellt und dar­ge­stellt hat, unser Bil­dung­s­ys­tem in eine Rich­tung zu ent­wi­ckeln, die der Volks­wirt­schaft und Kul­tur eines boden­schatz­ar­men Lan­des gerecht wer­den könn­te. Immer­hin spricht die SWK ja selbst von Pro­ble­men von his­to­ri­schem Aus­maß – da darf es fol­ge­rich­tig auch kei­ne Denk­ver­bo­te hin­sicht­lich des Fort­be­stands von Struk­tu­ren jed­we­der Art und Geschich­te geben.

Fehlende Alternativen zu den Vorschlägen der SWK

Ich mache mich jetzt ein­mal unbe­liebt: Es gibt objek­tiv m.E. über­haupt kei­ne Alter­na­ti­ve zu den vor­ge­schla­ge­nen Maß­nah­men, wenn man die bis­he­ri­ge – schon jetzt oft kri­ti­sier­te – Unter­richts­qua­li- und ‑quan­ti­tät zumin­dest für einen gewis­sen, wahr­schein­lich recht kur­zen Zeit­raum auf­recht erhal­ten möchte.

Daher lau­fen dra­ma­ti­sie­ren­de Kom­men­ta­re wie der von Bob Blu­me im Spie­gel weit­ge­hend ins Lee­re: Sie benen­nen Misstän­de und Fehl­ar­gu­men­ta­tio­nen – sie blei­ben jedoch letzt­lich die Ant­wort schul­dig, was man denn jetzt genau für die Schüler:innen machen soll, die sich im Sys­tem befin­den. Über­wie­gen­de Tei­le der Gesell­schaft sind der Kla­ge der Lehr­kräf­te wahr­schein­lich überdrüssig.

Die Maß­nah­men selbst wer­den zwar kurz­fris­tig hel­fen, aber letzt­lich dazu füh­ren, dass sich Fehl­ent­wick­lun­gen wei­ter ver­schär­fen. Die Zeit, um gegen­zu­steu­ern, wird nicht aus­rei­chen. Der Ver­weis auf Ver­säum­nis­se in der Ver­gan­gen­heit mag eben­falls objek­tiv rich­tig, aber noch weni­ger hilf­reich bei der Bewäl­ti­gung aktu­el­ler Her­aus­for­de­run­gen sein.

Warum die Idee einer Imagesteigerung des Lehrer:innenberufes bestenfalls niedlich ist

Wer for­dert, das Image des Lehrer:innenberufs zu ver­bes­sern, um mehr Bewerber:innen gewin­nen zu kön­nen und z.B. mehr Stu­di­en­plät­ze schaf­fen möch­te, ver­kennt die Situa­ti­on in der Gesamt­ge­sell­schaft: Das Fach­kräf­te­pro­blem ist ein gesamt­ge­sell­schaft­li­ches! Das Hand­werk, die öffent­li­che Ver­wal­tung, die Bun­des­wehr, die Poli­zei, das Gesund­heits­sys­tem, die früh­kind­li­che Bil­dung, die Indus­trie – eigent­lich nahe­zu alle Bran­chen tre­ten zu der oft vor­ge­schla­ge­nen „Image­of­fen­si­ve“ in Kon­kur­renz. Es feh­len schlicht die Men­schen für die Auf­ga­ben inner­halb von Wirt­schaft und Ver­wal­tung. Als leid­lich gut aus­ge­bil­de­ter jun­ger Mensch bin ich nicht (mehr) dar­auf ange­wie­sen, um die Gunst eines Sys­tems zu buh­len – es bewer­ben sich gleich meh­re­re um mich. Je grö­ßer dabei die Not, des­to gerin­ger muss übri­gens fol­ge­rich­tig zusätz­lich im Prin­zip die eige­ne Kom­pe­tenz von Bewerber:innen sein. Ggf. könn­te die oft beschwo­re­ne „Deindus­tria­li­sie­rung Deutsch­lands“ gera­de nicht durch Steu­ern und Ener­gie­prei­se, son­dern letz­ten­en­des durch das schlich­te Feh­len von Köp­fen vor­an­ge­trie­ben wer­den, wenn Fak­to­ren wie poli­ti­sche Sta­bi­li­tät und frei­heit­li­che Gesell­schafts­ver­hält­nis­se kein aus­rei­chen­des Wachs­tum in einer kapi­ta­lis­ti­schen Markt­lo­gik der Groß­kon­zer­ne mehr garantieren.

