Inhaltsangaben

Ein­lei­tung

Inhalts­an­ga­ben sind irgend­wie das Ende der Krea­ti­vi­tät. Man tas­tet sich ja lang­sam über Bil­der­ge­schich­ten, Nach­er­zäh­lung und Bericht zu den sach­li­chen Text­for­men im Deutsch­un­ter­richt vor – das ver­meint­li­che Ende der Fan­ta­sie. Hier in Nie­der­sach­sen gibt es auch eine Evo­lu­ti­on inner­halb der Text­form Inhalts­an­ga­be, näm­lich von der Zusam­men­fas­sung von nar­ra­ti­ven, fik­tio­na­len hin zu gedank­li­chen Texten.

Web­res­sour­cen

Wer sich für die Vor­be­rei­tung einer ent­spre­chen­den Unter­richts­ein­heit ein­le­sen möch­te, fin­det hier zunächst ein von mir kom­men­tier­tes URL-Lüftchen.

  1. Inhalts­an­ga­be bei Nor­bert Tho­len – umfang­rei­ches Mate­ri­al und Refle­xi­on kon­kre­ter Text­bei­spie­le. Abso­lu­ter Referenzcharakter.
  2. Übun­gen zur Inhalts­an­ga­be beim Leh­rer­freund – ziel­ge­rich­te­te, sofort umsetz­ba­re Übungs­for­ma­te und Arbeitsblätter.
  3. Peer­feed­back bei Inhalts­an­ga­ben beim Leh­rer­freund - im Unter­richt gut anwend­ba­re Metho­de, wenn man kein Klas­sen­blog hat
  4. Samm­lung mög­li­cher Sach­tex­te mit Auf­ga­ben­stel­lun­gen – gut ein­setz­bar bei teachsam.
  5. Zuord­nungs­übung zum ein­lei­ten­den Satz – wer es ganz for­mal haben möchte

War­um eine Inhaltsangabe?

Vie­le sons­ti­ge Anlei­tun­gen in Schul­bü­chern und im Web stel­len die for­ma­len Aspek­te der Inhalts­an­ga­be in den Mit­tel­punkt. Dabei ist für mich die Fra­ge nach dem Sinn und der Berech­ti­gung die­ser doch sehr sprö­den Text­form für den Deutsch­un­ter­richt die eigent­lich ent­schei­den­de, weil sie didak­ti­sche und metho­di­sche Ent­schei­dun­gen mit Blick auf das „Gesamt­pa­ket“ Deutsch­un­ter­richt erst ermög­licht. Die­ser Fokus geht ver­lo­ren, wenn die Inhalts­an­ga­be Selbst­zweck zur Übung der Umset­zung for­ma­ler Vor­ga­ben geht, obwohl das natür­lich gera­de in den jün­ge­ren Jahr­gän­ge bei der Fra­ge nach der Bewer­tung eine gro­ße Rol­le spielt.

Die Inhalts­an­ga­be hal­te ich für eine Text­form zur Dar­le­gung von Lese­kom­pe­tenz: Ist ein Text sin­nerschlie­ßend erfasst wor­den? Gleich­zei­tig ver­mit­telt sie Metho­den­kom­pe­tenz zur Gewin­nung von Text­di­stanz, die immens wich­tig ist, um wei­ter­füh­ren­de Ope­ra­tio­nen mit einem Text durch­füh­ren zu kön­nen, z.B.:

  • Bewer­tung von Aussagen
  • Ana­ly­se von Sprache
  • Ein­ord­nung in einen grö­ße­ren Zusammenhang
  • eige­ne Tex­te über­ar­bei­ten (Distanz zu sei­nem eige­nen Text gewinnen)

Nach mei­ner Erfah­rung im Unter­richt hängt das Gelin­gen oder Nicht­ge­lin­gen einer Inhalts­an­ga­be pri­mär davon ab, ob es gelingt, Text­di­stanz auf­zu­bau­en – das schafft eine Inhalts­an­ga­be, die sich am Text­fluss ent­lang­han­gelt oft weni­ger gut, als eine, die den Text struk­tu­rell kri­te­ri­en­ge­lei­tet reorganisiert.

