These: Im Fernunterricht wird viel sichtbar, was im Alltag eher verborgen ist

Es gibt Kolleg*innen, die mit viel Witz und Krea­ti­vi­tät von Schüler*innen aus den­ken und in der schul­frei­en Zeit für Eltern und Schüler*innen in beson­de­rer Wei­se sicht­bar sind. Es gibt Schu­len, die alles dar­an set­zen, dass durch Struk­tu­ren im Rah­men des Mög­li­chen wenigs­tens gewähr­leis­tet ist, dass Eltern sich nicht auch noch mit der Kor­rek­tur von gestell­ten Auf­ga­ben befas­sen müs­sen und die Auf­ga­ben auch phy­sisch für die­je­ni­gen zugäng­lich machen, die zu Hau­se nicht über die not­wen­di­ge Aus­stat­tung ver­fü­gen (Dru­cker, PC, Lap­top). Im ein­fachs­ten Fall sind das nach Schul­klas­sen geord­ne­te lee­re Dru­cker­pa­pier­kar­tons, in denen Arbeits­ma­te­ri­al aus­ge­druckt vor oder in gro­ßen Räu­men inner­halb der Schu­le ausliegt.

Das löst nicht das Pro­blem, wie das Mate­ri­al schließ­lich zu den Schüler*innen nach Hau­se kommt. Ins­be­son­de­re bei wei­ter­füh­ren­den Schu­len in der Flä­che (Gym­na­si­en, BBSen) ist das ein schier unlös­ba­res Pro­blem. Grund­schu­len und Ober-/Re­al-/Haupt­schu­len sind meist wohn­ort­nah mit dem Fahr­rad erreich­bar (Und selbst das ist hier im Land­kreis Clop­pen­burg manch­mal ein anstän­di­ges Stück). Da bräuch­te man eigent­lich noch „Base­camps“ in den weit außer­halb lie­gen­den Dörfern.

Das löst auch nicht das Pro­blem, dass Kolleg*innen oft nicht beson­ders gut aus­ge­stat­tet sind. Aller­dings soll­te Zugriff auf das Inter­net, Tele­fon und einen Rech­ner hier meist gege­ben sein. Eini­ge Land­kreis­schu­len haben hier sogar Dienst-iPads für die Kolleg*innen erhal­ten. Gleich­wohl mag es an Fort­bil­dung dazu feh­len – inwie­weit ist aber gera­de jetzt erwart­bar, dass man sich mit der Mate­rie beschäf­tigt? Ich weiß es nicht …

Gele­gent­lich kommt es vor, dass beson­ders enga­gier­te Kolleg*innen jetzt Pro­ble­me bekom­men. Sie wür­den „Stan­dards“ set­zen, die für ande­re uner­füll­bar sind. Und es gibt dem­entspre­chend dann Gegen­wind von unter­schied­li­chen Seiten.

Ich glau­be nicht, dass die­se Pro­ble­me jetzt auf­tre­ten – sie wer­den jetzt nur ganz beson­ders deut­lich. Kin­der erzäh­len im All­tag wenig. Im „Fern­un­ter­richt“ sind Eltern ziem­lich unmit­tel­bar mit Kolleg*innen in Inter­ak­ti­on – oder eben auch gera­de nicht.

Ich bin bewusst nicht in der Posi­ti­on einer Schul­lei­tung. Ich den­ke, dass enga­gier­te Kolleg*innen gera­de jetzt ganz beson­ders wich­tig für Schüler*innen sind. Sie ver­die­nen m.E. Aner­ken­nung und beson­de­ren Schutz.

Die Lösung kann für mich eigent­lich nur sein, sich Arbeit soli­da­risch in Fach­teams zu tei­len. Der/die eine ist her­vor­ra­gend im Erstel­len digi­ta­ler Lern­pfa­de. Die/der ande­re hat eine hohe Kom­pe­tenz beim Kor­ri­gie­ren von Tex­ten. Wenn Stär­ken ein­zel­ner koor­di­niert zusam­men­kom­men, soll­te Ler­nen auch inner­halb eines Kol­le­gi­ums mög­lich sein. Viel­leicht bleibt ja davon sogar etwas Brauch­ba­res übrig für den All­tag nach Corona?