Was also tun?

Eine Attrak­ti­vi­täts­stei­ge­rung mit Strahl­kraft kann nur aus dem Sys­tem her­aus erfol­gen. Poli­tisch muss alles dar­an gesetzt wer­den, enga­gier­te und klu­ge Köp­fe im Bil­dung­s­ys­tem um jeden Preis zu hal­ten. Das geht mit den bis­he­ri­gen Ver­wal­tungs- und Hörig­keits­struk­tu­ren nicht. Wenn sich Ver­ant­wort­li­che immer wie­der auf ihr Recht beru­fen könn­ten, z.B. Wei­sun­gen zu ertei­len, die dann prak­tisch nicht umsetz­bar sind, wird es schwie­rig. Wenn wir gegen­über Lehr­kräf­ten immer wie­der Kon­zep­te des maxi­ma­len Miss­trau­ens fah­ren (z.B. enge Vor­schrif­ten zur jus­ti­tia­blen Kor­rek­tur oder Durch­füh­rung von Prü­fun­gen), wird es schwie­rig. Wie wäre es statt­des­sen mit einer umfas­sen­den Rechts­schutz­ver­si­che­rung? Oder umfas­sen­den Insas­sen­ver­si­che­rung, wenn der enga­gier­te Kol­le­ge mit der klei­nen Schüler:innengruppe zu einem Wett­be­werb fährt anstatt dann auch noch einen Antrag stel­len zu müs­sen? Ver­trau­en statt Miss­trau­en als default, dienst­recht­li­che Maß­nah­men – dann bit­te auch ger­ne wirk­lich eska­lie­rend – bei fort­ge­setz­tem Fehlverhalten.

Was wei­ter­hin kom­plett fehlt, ist eine Per­spek­ti­ve für die Men­schen, die sich jetzt im Sys­tem befin­den. Die Erfah­rung aus der Ver­gan­gen­heit ist, das Mehr­be­las­tun­gen schnell umge­setzt, Ent­las­tun­gen dann aber immer wie­der ver­tagt wer­den. Solan­ge die­ser Zyklus nicht durch eine ech­te Per­spek­ti­ve durch­bro­chen wird, bleibt es schwie­rig. Sym­bo­le wie die Abset­zung der KMK wür­den zwar m.E. immens hel­fen, sind wahr­schein­lich for­mal nicht rea­lis­tisch. Und so kon­struk­tiv ist die­se For­de­rung ja auch wie­der nicht. Zu den Anfän­gen die­ses Blogs hat­te ich ein­mal die Idee, dass Bil­dungs­sys­tem einer staat­lich eng kon­trol­lier­ten NGO anzu­ver­trau­en. Ja, ich weiß, Föde­ra­lis­mus und so. Aber es wür­de zumin­dest das Bil­dung­s­ys­tems den Legis­la­tur­pe­ri­oden ent­zie­hen – ich ernied­ri­ge daher auf:  „Der KMK eine NGO ent­ge­gen­stel­len“ (und nach zehn Jah­re zu schau­en, woher die nach­hal­ti­gie­ren Impul­se gekom­men sind – die ande­re Orga­ni­sa­ti­on wird dann auf­ge­löst.) Das wären viel­leicht ein Sym­bol und eine geeig­ne­te Perspektive.