Metho­den zur Gewin­nung von Text­di­stanz bei nar­ra­ti­ven Tex­ten mit sequen­ti­el­lem Aufbau

Für den Haupt­teil funk­tio­niert erstaun­lich gut die Drei-Wort-Was-Geschieht-Metho­de. Dazu sucht man sich in jün­ge­ren Jahr­gän­gen eine Geschich­te aus – beliebt sind ja immer Hebels Kalen­der­ge­schich­ten, die mög­lichst sinn­voll und stark in Absät­ze unter­glie­dert ist. Dann lässt man fol­gen­de Tabel­le anfertigen:

Absatz die drei wich­tigs­ten Worte Was geschieht?
1 Betrü­ger, Ring, kaufen ein Jude möch­te den Ring eines Betrü­gers kaufen
2 […] […]

Die ers­te Spal­te ent­hält die Absatz­num­mer oder die Sinn­ab­schnit­te (dann Zei­len­an­ga­ben). In der der zwei­ten Spal­te ste­hen die drei wich­tigs­ten Wor­te die­ses Absat­zes – dabei muss ein Verb ent­hal­ten sein, wel­ches die domi­nie­ren­de Hand­lung des Absat­zes beschreibt. In der drit­ten Spal­te wird auf Basis die­ser drei Wor­te die Fra­ge „Was geschieht?“ beant­wor­tet. Dabei müs­sen die drei Wor­te nicht zwin­gend ver­wen­det werden.

Die drit­te Spal­te kann man in einer Klas­se in der Regel von ver­schie­de­nen Leu­ten nach­ein­an­der „her­un­ter­le­sen“ las­sen, auch wenn sie gar nicht zusam­men­ge­ar­bei­tet haben. Es kommt oft schon so ein recht brauch­ba­rer Haupt­teil dabei her­aus. Das gan­ze würzt man bei ein­fa­chen nar­ra­ti­ven Tex­ten noch mit geeig­ne­ten Kon­junk­tio­nen und For­mu­lie­run­gen zum Ver­bin­den der ein­zel­nen Gedanken.

Den ein­lei­ten­den Satz las­se ich immer erst nach dem Haupt­teil der Inhalts­an­ga­be for­mu­lie­ren. Ich ver­bie­te dabei die For­mu­lie­rung „geht es um…“, weil sie nach mei­ner Erfah­rung dazu ver­lei­tet, Figu­ren und nicht eine Hand­lung in den Mit­tel­punkt zu stellen.

Metho­den zur Gewin­nung von Text­di­stanz bei gedank­li­chen  Tex­ten mit nicht-sequen­ti­el­lem Aufbau

Auch hier funk­tio­niert in einem ers­ten Schritt die Drei-Wort-Was-Geschieht-Metho­de, aller­dings mit einer wich­ti­gen Modi­fi­ka­ti­on, da Absät­ze in gedank­li­chen Tex­ten meist logisch-funk­tio­nal ange­legt sind. Des­we­gen muss in der drit­ten Spal­te ein Sprech­akt­verb mit ent­hal­ten sein, wel­ches gleich­zei­tig klar­macht, dass Gedan­ken eines Drit­ten wie­der­ge­ge­ben werden.

Absatz die drei wich­tigs­ten Worte Was geschieht?
1 Aids, Afri­ka, verbreiten der Autor ver­weist auf die schnel­le Ver­brei­tung von AIDS in Afrika
2 […] […]

Feh­len in einer Inhalts­an­ga­be eines Sach­tex­tes distan­zie­ren­de Äuße­run­gen in Form von Sprech­akt­ver­ben oder gram­ma­tisch anspruchs­vol­ler in Form des Kon­junk­tivs, wer­den Ori­gi­nal­text und Inhalts­ga­be sprach­lich kaum unter­scheid­bar und ein Nach­er­zäh­lungs­cha­rak­ter der bestim­men­de sein. Das pas­siert bei Inhalts­an­ga­ben nar­ra­ti­ver Tex­te eher nicht, weil das Prä­sens als Zeit­form schon einen distan­zie­ren­den Cha­rak­ter mit sich bringt – wenn denn auch schön im Prä­sens geschrie­ben wird…

Bei der Inhalts­an­ga­be eines Sach­tex­tes ver­lan­ge ich zusätz­lich, dass Absät­ze zu grö­ße­ren Sinn­ein­hei­ten kom­bi­niert wer­den, so dass For­mu­lie­run­gen wie:

Der Text glie­dert sich in drei Abschnit­te. Im ers­ten führt Ingolf Mey­er den Leser unter Ver­wen­dung eines Beispiels…
Um sei­ne The­se zu ver­deut­li­chen, bedient sich der Autor drei­er Beispiele…

mög­lich wer­den. Die zu einer Sinn­ein­heit gehö­ri­gen Abschnit­te kön­nen in gedank­li­chen Tex­ten weit ver­streut sein. Im Ide­al­fall erkennt man ihre inhalt­li­che Nähe aber durch die Drei-Wort-Was-Geschieht-Tabelle.

