Strukturformeln – Abstraction layer

In der orga­ni­schen Che­mie nut­zen wir im Unter­richt Struk­tur­for­meln zur sym­bo­li­schen Dar­stel­lung von Mole­kü­len. Das kann man auf recht unter­schied­li­chem Abs­trak­ti­ons­ni­veau tun (hier am Bei­spiel des Ethans):

(a) ist ein Bei­spiel für eine voll­stän­di­ge Struk­tur­for­meln. Mit etwa Übung schafft man es, die Was­ser­stoff­atom­rümp­fe an der Tafel in einem Rhyth­mus zu schrei­ben. Bei län­ge­ren Koh­len­was­ser­stoff­ket­ten oder gar ver­zweig­ten nervt das nur noch. Daher besteht unter Che­mie­leh­rern die prag­ma­ti­sche, aber völ­lig IUPAC-wid­ri­ge Vor­ge­hens­wei­se, die Was­ser­stoff­atom­rümp­fe ein­fach weg­zu­las­sen. Laut IUPAC steht näm­lich ein offe­nes Stri­chen­de stets für eine Methylgruppe…

(b) ist ein Kom­pro­miss aus Sum­men- und Struk­tur­for­mel, gemein­hin als Halb­struk­tur­for­mel bekannt. Das ist ein IUPAC-kon­for­mer und prak­ti­ka­bler Aus­weg aus der der Mise­re bei den Strukturformeln.

© Ist eine Ske­lett­for­mel. Ein Stri­chen­de steht für eine Methyl­grup­pe, eine (hier optio­na­le) Ecke für eine CH2-Grup­pe. Che­mi­ker sind schreib­faul. Des­we­gen hat man so etwas erfun­den. Wir Che­mie­leh­rer nut­zen das z.B. bei grö­ße­ren Mole­kü­len (etwa Fet­ten), Bio­lo­gen tun das (die kön­nen sich nicht mit klei­nen Mole­kü­le beschei­den), Schul­bü­cher tun es, Wiki­pe­dia sowie­so – weil es eben so schön fluf­fig zu schrei­ben ist.

Sel­ten erle­ben ich es, dass man Ske­lett­for­meln SuS sys­te­ma­tisch bei­bringt, dabei ist die Welt voll davon. „Zu abs­trakt im OC-Anfangs­un­ter­richt“ – ein häu­fi­ges Argu­ment. Man kann sich mit die­ser Abs­trak­ti­on jedoch eine Men­ge Zeit spa­ren und so ein The­ma wie die Nomen­kla­tur der Alka­ne hübsch in eine Geschich­te ver­pa­cken – in die Geschich­te von den Gliedertieren.

Hier ist ein sol­ches und sucht nach sei­nem Namen:

Zuerst suchen wir die längs­te Gliederkette:

Dann num­me­rie­ren wir sie so durch, dass die Anhäng­sel mög­lichst klei­ne Zah­len erhal­ten und malen dem Tier einen Kopf am ers­ten Koh­len­stoff­atom­rumpf oder eben mög­lichst nahe an den meis­ten Extremitäten:

Unser Tier­chen besitzt neun Koh­len­stoff­atom­rümp­fe (Nonan). Jetzt schau­en wir uns die Extre­mi­tä­ten des Tie­res genau­er an:

Wir haben drei­mal einen ein­fa­chen Strich als Extre­mi­tät, also drei Mey­thyl­grup­pen, die an den Glie­dern 3,4, und 5 sit­zen (3,4,5‑trimethyl-). Der Strich mit Knick am 6. Glied ist eine Ethyl­grup­pe (6‑e­thyl-).

Name:

6‑Ethyl‑3,4,5‑trimethylnonan

Wenn die Ske­lett­for­mel­schreib­wei­se sau­ber ein­ge­führt und durch Trans­for­ma­ti­ons­übun­gen ein­ge­schlif­fen ist, wer­den die SuS schon sehr früh die Mole­kül­welt auf Wiki­pe­dia und anders­wo sofort ver­ste­hen. Bei der Nomen­kla­tur spart man sich viel Tafel­ge­schreib­sel. Bei mir hat es pri­ma geklappt. Jetzt malen sie zwar immer Tier­chen, aber wenn der Name hin­ter­her stimmt, dann hilft die­se Abs­trak­ti­on sehr.