Zivilgesellschaft muss es noch mehr als jetzt schon richten

Jetzt kommt schon wie­der etwas Unan­ge­neh­mes: Trotz­dem Poli­tik und Ver­wal­tung viel zur aktu­el­len Kri­se bei­getra­gen haben, wer­den es Poli­tik und Ver­wal­tung nicht ohne Lehr­kräf­te und Zivil­ge­sell­schaft schaf­fen. Wir Lehr­kräf­te mit gro­ßen oder kei­nen Kin­dern müs­sen weg von der Hal­tung: „Jetzt sol­len die Jun­gen mal!“ (falls wir sie hät­ten, soll ja schon vor­ge­kom­men sein). Spe­zi­ell auf uns kommt eini­ges zu. Gleich­zei­tig müs­sen wir uns mehr unse­res Wer­tes für das Sys­tem bewusst wer­den und das dann so leben. Wir haben eine Loya­li­täts­pflicht gegen­über dem Dienst­her­ren, er aber auch eine gegen­über uns. Das wird ger­ne ver­ges­sen. Wider­stands­for­men hin­ter der eige­nen Klas­sen­raum­tür inter­es­sie­ren eine for­ma­le Struk­tur wir eine Schul­bü­ro­kra­tie wesent­lich weni­ger als Wider­stands­for­men, die Ver­wal­tungs­ak­te aus­lö­sen und z.B. mit Hil­fe von Ver­bän­den ihrer­seits intern und immer der Treue­pflicht fol­gend eska­liert wer­den können.

Um es kon­kre­ter zu machen: Beam­te müs­sen beam­ten­recht­lich amts­an­ge­mes­sen beschäf­tigt wer­den. Das ist ein ziem­lich rele­van­ter Kern der Für­sor­ge­pflicht. Die ihnen über­tra­ge­nen Auf­ga­ben müs­sen ihren Qua­li­fi­ka­tio­nen (Hebel­punkt 1) und der Wer­tig­keit ihres Amtes (Hebel­punkt 2) ent­spre­chen. Die Aus­ge­stal­tung eines Amtes durch den Dienst­herrn hat hier eine juris­ti­sche Grenze.

Wir – und damit mei­ne ich vie­le Män­ner – dür­fen die Haupt­last der fami­liä­ren Auf­ga­ben nicht vor­wie­gend Frau­en auf­bür­den. Alle Män­ner, die die Kon­fek­ti­ons­grö­ßen ihrer Kin­der nicht ken­nen, tun das. Also auch ich. Vie­le Frau­en sind im Sys­tem wegen der fami­li­en­freund­li­chen Anpas­sungs­mög­lich­kei­ten der Arbeits­zeit und tra­gen aber gleich­zei­tig die vol­le Last des „Fami­li­en­ma­nage­ments“, d.h. Lebens­mo­del­le von Lehr­erfa­mi­li­en wer­den durch Reduk­ti­on der Teil­zeit­mög­lich­kei­ten nicht unbe­rührt blei­ben kön­nen. Ich bin mir näm­lich nicht so sicher, ob es wirk­lich vie­le Lehr­kräf­te gibt, die ohne eige­ne Kin­der unter 18 Jah­ren oder pfle­ge­be­dütf­ti­ge Ange­hö­ri­ge Stun­den redu­zie­ren. Die Ermitt­lung kon­kre­ter Zah­len dazu ist die SWK schul­dig geblie­ben. 49% Teil­zeit­quo­te hört sich erst­mal viel an, ja.

Vertrauen muss wieder default werden

Eltern müs­sen in Erzie­hungs­fra­gen noch mehr als jetzt in Ver­ant­wor­tung gehen. Koope­ra­ti­on soll­te Kon­fron­ta­ti­on ste­chen, auch wenn Erzieher:innen und Lehr­kräf­te die indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se der eige­nen Kin­der zuneh­mend eher weni­ger als mehr erfül­len kön­nen. Sonst wird es bald deut­lich weni­ger Men­schen geben, die dazu bereit und auch noch in der Lage sind, indi­vi­du­ell auf Kin­der ein­zu­ge­hen. Ich möch­te allen Eltern Mut machen, den Lehr­kräf­ten ihrer Kin­der zu ver­trau­en. Wenn die­ses Ver­trau­en gestört ist, gibt es taug­li­che Mit­tel (Gesprächs­ter­min + ggf. dann wei­te­re Eska­la­ti­on) und weni­ger taug­li­che Mit­tel (Ver­öf­fent­li­chung von Kor­rek­tu­ren auf Social­me­dia, Beschwer­de bei der Schul­be­hör­de als ers­te Reak­ti­on) zur Lösungsanbahnung.