Das zu orga­ni­sie­ren kann in gro­ßen Schu­len nicht die Schul­lei­tung allei­ne stem­men. Ins­be­son­de­re Fach­ob­leu­te und Team­lei­tun­gen wer­den in gro­ßen Sys­te­men dabei eine Rol­le spie­len müs­sen sowie jeder ein­zel­ne mit größt­mög­li­cher Offen­heit – aber kön­nen Fach­ob­leu­te Men­schen und Kolleg*innen in ihren Arbeits­ab­läu­fen wirk­lich struk­tu­rie­ren? Woher hät­ten sie das ler­nen sollen?

Schul­lei­tung ist aber für mich ganz zen­tral, die sie allein die Struk­tu­ren für sol­che Arbeits­ab­läu­fe schaf­fen kann. Die Art der bis­he­ri­gen(!) Per­so­nal­füh­rung ent­schei­det wahr­schein­lich dar­über, was mög­lich sein wird und was nicht.

Luxusprobleme

Ich habe das viel­leicht auf Dau­er zwei­fel­haf­te Glück, schon seit ein­ein­halb Jah­ren kei­nen eige­nen Unter­richt mehr geben zu müs­sen – aber jeder­zeit zu kön­nen (ich war immer­hin schon ein­mal an einer Grund­schu­le und einer berufs­bil­den­den Schu­le). Ich arbei­te an einem fan­tas­tisch auf­ge­stell­ten Medi­en­zen­trum. Mein Land­kreis schafft gera­de nahe­zu para­die­sisch anmu­ten­de Ausstattungsszenarien:

  • jede Schu­le hat die Mög­lich­keit, über Glas­fa­ser mit einer Inter­net­an­bin­dung ver­sorgt zu wer­den – bei man­chen wird es aber schlicht an den Betriebs­kos­ten schei­tern – die müs­sen dann hier meist mit einem „lum­pi­gen DOCSIS3.1‑Vodafone-Anschluss“ vor­lieb neh­men – immer­hin auch 500–1000Mbit/s zumin­dest im Down­stream. Vor­erst ist es noch oft der alte T@School-Anschluss – zumin­dest bei klei­nen Trägern.
  • ich bin sehr guter Hoff­nung, dass durch den Digi­tal­pakt hier mas­siv in die digi­ta­le Infra­struk­tur von Schu­len inves­tiert wird. Allem Anschein nach wer­den alle Trä­ger die För­der­mit­tel maxi­mal aus­schöp­fen. Gera­de eben tru­deln hier die ers­ten Bewil­li­gungs­be­schei­de aus den Kom­mu­nen ein, die auch wir dazu bera­ten haben.
  • ich bin fest in der Bera­tung der meis­ten Trä­ger ein­ge­bun­den. Der Digi­tal­pakt ist ein Tür­öff­ner in Gemein­den und Schu­len, die für mich bis­her uner­reich­bar waren.
  • ich kann in Bera­tun­gen ver­schie­de­ne Schu­len – meist in einer Trä­ger­schaft – bün­deln und ganz neben­bei durch Auf­ga­ben­tei­lung die Vor­tei­le des ver­netz­ten Arbei­tens (nicht pri­mär mit Gerä­ten, son­dern mehr im Den­ken) zei­gen oder zumin­dest ein zar­tes Saat­korn setzen.
  • die Aus­stat­tun­gen in den ver­schie­de­nen Trä­ger­schaf­ten sind durch­aus unter­schied­lich – man­che sind viel wei­ter als ande­re. Aber allen ist sehr klar, dass Kom­pe­ten­zen in einer digi­ta­li­sier­ten Welt ande­re als vor­her sind und ihr Vor­han­den­sein ein immenser Stand­ort­fak­tor ist: Nach lan­gem War­ten auch in der Grundschule.
  • ich kann ganz unter­schied­li­che Fort­bil­dungs­for­ma­te erpro­ben. Man­ches ist der schlich­ten Prag­ma­tik geschul­det (Maik am iPad?), in man­chem steckt viel Herz­blut – z.B. durch den anste­hen­den vor­sich­ti­gen Auf­bau der ers­ten Blen­ded-For­ma­te (Soft­ware­ba­sis: Doku­Wi­ki + Big­BlueBut­ton). Was ich in die­sem Bereich gemein­sam mit mei­nem Team mache, ist offen zugäng­lich. Die Nach­fra­ge ist hoch. Ich kann mit Kolleg*innen arbei­ten, die an ihren Schu­le heu­te Din­ge bewe­gen und das ausschließlich.
  • auf Lan­des­ebe­ne kommt ganz viel zusam­men, was zusam­men gehört, z.B. Medi­en­be­ra­tung, Schul­ent­wick­lungs­be­ra­tung und Bera­tung für Unter­richts­qua­li­tät. Aus Namen wer­den Gesich­ter, in gemein­sa­men Tref­fen ent­steht Ver­trau­en über eins­ti­ge Sys­tem­gren­zen hin­weg, u.a. weil ful­mi­nan­te Ver­net­zer am Werk sind, z.B. die­ser hier.
  • ich habe Ein­bli­cke in nahe­zu jede in Nie­der­sach­sen denk­ba­re Schulform
  • ich kann mich im Prin­zip zu belie­bi­gen The­men in kur­zer Zeit „auf­la­den“, weil ich Arbeits­zeit recht frei gestal­ten kann.

