Der Philosophieprofessor
Es war ein langer Tag an der Uni, zum Kochen hatte ich keine Lust, also ging ich in die nahegelegene Studentenkneipe, in der früher über der Bar noch eine Lehmann-Eisenbahn im Pendelbetrieb verkehrte. Es gab keinen Tisch mehr. Nur noch ein Platz war frei. Daran saß ein Philosophieprofessor, bei dem ich ein Proseminar für das für Lehrämter obligatorische Philosophicum besuchte. Ich weiß nicht, was mich geritten hat, aber ich fragte ausgerechnet ihn, ob der Platz noch frei wäre. Die Geschichte endete in einem sehr persönlichen Gespräch und mit einer beglichenen Rechnung für mich: „Sie sind Student, ich bin Professor, Ihren Stolz können Sie weder essen, noch am Wochenende in eine Bar tragen – ich erledige das für Sie“.
Das Gespräch wanderte von einem Thema zum anderen – ein Satz beschäftigt mich bis heute: Er sagte, dass es arrogant von den Philosophen wäre zu glauben, dass allein ihre Tätigkeit des Denkens sie in ihrer Existenz rechtfertigen würde. Philosophen müssten sich seiner Meinung nach überlegen, wie sie unserer Gesellschaft fern von Elfenbeintürmen dienen könnten, in Wirtschaftsbetrieben, in NGOs, wo auch immer. Diese Gedanke verwirrte mich ebenso wie ein neuer physikalischer Bewegungsbegriff – fern ab von Newton. Mit Diogenes existiert innerhalb der Philosophie in romantischer Verklärung das Bild des Denkens um des Denkens Willen und in meiner damaligen Unerfahrenheit war ebendieses Bild so fest verankert.