Ich möch­te den Schul­be­hör­den und Kul­tus­mi­nis­te­ri­en Mut machen, ihren Schul­lei­tun­gen und Lehr­kräf­ten mehr oder anders zu ver­trau­en. Ziel muss Selbst­stän­dig­keit sein. Nur das trägt lang­fris­tig zur Arbeits­ent­las­tung von Schul­lei­tun­gen und Behör­den bei. Kon­trol­le und Bera­tung mit dem Ziel der unbe­ding­ten Pflicht­er­fül­lung wird immer ver­un­si­chern. Ver­un­si­che­rung zieht ein Bestre­ben nach Absi­che­rung nach sich. Vie­le klein­tei­li­ge Nach­fra­gen von vie­len Kolleg:innen kann z.B. kei­ne Schul­lei­tung die­ser Welt bewältigen.

Wenn etwas Öffent­lich­keits­wirk­sa­mes schu­li­sches Per­so­nal angeht, darf man schu­li­schem Per­so­nal ver­trau­en und es VOR der Öffent­lich­keit infor­mie­ren. Neue­run­gen und Auf­trä­ge z.B. aus Pres­se­mit­tei­lun­gen zu erfah­ren stärkt an der Basis nicht die Auto­ri­tät über­ge­ord­ne­ter Behör­den. Das ist schlicht opti­mier­ba­rer Füh­rungs­stil. Ide­al wäre natür­lich eine Betei­li­gung der Basis an Ent­schei­dungs­pro­zes­sen, aber natür­lich wenig realistisch.

Wo Men­schen arbei­ten, gesche­hen Feh­ler. Wo Men­schen über­las­tet sind, über­pro­por­tio­nal vie­le. Man kann jetzt so tun, als bestün­de die Mög­lich­keit, dass der­ar­ti­ge Feh­ler im Prin­zip immer wie­der und über­all vor­kom­men – obwohl sie sta­tis­tisch kaum rele­vant sind – und für alle mög­li­chen Spe­zi­al­fäl­le, die sel­ten ein­tre­ten, neue Vor­ga­ben, Erlas­se und Ver­ord­nun­gen gene­rie­ren, die letzt­lich die Arbeit aller ein­schrän­ken und erschwe­ren – das kann sogar dazu füh­ren, dass die Behör­de bei Anfra­gen dann selbst nicht mehr durch­blickt und letzt­lich auch mehr Arbeit hat.

Man kann aber auch dar­auf ver­trau­en, dass im Schul­sys­tem in der Mehr­zahl gut aus­ge­bil­de­te Men­schen arbei­ten, die die Res­sour­cen des Dienst­herrn nicht absicht­lich oder fahr­läs­sig bin­den wol­len. Und die Welt ist gemein: Es tre­ten immer wie­der Fäl­le ein, die unvor­her­seh­bar waren. Und dann reagiert man wie­der mit neu­en Vor­ga­ben, Erlas­sen und Ver­ord­nun­gen, die Arbeit aller erschwe­ren? Viel­leicht ist die­ses Kon­zept selbst bedingt zielführend.

Men­schen arbei­ten ger­ne in Umge­bun­gen, die ihnen etwas zutraut und die ihnen selbst ver­traut. Und das Schul­sys­tem muss attrak­ti­ver wer­den. Ver­trau­en als default bit­te! (klappt bei Professor:innen und Richter:innen im Wesent­li­chen auch).

Reform der Ausbildung von Erzieher:innen und Lehrkräften

Eines vor­weg und wie­der umpo­pu­lär: Für die Sekun­dar­stu­fe habe ich kei­ne Lösung. Die scheint aber auch nicht so wich­tig zu sein wie der Ele­men­tar- und Prim­ar­be­reich, wenn Din­ge wie Chan­cen­gleich­heit und Anhe­bung des gesam­ten Bil­dungs­ni­veaus einer Bevöl­ke­rung im Mit­tel­punkt ste­hen – da ver­lie­ren wir die Kin­der wesent­lich frü­her und das lässt sich auch kaum wie­der auf­ho­len, wenn ich die mir bekann­ten Stu­di­en rich­tig gele­sen habe. Daher: Im KiTa- und Krip­pen­be­reich müs­sen wir die Aus­bil­dungs­qua­li­tät anhe­ben. Das soll­ten zumin­dest ver­mehrt aka­de­mi­sche Berufs­bil­der sein.