Es läuft natür­lich nicht alles glatt. Jeden Tag gibt es auch Ent­täu­schun­gen, Unsi­cher­hei­ten, Fra­gen und hin und wie­der sehr erns­te Kon­flik­te, die um Mona­te zurück­wer­fen. Ob z.B. in dem sehr inte­gra­lem Teil der Orga­ni­sa­ti­on von Schul­sup­port Sta­bi­li­tät ein­kehrt, ist für mich immer wie­der zwei­fel­haft. Aber es gibt einen unbe­ding­ten Wil­len auf Sei­ten der Trä­ger und auch ein wenig „Kamp­fes­lust“, über Spit­zen­ver­bän­de mit dem Land noch ein­mal ernst in Klau­sur über z.B. die künf­ti­ge Kos­ten­tei­lung zu gehen.

Ich bin auf sehr vie­len unter­schied­li­chen Ebe­nen unter­wegs. Mei­ne Posi­ti­on ist sehr ein­zig­ar­tig. Ohne Unter­richt fehlt aber auch etwas. Ande­rer­seits macht mich der zuneh­mend ver­lo­ren­ge­hen­de Kon­takt zum All­tags­ge­schäft auch pro­duk­tiv abhän­gig: Wenn ich etwas errei­chen will, muss ich viel zuhö­ren, mich auf Mei­nun­gen der­je­ni­gen stüt­zen, die nicht der­ma­ßen pri­vi­le­giert sind.

Ich glau­be, dass ich mitt­ler­wei­le gar nicht mehr ans Gym­na­si­um gehö­re. Her­aus­for­dern­de Viel­falt gäbe es an einer berufs­bil­den­den Schu­le – da sitzt schließ­lich die gesam­te Gesell­schaft. Oder auf eine Abord­nung zu einer päd­ago­gi­schen Hoch­schu­le hin­ar­bei­ten? Viel­leicht in ein Aus­bil­dungs­se­mi­nar gehen? Wenn man einen Quer­schlä­ger wie mich da haben will und über­haupt aus­hal­ten kann – die Medi­en­be­ra­tung erträgt mich leid­lich :o)… (und solan­ge blei­be ich dort auch mit einem Groß­teil mei­ner Stun­den). Alles Mög­lich­kei­ten, die ande­re Men­schen viel­leicht gar nicht haben oder für sich nicht sehen.

Über Weih­nach­ten habe ich mir von unse­rer Medi­en­ethi­ke­rin (schaut unbe­dingt mal das Mate­ri­al ihres Arbeits­krei­ses dazu an, z.B. hier und hier) eine Ocu­lus Quest gelie­hen. Zwi­schen den Fei­er­ta­gen wird es hier viel Spaß mit VR geben. Man muss ja schließ­lich über künf­ti­ge poten­ti­el­le Bera­tungs­ge­gen­stän­de infor­miert sein… Man soll­te sich noch klar machen, dass die Sen­so­ren­pha­lanx die­ses Gerä­tes wirk­lich fast alles an Bewe­gungs- und sons­ti­gen Tele­me­trie­da­ten mit hoher Prä­zi­si­on nach Hau­se zu Tan­te Goog­le funkt.

