Zersetzungsspannung

Alle Ele­men­te stre­ben den ener­gie­ärms­ten Zustand, d.h. eine mög­lichst sta­bi­le Elek­tro­nen­kon­fi­gu­ra­ti­on an. In der Regel ist die­ser erreicht, wenn in der äußers­ten Kugel­scha­le acht Elek­tro­nen vor­han­den sind. Für die Reak­tio­nen von Zink und Brom ergibt sich fol­gen­de Reaktionsgleichung:

Zn + Br2 → ZnBr2

Auf­ge­schlüs­selt nach Teil­glei­chun­gen für die Oxi­da­ti­on und Reduk­ti­on sieht man, dass dabei Elek­tro­nen vom Zink zum Brom fließen:

(1) Zn → Zn2+ + 2e- (Oxi­da­ti­on)

(2) Br2 + 2e- → 2Br- (Reduk­ti­on)

Die­se Rich­tung des Elek­tro­nen­flus­ses ist qua­si die natür­li­che: Auf die­se Wei­se errei­chen bei­de Ele­men­te unter Ener­gie­ab­ga­be den ener­gie­ärms­ten Zustand. Wenn die Elek­tro­nen in die ande­re Rich­tung flie­ßen sol­len, bedarf es der Zufuhr von Ener­gie, z.B. von elek­tri­schem Strom, den eine „Elek­tro­nen­pum­pe“ wie z.B. eine Bat­te­rie lie­fern kann. Der Pro­zess lässt sich etwa in einer Elek­tro­ly­se­zel­le umkeh­ren, die eine wäss­ri­ge Lösung von Zink­bro­mid ent­hält. Als Elek­tro­den­ma­te­ri­al dient Gra­phit – die Wahl die­ses Mate­ri­als ist nicht belie­big. Eine sol­che Zel­le könn­te fol­gen­der­ma­ßen auf­ge­baut sein:


Die nega­tiv gela­de­nen Bro­mi­d­io­nen wer­den vom Plus­pol (Anode) der Elek­tro­ly­se­zel­le ange­zo­gen und dort unter Abga­be eines Elek­trons ent­la­den. Der Pro­zess (2) läuft „rück­wärts“. Ana­log wer­den die Zin­kio­nen von dem Minus­pol (Katho­de) ange­zo­gen und dort unter Auf­nah­me von Elek­tro­nen ent­la­den. Der Pro­zess (1) läuft „rück­wärts“. Bei­de Pro­zes­se müs­sen durch eine exter­ne Span­nungs­quel­le erzwun­gen wer­den, sodass Elek­tro­nen an der Katho­de ein­tre­ten und an der Anode aus­tre­ten kön­nen (grü­ne Pfeile).

Dafür ist eine bestimm­te Min­dest­span­nung, die Zer­set­zungs­span­nung erfor­der­lich. Nur nach der Über­schrei­tung der Zer­set­zungs­span­nung läuft der Elek­tro­ly­se­pro­zess kon­ti­nu­ier­lich. Das Phä­no­men der Zer­set­zungs­span­nung lässt sich mit einer gal­va­ni­schen Zel­le erklä­ren, die sich wäh­rend jeder Elek­tro­ly­se aus­bil­det. Die­se lässt sich fol­gen­der­mä­ßen skizzieren:

Wäh­rend der Elek­tro­ly­se über­zie­hen sich die Elek­tro­nen ver­ein­facht gespro­chen mit einem „Brom­man­tel“ (Anode) und einem „Zink­man­tel“ (Katho­de). Den Zink­man­tel kann man sogar als leich­te gräu­li­che Ver­fär­bung bei der Elek­tro­ly­se sehen, den Brom­man­tel durch die dunk­le Far­be der Gra­phit­elek­tro­de nicht – den­noch ist Brom an der Ober­flä­che der Katho­de in gewis­sem Maße adsor­biert. Jetzt pas­siert etwas Inter­es­san­tes: Bei­de Ele­men­te stre­ben die „natür­li­che“ Reak­ti­ons­rich­tung an. Es bil­den sich zwei Gleich­ge­wich­te aus:

(3) Zn â†” Zn2+ + 2e-

(4) Br2 + 2e- ↔ 2Br-

Zink hat dabei ein gerin­ge­res Bestre­ben, Elek­tro­nen an sich zu bin­den, sodass Gleich­ge­wicht (3) mehr auf der Sei­te der Pro­duk­te liegt als Gleich­ge­wicht (4), da Brom ein höhe­res Bestre­ben zur Elek­tro­nen­auf­nah­me besitzt. Dadurch lädt sich die Elek­tro­de, an der Zink anhaf­tet, gegen­über der Elek­tro­de, an der Brom anhaf­tet, nega­tiv auf. Es ent­steht ein soge­nann­tes elek­tro­che­mi­sches Poten­ti­al. Wür­de man das Volt­me­ter ent­fer­nen und die Zel­le kurz­schlie­ßen, flös­sen Elek­tro­nen von der Elek­tro­de mit dem „Zink­man­tel“ zur Elek­tro­de mit dem „Brom­man­tel“, also genau in die ent­ge­gen­ge­setz­te Rich­tung wie bei der Elektrolyse.

Bizarr: Die Katho­de bei der Elek­tro­ly­se „möch­te“ Elek­tro­nen „los­wer­den“, d.h. Zin­kio­nen zu Zink­ato­men redu­zie­ren. Die sich neu bil­den­den Zink­ato­me möch­ten ihrer­seits Elek­tro­nen an die Elek­tro­de „los­wer­den“, da sie als Zn(II)-Ion einen wesent­lich ener­gie­är­me­ren Zustand besit­zen. Die Anode bei der Elek­tro­ly­se „möch­te“ Elek­tro­nen von den Bro­mi­d­io­nen auf­neh­men, um die­se zu ele­men­ta­rem Brom zu oxi­die­ren. Die sich dabei neu bil­den­den Brom­ato­me „möch­ten“ ihrer­seits Elek­tro­nen aus der Elek­tro­de auf­neh­men, um zu den wesent­lich ener­gie­ätrme­ren Bro­mi­d­io­nen zu wer­den – ein klas­si­sche Konkurrenzsituaton.

Die Zer­set­zungs­span­nung mar­kiert den Punkt im Gesche­hen, bei dem die exter­nen Span­nungs­quel­le die­se Kon­kur­renz­si­tua­ti­on „für“ sich ent­schei­det. Dazu muss sie das von der gal­va­ni­schen Zel­le (die erst durch die Elek­tro­ly­se ent­steht) auf­ge­bau­te Poten­ti­al über­win­den. Die­ses lässt sich sehr leicht berech­nen, wenn wir Stan­dard­be­din­gun­gen anneh­men (25°C, c(Zn2+)=c(Br-)=1mol/L). Dann kön­nen wir ein­fach in in die Span­nungs­rei­he schauen:

(5) Zn â†” Zn2+ + 2e- UH0=-0,76V

(6)  2Br- ↔ Br2 + 2e- UH0=1,07V

(7) U = UH0 (Akzep­tor­halb­zel­le) – UH0 (Dona­tor­halb­zel­le) = 1,07V-(-0,76V)=1,83V

In die­sem Fall benö­tigt man also eine Span­nung von mehr als 1,83V, damit die Elek­tro­ly­se läuft. Wenn die Konzentrations‑, bzw. Druck- und Tem­pe­ra­tur­ver­hält­nis­se ande­re sind, muss man die Nernst­sche Glei­chung zur Berech­nung der Halb­zel­len­po­ten­tia­le bemühen.

Die­se Theo­rie klingt erst ein­mal logisch, hat aber ihre Tücken: Bei jeder Elek­tro­ly­se fließt bereits ein Strom, bevor die Zer­set­zungs­span­nung erreicht wird, was eigent­lich nicht sein kann. Bei vie­len Elek­tro­ly­sen, bei denen Gase ent­ste­hen, liegt die tat­säch­li­che Zer­set­zungs­span­nung höher als die theo­re­tisch berech­ne­te. An ande­rer Stel­le mehr davon.

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