Die Inhalts­an­ga­be eines gedank­li­chen Tex­tes ist damit ungleich schwe­rer als die eines erzäh­len­den Textes.

Paraphrase und Reorganisation

… in z.B. Inhalts­an­ga­ben. Wir Deutsch­leh­rer ver­lan­gen dort oft eine Reor­ga­ni­sa­ti­on wie die­se Visua­li­sie­rung von Achin­gers berühmt-berüch­tig­ter Kurz­ge­schich­te „Das Fenstertheater“:

Wir bekom­men sehr oft eine Para­phra­se, wie die­se hier:

Dank die­ser bei­den Visua­li­sie­run­gen, die bei­de in der glei­chen Stun­de ent­stan­den sind und natür­lich sofort als Klein­ko­pie den Weg in die Regel­hef­te der SuS gefun­den haben, wird in mei­nen Augen deut­lich, was ich als Deutsch­leh­rer unter Reor­ga­ni­sa­ti­on in einer Inhalts­an­ga­be – sowie spä­ter wei­ter­füh­rend in Ana­ly­se und Inter­pre­ta­ti­on –  ver­ste­he. Des­we­gen habe ich mich über bei­de Arbei­ten sehr, sehr gefreut. Die Wir­kung ent­steht in mei­nen Augen dicho­to­misch: In der Dif­fe­renz bei­der Visua­li­sie­rung liegt der Erkenntniswert.

Und des­we­gen tue ich mich auch sehr schwer mit der Kate­go­ri­sie­rung in „rich­tig“ und „falsch“ – bezo­gen auf den Lernprozess.

Verben für Sprechakte

Du sollst nicht immer „sagen“ schrei­ben. Es gibt doch so vie­le schö­ne ande­re Wor­te, um einen Sprech­akt aus­zu­drü­cken. Hier ein­mal eine klei­ne(?) Lis­te für die klas­sen­in­ter­ne Worschatz­ar­beit – gefun­den auf einer alten Schrad­del­ko­pie beim Aus­mis­ten des Arbeitszimmers:

war­nen, über­neh­men, ein­wen­den, vor Augen füh­ren, auf­grei­fen, zitie­ren, unter­su­chen, anspre­chen, beja­hen, über­den­ken, wider­spre­chen, gegen­über­stel­len, ein­schrän­ken, prü­fen, zur Dis­kus­si­on stel­len, anfüh­ren, aus­schlie­ßen, schil­dern, auf­ru­fen, sich beru­fen auf, auf­for­dern, beschrei­ben, ermun­tern, (sich) anschlie­ßen, ein­len­ken, ver­nei­nen, ver­bin­den, anneh­men, fort­fah­ren, ablei­ten, bestrei­ten, wün­schen, urtei­len, aus­klam­mern, anknüp­fen, kenn­zeich­nen als, ord­nen, her­aus­stel­len, zuord­nen, aus­spa­ren, zustim­men, behaup­ten, pro­ble­ma­ti­sie­ren, the­ma­ti­sie­ren, anfü­gen, vor­aus­set­zen, ein­schie­ben, gel­tend machen, ver­ur­tei­len, bele­gen, bei­läu­fig bemer­ken, for­dern, unter­strei­chen, aus­ge­hen von, anset­zen bei, begrün­den, unter­mau­ern, fol­gern, schlie­ßen, fest­stel­len, wie­der­ge­ben, ver­deut­li­chen, dar­le­gen, Kri­tik üben, her­aus­he­ben, ver­mu­ten, eine Par­al­le­le zie­hen, aus­füh­ren, andeu­ten, hin­wei­sen auf, schluss­fol­gern, (sich) fra­gen (nach), wün­schen, zu beden­ken geben, vor­ge­ben, unter­stel­len, ver­wei­sen, beto­nen, erklä­ren, erläu­tern, erwei­tern, defi­nie­ren als, akzen­tu­ie­ren, her­aus­grei­fen, her­vor­he­ben, ver­an­schau­li­chen, sich lus­tig machen (über), erwäh­nen, hin­zu­fü­gen, bezwei­feln, wider­le­gen, kri­ti­sie­ren, belä­cheln, angrei­fen, ver­lan­gen, hof­fen auf, ein­räu­men, ankla­gen, in Fra­ge stel­len, ver­knüp­fen, zusam­men­fas­sen, sich bezie­hen auf, dar­stel­len, vor­aus­grei­fen, lieb­äu­geln mit

Gele­gent­lich den­ke ich, dass es das Deut­sche immer ein wenig über­treibt mit den Gra­du­ie­rungs- und Ausdifferenzierungsmöglichkeiten…