Das nächs­te Medi­en­zen­trum-Bas­tel­pro­jekt steht auch an: Alle Inhal­te unse­res Infor­ma­tik­pro­jek­tes neu didak­ti­sie­ren und als fer­ti­gen Ver­leih­kof­fer anbie­ten: Aller­dings – Cal­lio­pe raus (super Gerät, aber nicht für Grund­schu­le) und Blue­Bots rein – dann fällt viel zeit­fres­sen­des Gebas­tel für den glei­chen Zweck weg.

 

 

 

Auszüge aus Schülerarbeiten auf Socialmedia veröffentlichen

… oder auch z.B. Kor­rek­turt­weets mit Zita­ten. Ich wer­de mich jetzt unbe­liebt machen, weil ich wahr­schein­lich ein Tabu anspreche.

Ich als Elternteil …

Soll­te ich bei mei­nen Kin­dern erle­ben, dass (Teil-)Scans oder Zita­te, die ich zuord­nen kann, öffent­lich auf Social­me­dia zur Schau gestellt oder dis­ku­tiert wür­den, gin­ge ich zu aller­erst zum Vor­ge­setz­ten der betref­fen­den Lehr­kraft und – falls das nichts bringt – eine Ebe­ne wei­ter. Als Eltern­teil muss ich mich nicht an Dienst­we­ge hal­ten. Ich wür­de nicht zuerst mit der betrof­fe­nen Lehr­kraft spre­chen. Ich fin­de, dass die­ses Ver­hal­ten eini­ges aus­sagt, was sofort eine Beschwer­de bei höhe­ren Ebe­nen rechtfertigt.

Ich als Lehrkraft …

… erle­be bei Kor­rek­tu­ren viel Frust. Ich mag die­se Arbeit nicht beson­ders und muss sehr viel Ener­gie auf­wen­den, um mich bei der Stan­ge zu hal­ten. Ich kann die­sen Frust meist nicht direkt mit jeman­dem tei­len, obwohl ich ein gro­ßes Bedürf­nis danach habe. Aus einem ers­ten Impuls her­aus, nei­ge ich oft dazu, dabei Din­ge schrei­ben zu wol­len, die den häus­li­chen Bereich eigent­lich nicht ver­las­sen soll­ten, durch die ich aber u.U. viel Beach­tung erhal­te, z.B. durch Men­schen, die mir mit­tei­len, dass sie mich ver­ste­hen oder Ähn­li­ches erle­ben. Des­we­gen habe auch ich schon Tweets wie­der gelöscht. Die Selbst­kon­trol­le (oder etwas nega­ti­ver for­mu­liert: Selbst­zen­sur) klappt mitt­ler­wei­le immer besser.

Die Admi­nis­tra­ti­on …

… sagt, dass Arbei­ten von Schü­le­rin­nen und Schü­ler immer auch eine gewis­se Schöp­fungs­hö­he haben, also ein Werk gemäß dem Urhe­ber­recht dar­stel­len dürf­ten. Für eine Ver­öf­fent­li­chung – auch in Tei­len – bräuch­te ich beim Vor­lie­gen die­ser Schöp­fungs­hö­he eine Ein­wil­li­gung des Betrof­fe­nen – wenn er noch nicht voll­jäh­rig ist eben die sei­ner Erzie­hungs­be­rech­tig­ten. Wei­ter­hin unter­lie­gen Arbei­ten eines Schü­lers dem beson­de­ren Schutz des Amts­ge­heim­nis­ses – ins­be­son­de­re wenn es sich dabei um beno­tungs­re­le­van­te Tex­te oder sons­ti­ge Klau­sur­aus­zü­ge han­delt. Es wäre zu klä­ren, inwie­weit die­ses Amts­ge­heim­nis durch eine Ver­öf­fent­li­chung von Aus­zü­gen gewahrt bleibt – immer­hin ist es in man­chen Bun­des­län­dern sogar expli­zit unter­sagt, Ereig­nis­se, von denen ich im Rah­men des Amts­ge­heim­nis­ses Kennt­nis erhal­ten habe, lite­ra­risch zu verarbeiten.