Konstitutionsisomerie am Beispiel der Hexane

Etwas aus der Kate­go­rie: Das woll­te ich schon lan­ge ein­mal ver­öf­fent­li­chen, aber die Zeit fehl­te. Dar­ge­stellt sind alle  3d-Model­le Kon­sti­tu­ti­ons­iso­me­ren des Hexan mit ihren Sie­de­punk­ten. Man sieht sehr hübsch, dass eine ganz ein­fa­che Regel gilt: Je kug­li­ger das Mole­kül trotz iden­ti­scher Mole­kül­mas­se, des­to gerin­ger ist sein Sie­de­punkt. Daher muss es bei den Alka­nen neben der Mole­kül­mas­se noch eine wei­te­re inter­mo­le­ku­la­re Wech­sel­wir­kung geben, die umso grö­ßer ist, je mehr Kon­takt­flä­che zwi­schen den Mole­kü­len besteht – die Van-der-Waals-Kraft.

n‑Hexan
Sie­de­punkt: 69°C

3‑Methylpentan
Sie­de­punkt: 63,3°C

2‑Methylpentan
Sie­de­punkt: 60,3°C

2,3‑Dimethylbutan
Sie­de­punkt: 58°C

2,2‑Dimethylbutan
Sie­de­punkt: 49,7°C

2,2‑Dimethylbutan
Kalottenmodell

Ich konn­te die­ses Vor­ha­ben u.a. des­we­gen ver­wirk­li­chen, weil ich end­lich die SMI­LES-Nota­ti­on für Mole­kü­le ver­stan­den und mit Avo­ga­dro einen SMI­LES-fähi­gen Mole­kü­ledi­tor für Ubun­tu gefun­den habe. Die SMI­LES-Nota­ti­on eig­net sich in Ver­bin­dung mit Avo­ga­dro auch ganz her­vor­ra­gend für „Live­shows“ im Unterricht…

Klei­nes Rate­spiel für euch: Wel­che SMI­LES-Nota­ti­on gehört zu wel­chem Isomer?

  1. CC©C©C
  2. CCCCCC
  3. CC©CCC
  4. CCC©CC
  5. CC©©CC

Kann man nach­le­sen, mit Avo­ga­dro aus­pro­bie­ren oder sogar allein aus den Nota­tio­nen ablei­ten. Wäre bestimmt auch eine schön abs­trak­te Zuord­nungs­auf­ga­be für Mood­les Test­mo­dul. Die Abs­trak­ti­on ist hin­sicht­lich der enor­men Arbeits­er­leich­te­rung jedoch sinn­voll. Müss­te man den Kram mit der Maus zeich­nen… Nunja.

Wer die Van-der-Waals-Kraft ein­mal modell­haft live erle­ben möch­te, der ver­su­che ein­mal, eine Wand­ta­fel mit auf­ge­leg­ter Hand bzw. danach nur mit den auf­ge­setz­ten Fin­ger­spit­zen zu bewe­gen oder die­se bei­den Tele­fon­bü­cher aus­ein­an­der­zu­zie­hen (man schafft es nicht, oder muss durch Ver­kan­ten „hebeln“):

Man beach­te vor allem die didak­tisch wert­vol­le unter­schied­li­che Far­be der Tele­fon­buch­sei­ten. Das habe ich natür­lich vor­her genau so geplant…

Quantitative Analyse von Kohlenwasserstoffen (Beispielaufgabe)

Eine Ver­bin­dung, die nur aus Koh­len­stoff und Was­ser­stoff besteht, wird an der Luft voll­stän­dig ver­brannt. Dabei wer­den 88g Koh­len­stoff­di­oxid­gas und 22,5g Was­ser frei. Die Ver­bin­dung ist gas­för­mig. 5,8g neh­men bei Raum­tem­pe­ra­tur ein Volu­men von 2,4L ein. Bestim­me die Sum­men­for­mel der gesuch­ten Verbindung.

1. Berech­nung des Kohlenstoffanteils:

Gege­ben: m(CO2)=88g, M(CO2)=44g/mol

Gesucht: n©, Neben­be­din­gung: n© = n(CO2), da in einem Mole­kül Koh­len­stoff­di­oxid ein Koh­len­stoff­atom ent­hal­ten ist

allg. gilt: M=m/n <=> n=m/M

ein­set­zen: n(CO2) = m(CO2)/M(CO2) = 88g/44g/mol = 2mol

Die gesam­te Stoff­por­ti­on der Ver­bin­dung ent­hält 2mol Kohlenstoffatome.

2. Berech­nung des Wasserstoffanteils

Gege­ben: m(H2O)=22,5g, M(H2O)=18g/mol

Gesucht: n(H), Neben­be­din­gung: n(H) = 2*n(H2O), da in einem Was­ser­mo­le­kül zwei Was­ser­stoff­ato­me vor­han­den sind

allg. gilt: M=m/n <=> n=m/M

ein­set­zen: n(H2O) = m(H2O)/M(H2O) = 22,5g/18g/mol = 1,25mol

n(H) = 2*n(H2O) = 2*1,25mol = 2,5mol

Die gesam­te Stoff­por­ti­on der Ver­bin­dung ent­hält 2,5mol Wasserstoffatome.