Im Prim­ar­be­reich ist mir das Kon­zept eines dua­len Stu­di­ums sehr sym­pa­thisch. Koope­ra­ti­on mit ande­ren Fach­kräf­ten kommt im Prim­ar­be­reich im Berufs­all­tag deut­lich öfter vor als in höhe­ren Schul­for­men. Das bil­det eine gute Grund­la­ge für jun­ge Men­schen, die sich beruf­lich noch fin­den wol­len und eine frü­he Per­spek­ti­ve auf das, was Schu­le aus­macht. Und ein frü­her Ein­blick bie­tet Chan­cen, sich zu begeis­tern und auch fach­lich im Stu­di­um Leis­tung zu brin­gen, aber auch frü­he Chan­cen auf Umori­en­tie­rung. So könn­ten Schu­len von mehr klu­gen Köp­fen im All­tag profitieren.

Die größ­te Ent­las­tung für wei­ter­füh­ren­de Schul­for­men wären m.E. letzt­lich Men­schen, die in der Mehr­zahl lern­of­fen und selbst­kom­pe­tent sind. Gleich­zei­tig könn­te das das Arbeits­um­feld attrak­tiv machen, wenn jun­ge Men­schen uns dann anders fordern.

Fachkräfte zur Entlastung der Lehrkräfte von fachfremden Aufgaben?

Die fach­frem­den Auf­ga­ben gibt es ja an Schu­len for­mal nicht, weil für die Aus­ge­stal­tung des Lehr­kräf­te­be­ru­fes der Grund­satz der Amts­an­ge­mes­sen­heit gilt (s.o.). Die Vor­schlä­ge der SWK zur Ent­las­tung von Lehr­kräf­ten in die­sem Bereich blei­ben mir ver­gli­chen mit den sehr kon­kre­ten Berech­nun­gen zu Stun­den­ge­win­nen durch Ein­schrän­kung von Teil­zeit­op­tio­nen, Mehr­ar­beit und Co. etwas zu vage. Die Idee einer Kor­rek­turas­sis­tenz ist ja wahr­schein­lich auf den ers­ten Blick ganz nett, aber ver­kennt, dass hier vie­le Fra­gen offen­blei­ben – etwa die nach der Qua­li­fi­zie­rung der betei­lig­ten Per­so­nen und dem Auf­wand für die not­wen­di­gen Kommunikationsprozesse.

Die Digi­ta­li­sie­rung wird nach mei­nem Emp­fin­den von der SWK noch zu stark mit tech­ni­schem Fokus gedacht anstatt deren gesamt­ge­sell­schaft­li­che Impli­ka­tio­nen in den Blick zu neh­men. Die Vor­schlä­ge zum Hybrid­un­ter­richt erschei­nen mit sehr stark durch klas­si­sche uni­ver­si­tä­re Lern­set­tings geprägt. Wie könn­ten Stel­len­be­schrei­bun­gen für Per­so­nal kon­kret aus­se­hen, das Lehr­kräf­te nach­hal­tig ent­las­ten soll? Wo wer­den die ein­zu­set­zen­den Res­sour­cen erho­ben und eben­so pla­ka­tiv berech­net und mit Zah­len hin­ter­legt wie die zu erwar­te­ten­den Stun­den­ge­win­ne? (war wahr­schein­lich nicht der „Auf­trag“).

Und das Digitale?