Die päd­ago­gi­sche Dimension …

Darf ich Tei­le dei­ner Klau­sur mit mei­nen Kor­rek­tu­ren und einem Kom­men­tar auf Social­me­dia ver­öf­fent­li­chen?“ Ler­nen braucht in mei­nen Augen auch geschütz­te Räu­me, in denen Feh­ler fol­gen­frei blei­ben. Ich möch­te nicht die Arbeit irgend­ei­nes Schü­lers dem Gebah­ren auf Social­me­dia aus­set­zen. Für mich ist das ein gro­ber Ver­trau­ens­bruch. Die Hand­schrift eines Men­schen ist ein­zig­ar­tig und damit für mich ein ein­deu­ti­ges, per­so­nen­be­zo­ge­nes Merk­mal – auch schon in der Grund­schu­le. Zumin­dest der Betrof­fe­ne wird sei­ne Schrift wie­der­erken­nen Ich möch­te als Schü­ler nicht in die Lage kom­men, mei­ne unvoll­kom­me­nen Tex­te irgend­wo auch nur in Tei­len ver­öf­fent­licht zu sehen. Mir reicht das, was ich hier schon teil­wei­se an „gut gemein­ten“ Berich­ti­gun­gen als Zusen­dun­gen erhal­te (nicht in der Sache, aber oft genug im Tonfall).

Wann habe ich Schü­ler­ar­bei­ten veröffentlicht?

Bei­de Punk­te müs­sen für mich zutreffen:

  1. Ich habe den Schü­ler vor­her gefragt.
  2. Ich bin mir sicher, dass die Leis­tung des Schü­lers ent­we­der posi­tiv dar­ge­stellt ist oder der Kon­text einen Erkennt­nis­ge­winn für Drit­te bie­tet, den ich dem Schü­ler ver­mit­teln kann.

Hier lagern auf ver­schlüs­sel­ten Fest­plat­ten­be­rei­chen noch diver­se Schät­ze: Freie Reden mit viel Witz, außer­or­dent­li­che Tex­te, Bil­der aus dem Unter­richt, Fotos von Stand­bil­dern usw.. Alles gäbe wun­der­ba­re und lehr­rei­che Blog­ar­ti­kel ab. Für mich. Aber um mich geht es in die­sem Fal­le eher ganz viel weniger.

Eine Doppelstunde zu „Neue Liebe, neues Leben“

… wahl­wei­se metho­disch über­trag­bar auf ande­re Texte.

Neue Lie­be, neu­es Leben 

Johann Wolf­gang von Goe­the

Herz, mein Herz, was soll das geben? 

Was bedrän­get dich so sehr? 

Welch ein frem­des, neu­es Leben ! 

Ich erken­ne dich nicht mehr. 

Weg ist alles was du liebtest, 

Weg, war­um du dich betrübtest, 

Weg dein Fleiß und dei­ne Ruh – 

Ach, wie kamst du nur dazu ! 

 

Fes­selt dich die Jugendblüte, 

Die­se lieb­li­che Gestalt, 

Die­ser Blick voll Treu und Güte 

Mit unend­li­cher Gewalt? 

Will ich rasch mich ihr entziehen, 

Mich erman­nen, ihr entfliehen, 

Füh­ret mich im Augenblick, 

Ach, mein Weg zu ihr zurück. 

 

Und an die­sem Zauberfädchen, 

Das sich nicht zer­rei­ßen lässt, 

Hält das lie­be lose Mädchen 

Mich so wider Wil­len fest; 

Muss in ihrem Zauberkreise 

Leben nun auf ihre Weise. 

Die Ver­än­de­rung, ach, wie groß! 

Lie­be! Lie­be! Laß mich los!