Damit gilt für das Ver­hält­nis zwi­schen Koh­len­stoff- und Was­ser­stoff­ato­men in der Verbindung:

n©:n(H) = 2:2,5 = 4:5 (es gibt ja nur gan­ze Atome)

3. Berech­nung der Mola­ren Mas­se der Verbindung

Gege­ben: m(Stoffportion) = 5,8g, V(Stoffportion) = 2,4L, Vm(Stoff­por­ti­on) = 24L/mol

Gesucht: M(Stoffportion)

Ansatz: m(Stoffportion)/m(von einem Mol Stoff­por­ti­on) = V/Vm

ein­set­zen: 5,8g/x g/mol = 2,4L/24L/mol <=> x = 58g/mol

Gesucht ist also eine Ver­bin­dung, für die gilt:

n©:n(H) = 4:5 und M = 58g/mol

Ergeb­nis:

C4H10

Auf­ga­be:

Dir ist die all­ge­mei­ne Sum­men­for­mel der ein­fachs­ten orga­ni­schen Ver­bin­dun­gen, den Alka­nen, bekannt. Sie lautet:

CnH2n+2

Ent­wick­le selbst eine Auf­ga­be zur quan­ti­ta­ti­ven Ana­ly­se für eine Ver­bin­dung mit z.B. n=5,9,18… Las­se die­se von einem Lernpartner/einer Lern­part­ne­rin gegen­rech­nen. Ach­te dar­auf, dass du dabei die Zah­len­ver­hält­nis­se nicht zu leicht wählst. 

Hin­weis:

Die­ses Mate­ri­al lässt sich auch als PDF oder ODT (Open­Of­fice) herunterladen.

Reaktionsmechanismen: Pfeile und Halbpfeile

Manch­mal stol­pe­re ich über Sach­ver­hal­te, die so ein­leuch­tend und sim­pel sind, dass ich mich fra­ge, war­um sie nicht zum Stan­dard­re­per­toire eines jeden Che­mie­lehr­bu­ches für die Schu­le gehö­ren. Ich bin heu­te zum ers­ten Mal auf Halb­pfei­le zur Kenn­zeich­nung einer homo­ly­ti­schen Spal­tung eines Elek­tro­nen­paa­res in Zusam­men­hang mit der radi­ka­li­schen Sub­sti­tu­ti­on an Alka­nen gestoßen:

Hal­ber Pfeil, ein Pfeil­spit­zen­ha­ken = Ver­la­ge­rung eines Elek­trons. Die Voll­pfei­le, zwei Pfeil­spit­zen­ha­ken = Ver­la­ge­rung eines Elek­tro­nen­paars ken­nen wir aus den „Buch­me­cha­nis­men“ hin­ge­gen zur Genüge:

Nach­schau­en kann man das in die­sem Video:

Weil ich es nicht glau­ben woll­te, habe ich wei­ter­ge­sucht und das hier ent­deckt. Es scheint etwas dran zu sein. Und war­um steht es nicht in mei­nen Unter­richts­wer­ken? Die radi­ka­li­sche Sub­sti­tu­ti­on lässt sich so viel ein­fa­cher mecha­nis­tisch erklä­ren. Hat jemand ein aktu­el­les Orga­ni­kum zur Hand? Tja – vie­le Ver­la­ge sind in Sachen inhalt­li­cher Qua­li­tät dem Inter­net nach eige­nen Beteue­run­gen weit über­le­gen. Nunja.

CSB-Wert: Massenäquivalente Sauerstoff berechnen

Der CSB-Wert dient dazu, Aus­sa­gen über den Umfang orga­ni­scher Ver­un­rei­ni­gun­gen von Was­ser zu tref­fen. Orga­ni­sche Ver­bin­dun­gen sind in der Regel gut oxi­dier­bar, damit liegt es nahe, die­se quan­ti­ta­tiv durch den Ein­satz eines star­ken Oxi­da­ti­ons­mit­tels wie etwa Kali­um­per­man­ga­nat oder Kali­um­dichro­mat zu bestim­men. In der Pra­xis macht man das dadurch, dass man vor­ge­be­ne­ne Volu­mi­na an Kali­um­dichro­mat- oder Kali­um­per­man­ganana­t­lö­sung mit bekann­ter ent­hal­te­ner Stoff­men­ge zusam­men mit einer Was­ser­pro­be unter Rück­fluss erhitzt und die Rest­men­ge an Oxi­da­ti­ons­mit­tel durch Titra­ti­on bestimmt – direkt oder gar durch Rück­ti­tra­ti­on. Somit kann man Aus­sa­gen über den Oxi­da­ti­ons­mit­tel­ver­brauch treffen.

Dum­mer­wei­se ist der CSB-Wert über den che­mi­schen Sau­er­stoff­be­darf defi­niert, weil in Was­ser gelös­ter Sau­er­stoff nor­ma­ler­wei­se beim Abbau orga­ni­scher Sub­stan­zen in der Natur zumin­dest indi­rekt als allei­ni­ger Ener­gie­lie­fe­rant für aero­be Mikro­or­ga­nis­men eine Rol­le spielt. Dar­aus ergibt sich die Not­wen­dig­keit, den Ver­brauch an Oxi­da­ti­ons­mit­tel in den fik­ti­ven Ver­brauch an Sau­er­stoff umzurechnen.

Kon­kret könn­te eine Fra­ge lauten:

Wie viel Mil­li­gramm Kaliumpermanganat/Kaliumdichromat ent­spre­chen dem Oxi­da­ti­on­ver­mö­gen von einem Mil­li­gramm Sauerstoff?

Wei­ter­le­sen

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