Ach, ich glau­be mei­ne Gedan­ken dazu ver­kau­fe ich bes­ser wie­der in Form eines kom­mer­zi­el­len Arti­kels :o)…

 

 

 

 

 

 

Wenn ich Schulleitung wäre …

Als pro­gres­si­ve Schul­lei­tung müss­te ich Per­so­nal­ent­wick­lungs­ge­sprä­che füh­ren. Ich ver­wal­te das Schul­bud­get. Ich pla­ne den Unter­richts­ein­satz und die ‑ver­tei­lung. Heu­te Abend ist schon wie­der eine Klas­sen­kon­fe­renz, bei der ich mei­ne Anwe­sen­heit nicht dele­gie­ren darf. Bei jeder Auf­füh­rung oder beson­de­re Akti­on von Schü­le­rin­nen und Schü­lern wird in der Öffent­lich­keit mei­ne Anwe­sen­heit erwar­tet. Ich soll mich fort­bil­den – nicht Füh­rung, son­dern Lea­der­ship wird von mir erwar­tet. Mein Pool der zu ver­tei­len­den Ent­las­tungs­stun­den wird seit Jah­ren klei­ner. Jeder Kol­le­ge erwar­tet, dass ich ihn oder sei­ne Arbeit wahr­neh­me. Ich schlich­te Strei­tig­kei­ten um die Beno­tung von Abitur­ar­bei­ten. Ich muss im Auge behal­ten, wer die erwei­ter­te Schul­lei­tung besetzt. Ich habe immer ein offe­nes Ohr für die Nöte und Pro­ble­me mei­ner Lehr­kräf­te. Ich ver­tre­te die Schu­le gegen­über dem Trä­ger und der Öffent­lich­keit. Ich füh­re Ver­be­am­tungs­ge­sprä­che durch und ver­fas­se Gut­ach­ten für Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen. Ich küm­me­re mich um rechts­si­che­re Ver­trä­ge mit päd­ago­gi­schen Fach­kräf­ten für den Ganz­tags­schul­be­trieb. Ich sit­ze regel­mä­ßig in Gre­mi­en wie dem Schul­vor­stand. Ich bin ver­pflich­tet, den Per­so­nal­rat regel­mä­ßig über das Per­so­nal betref­fen­de Ent­schei­dung zu infor­mie­ren. Ich hal­te die Rede zum Abitur. Kol­le­gen sind sau­er, wenn ich aus ihrer Sicht inte­gra­le Auf­ga­ben wie z.B. Schul­ent­wick­lungs­pro­zes­se an die erwei­ter­te Schul­lei­tung dele­gie­re. Ich ver­ant­wor­te letzt­lich jede recht­lich rele­van­te Ent­schei­dung gegen­über dem Dienst­herrn. Eltern beschwe­ren sich bei mir berech­tigt und unbe­rech­tigt. Ich habe mit Lücken in der Unter­richts­ver­sor­gung zu kämp­fen, die ich meist zunächst „aus dem Sys­tem her­aus“ schlie­ßen muss. Ich wäh­le Bewer­ber um neue Stel­len aus – wenn sie mir zuge­wie­sen wer­den und wir­ke auch bei deren Stel­len­aus­schrei­bung mit. Ich bin bei Prü­fungs­stun­den mit Refe­ren­da­ren mit dabei. Ich muss Ent­schei­dun­gen des Kol­le­gi­ums Eltern- und Schü­ler­gre­mi­en ver­mit­teln. Ich muss Ent­schei­dun­gen von Eltern- und Schü­ler­gre­mi­en den Lehr­kräf­ten ver­mit­teln. Ich muss schul­in­ter­ne Ent­schei­dun­gen der Öffent­lich­keit ver­mit­teln. Ich bin bei Aus­wahl­ver­fah­ren für neue A14- und A15-Stel­len mit ein­ge­bun­den. Oft kommt mir schwer Vor­her­seh­ba­res dazwi­schen. Ich befin­de mich mit ande­ren Schu­len und Schul­for­men im Wett­be­werb um die Schü­le­rin­nen und Schüler. […]

Ach ja – und dann noch die­ser Medienonkel.

PS: War­um gibt es einen „Towel­day“ und kei­nen „Prin­ci­pal­day“? Mir wür­de an die­sem Tag bewusst, was Schul­lei­te­rin­nen und Schul­lei­ter, die ihren Job ernst­neh­men,  jeden Tag tun. Übri­gens hat mein fik­ti­ver Schul­lei­ter von oben eine erwei­ter­te Schul­lei­tung, die ihm Auf­ga­ben abnimmt. Er hat ein bestimm­tes Gehalt und er darf A14- und A15-Stel­len anbie­ten. Wie ist denn das an einer klei­nen Grundschule?