 

Auf­ga­ben:

  1. Sam­melt gemein­sam in eurer Grup­pe eure Beob­ach­tun­gen zu Spra­che (rot), Form (grün) und Inhalt (blau) auf dem bei­gefüg­ten, far­bi­gen Zet­teln. (15 Minuten)
  2. Über­legt euch gemein­sam eine geeig­ne­te Inter­pre­ta­ti­ons­hy­po­the­se. Notiert die­se für alle deut­lich sicht­bar vor­ne am SMART­Board. (15 Minuten)
  3. Teilt euch auf in: Ein­lei­tung, For­ma­les, Spra­che, Inhalt. Jeder schreibt zu sei­nem Teil­aspekt einen zusam­men­hän­gen­den Text, der zu eurer Inter­pre­ta­ti­ons­hy­po­the­se passt. (30 Minuten)
  4. Prä­sen­tiert euer Arbeits­er­geb­nis nach fol­gen­dem Ablauf:
  • Stellt eure Grup­pe mit Namen vor
  • Tragt eure Tex­te in fol­gen­der Abfol­ge vor: Ein­lei­tung, Inter­pre­ta­ti­ons­hy­po­the­se, for­mal Ana­ly­se, sprach­li­che Ana­ly­se, inhalt­li­che Analyse.

 

Hin­weis:

Ihr dürft euer Han­dy benut­zen, um Wor­te zu klä­ren. Ver­mei­det aber bit­te die Über­nah­me von Tex­ten aus „Hausaufgabenseiten“ etc.

Das Gan­ze gibt es auch als Arbeits­blatt (ODT, PDF). Die Prä­senz meh­re­rer Inter­pre­ta­ti­ons­hy­po­the­sen hilft bei der Selbst­re­fle­xi­on des eige­nen Ergeb­nis­ses. Die Grup­pen­ar­beit ist bewusst so ange­legt, dass jeder aus der Grup­pe eine Auf­ga­be zu erle­di­gen hat, es aber auch Pha­sen des gemein­sa­men Aus­tau­sches gibt. Es kom­men natür­lich kei­ne voll­stän­dig geschlos­se­nen Tex­te her­aus. Es bie­tet sich aber an, in z.B. einer Haus­auf­ga­be die Über­lei­tun­gen zwi­schen den Text­bau­stei­nen gestal­ten zu las­sen. Dafür wäre es gut, wenn die Tex­te schon digi­tal, z.B. in Form eines Blog­ein­tra­ges vorliegen.

Arbeit an Strukturen

Schon vor den Som­mer­fe­ri­en ergab sich auf Twit­ter eine für mich sehr inter­es­san­te Fra­ge­stel­lung. Kern war die Dis­kus­si­on, inwie­weit Arbeit an Struk­tu­ren außer­halb der eige­nen Per­son sinn­voll und mög­lich ist. Ich habe die­se Fra­ge auch noch ein­mal auf einer SchiLF auf­ge­wor­fen. Ich gebe eine paar State­ments aus bei­den Quel­len wie­der, die ich nur sinn­ge­mäß zusammenfasse:

Ver­än­dern kannst du dich nur selbst. An den Struk­tu­ren, die dich umge­ben, arbei­test du dich kaputt.“

Wenn du für dich sorgst, dann haben du und dei­ne SuS viel gewonnen.“

Wenn immer mehr Men­schen so den­ken und han­deln, dann wird sich auf lan­ge Sicht auch die Struk­tur verändern.“

[…]

Dahin­ter steckt ja eine Hal­tung, aber eben auch eine Erfah­rung mit dem bestehen­den Sys­tem. Es geht nicht mehr um „Bil­dung hacken“, son­dern offen­kun­dig – sehr über­spitzt for­mu­liert – um die Schaf­fung indi­vi­du­el­ler Wohl­fühl­b­la­sen – Stress und Anfein­dun­gen gibt es im Sys­tem ja wahr­lich schon genug.

Ich hal­te das für eine Kapi­tu­la­ti­on. Und ich hal­te das für eine Auf­ga­be eines soli­da­ri­schen Prin­zips. Mei­ne Wohl­fühl­b­la­se nützt näm­lich einem Gegen­über ggf. gar nichts, weil es u.U. nicht ein­mal mehr in der Lage ist, von mir die Struk­tur „Auf­bau einer Wohl­fühl­b­la­se“ zu über­neh­men. Selbst wenn, wür­de dann irgend­wann die Anfor­de­rung von Links zwi­schen den Bla­sen ent­ste­hen, wodurch der Stress wie­der beginnt. Klar – ich könn­te mich selbst jetzt vie­ler posi­ti­ver Aspek­te mei­ner exis­tie­ren­den Bla­se rüh­men, aber ich bekom­me damit zuneh­mend Schwierigkeiten.

Man wird mir ent­ge­gen­hal­ten, dass der Auf­bau von Wohl­fühl­b­la­sen sowohl ein Recht als auch eine Not­wen­dig­keit ist, um selbst gegen destruk­ti­ve Ein­flüs­se zu bestehen. Schließ­lich ist ja nichts damit gewon­nen, in selbst­zer­stö­re­ri­schen Aktio­nen im Meer der Selbst­aus­beu­tung oder men­schen­ver­ach­ten­den Zynis­mus zu versinken.

Wenn ich mit mei­nem begrenz­ten his­to­ri­schen Hori­zont in die Geschich­te schaue, fällt mir aber kei­ne nach­hal­ti­ge Struk­tur­ver­än­de­rung ein, die sich in der Wohl­fühl­zo­ne abge­spielt hat, son­dern sehr oft waren die­se Umwäl­zun­gen mit per­sön­li­chem Risi­ko aller Akti­ven verbunden.

Daher glau­be ich nicht in Aus­schließ­lich­keit an das Konzept

Wenn vie­le Men­schen an vie­len klei­nen Orten klei­ne Din­ge tun, wird sich das Gesicht der Welt verändern.“

Aber wie ändert man Struk­tu­ren ohne dar­an zu scheitern?

Zunächst ein­mal glau­be ich, dass das Schei­tern selbst eine unaus­weich­li­che Neben­wir­kung eines sol­chen Vor­ha­bens ist. Jede Struk­tur hat aber Schwä­chen, die sie nur bedingt zu kom­pen­sie­ren ver­mag. Effi­zi­ent sind Men­schen, die die­se Schwä­chen gezielt fin­den und aus­nut­zen kön­nen. Was geschieht z.B., wenn sich an Schu­len mit Han­dy­be­nut­zung­ver­bot alle SuS ganz offen nicht dar­an halten?

Ein maka­bres Mus­ter­bei­spiel ist in mei­nen Augen dabei der Ter­ro­ris­mus. Er schafft es mit extrem wenig Res­sour­cen und geziel­ten, exem­pla­ri­schen Schlä­gen, Gesell­schaf­ten zu ver­än­dern. Ver­gli­chen mit ande­ren Bedro­hun­gen sind die Todes­zah­len bei ter­ro­ris­ti­schen Anschlä­gen sehr gering. Den­noch wird kei­ne ande­re Struk­tur so oft dazu her­an­ge­zo­gen, Sys­tem­ver­än­de­run­gen im Hin­blick auf ver­rin­ger­te Frei­heit des Ein­zel­nen zu recht­fer­ti­gen und zuneh­mend auch durch­zu­set­zen. Das schafft in mei­nen Augen der Ter­ro­ris­mus dadurch, dass er Struk­tu­ren der öffent­li­chen Ord­nung bedroht: Mit wenig Auf­wand stellt er die Funk­ti­ons­fä­hig­keit staat­li­cher Exe­ku­ti­ve in Fra­ge und ver­rin­gert so das indi­vi­du­el­le Sicher­heits­emp­fin­den. Damit zer­stört er eine funk­ti­ons­fä­hi­ge Struk­tur kei­nes­wegs – er greift sie nur par­ti­ell in einer sehr destruk­ti­ven Art und Wei­se an – jedoch unglaub­lich effi­zi­ent und zwingt sie so zu gra­vie­ren­den struk­tu­rel­len Ver­än­de­run­gen. Wer mehr dar­über wis­sen möch­te und auch im die dahi­ner­ste­hen­den Gedan­ken­gän­ge, möge sich die ent­spre­chen­de TNG-Fol­ge anschau­en, die genau die­ses Phä­no­men schon weit vor 9/11 the­ma­ti­siert hat.

Kei­ne Sor­ge – jetzt kommt nicht der Auf­ruf, Pflas­ter­stei­ne und Molo­tow­cock­tails gegen Ver­wal­tungs­ge­bäu­de der Kul­tus­bü­ro­kra­tie zu wer­fen. Jetzt kommt – wie immer – ein fik­ti­ves Bei­spiel, das im Schul­all­tag so  – natür­lich – nie, nie vor­kommt und an den ich zei­gen will, was Arbeit an Struk­tu­ren für mich bedeu­ten kann. Es geht um eine Fach­schaft, die etwas für den Unter­richt beschaf­fen möch­te. Die Struk­tur könn­te so aussehen:

Mit dem dem „Wohl­fühl­b­la­sen­an­satz“ wird sich die­se Struk­tur wie­der und wie­der wie­der­ho­len. Ich per­sön­lich kann mir eine ande­re Struk­tur vorstellen:

Arbeit an Struk­tur bedeu­tet für mich dann „nichts“ wei­ter als mir dar­über Gedan­ken zu machen, wie ich Impul­se set­zen kann, um die ein­ge­fah­re­ne, ers­te Struk­tur zu ver­än­dern, die u.U. natür­lich gewach­sen ist und auch ihre Berech­ti­gung hat. Das Ändern die­ser Bei­spiel­struk­tur, die kei­nes­wegs nur typisch für das Sys­tem „Schu­le“ ist, birgt Risiken:

  1. Es wur­de u.U. immer schon so gemacht und ist „demo­kra­tisch“ akzeptiert
  2. Eine Meta­ebe­ne, d.h. Nach­den­ken über die eige­nen Struk­tu­ren tut immer weh, weil sie weni­ger als Chan­ce, son­dern als Kri­tik inter­na­li­siert ist.
  3. Es wird u.U. als alter­na­tiv­los im Kon­text von Schu­le gese­hen, weil es z.B. kaum „Fach­leu­te“ in aus­rei­chen­der Zahl gibt
  4. Fort­bil­dung bedeu­tet immer Res­sour­cen­auf­wand in Form von Auf­merk­sam­keit und Zeit. Bei­de Güter sind rar. Der tem­po­rä­re Mehr­auf­wand wiegt u.U. schwe­rer als die Per­spek­ti­ve kon­ti­nu­ier­li­cher Ent­las­tun­gen bzw. Erleichterungen
  5. […]

Es gibt also genug Punk­te, an denen man bei sei­nem Vor­ha­ben, die­se Struk­tur zu ändern, schei­tern kann, was schon bei die­sem klei­nen Bei­spiel zu star­ken Stö­run­gen in der eige­nen Wohl­fühl­b­la­se führt.

Aber ist es effek­tiv, das in die­ser Fom wei­ter­lau­fen zu las­sen und ein­fach dar­auf zu war­ten, dass mehr Men­schen das ähn­lich sehen (aber dann auch nicht ihre Wohl­fühl­b­la­se ver­las­sen)? – wie­der sehr über­spitzt, klar.

Ich den­ke, dass jedem in sei­nem Umfeld Struk­tu­ren ein­fal­len, die opti­mier­bar sind. Mini­mal­kon­sens: Ande­re gewäh­ren las­sen, die Struk­tu­ren ver­än­dern wol­len und ihnen offen bzw. min­des­tens neu­tral ent­ge­gen­tre­ten. Sie wer­den ja schon sehen, was sie davon haben, oder?

PS – Workshopidee:

  1. Struk­tu­ren visua­li­sie­ren, die mich ner­ven (z.B. mit Flussdiagrammen)
  2. Gemein­sam mit ande­ren über­le­gen, war­um die­se Struk­tur genau so ist, wie sie ist – aber allein auf Basis der Visualisierung!
  3. Gemein­sam mit ande­ren Schwach­punk­te und Anker­punk­te für Ver­än­de­rungs­an­sät­ze in die­ser Struk­tur erarbeiten
  4. Zurück in der Struk­tur das Erar­bei­te­te ausprobieren
  5. Gemein­sam auf einem wei­te­ren Tref­fen die Ergeb­nis­se vor­stel­len und nachbereiten.
1 2