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Ich und mein Kontext

Lisa Rosa hat einen phä­no­me­na­len Arti­kel zum The­ma geschrie­ben, was kri­ti­sches Den­ken ist. Andre­as Kalt ist für mich die abso­lu­te Refe­renz­klas­se, wenn es um die kon­kre­te Umset­zung und Refle­xi­on von Unter­richts­sze­na­ri­en geht. Wäh­rend ich bei Lisa oft mei­ne Schwie­rig­kei­ten habe, die­sen immens hohen Anspruch an Hal­tun­gen von Lehr­kräf­ten in mei­nem Bera­tungs­all­tag zu inte­grie­ren, kann ich alles von Andre­as kom­plett unterschreiben.

Ich habe kürz­lich einen Vor­trag von Prof. Bas­ti­an zum inklu­si­ven Unter­richt gehört. Des­sen Inhal­te hät­ten mich noch vor weni­gen Jah­ren tief empört – heu­te brin­gen mich die­se Ideen so gedank­li­che Reso­nanz, dass es mir ein Anlie­gen war, die­sen Men­schen noch ein­mal per­sön­lich anzu­spre­chen. Ich bin sehr froh, dass es einen Franz Joseph Röll gibt, der vie­le Teil­ge­ben­de „mei­nes“ Schul­me­di­en­ta­ges irri­tiert hat.

Ja, und ich habe durch­aus auch enge Ver­bin­dun­gen zu Men­schen aus dem Wirt­schafts­be­reich. Es sind erstaun­li­cher­wei­se oft Men­schen, die die­se Idea­le im Her­zen mit­tra­gen, aber natür­lich auch unter einem fir­men­po­li­ti­schen Druck ste­hen, Com­pli­ances umset­zen zu müs­sen. Dahin­ter fin­det sich oft etwas ganz ande­res. Das ist der eigent­li­che Grund, war­um ich Rene Schepp­lers Enga­ge­ment gegen Lob­by­is­mus in der Schu­le zwei­schnei­dig sehe – obwohl ein Tele­fon­ge­spräch da letz­tens viel rela­ti­viert hat.

Mein Leben ist sehr voll von Auf­ga­ben. Ich habe eine sehr gro­ße Fami­lie und ver­brin­ge zur­zeit mei­ne Wochen­en­den auf der Stra­ße und in Sport­hal­len. Beruf­lich bin ich mehr und mehr in Pro­zes­se auf Lan­des­ebe­ne ein­ge­bun­den. Unser Lan­des­in­sti­tut nimmt Stel­lung zu Erlas­sen und Kern­cur­ri­cu­la im Bereich der Medi­en­bil­dung und passt gera­de den Ori­en­tie­rungs­rah­men Medi­en­bil­dung an das neue KMK-Stra­te­gie­pa­pier an. Vor Ort in mei­nem Land­kreis läuft gera­de ein struk­tu­rier­ter Medi­en­ent­wick­lungs­pro­zess (Link zeigt nur Bei­spiel) an. Par­al­lel dazu stei­ge ich immer mehr in Pro­zes­se zur Ent­wick­lung von Medi­en­bil­dungs­kon­zep­ten ein. Ach, und dann läuft noch eine Koope­ra­ti­on zwi­schen Uni­ver­si­tät, Stu­di­en­se­mi­nar und Schu­le an, die zum Ziel hat, Medi­en­bil­dung in allen Pha­sen der Leh­rer­aus­bil­dung zu verankern.

Ich kann das alles tun, weil ich mit einem Groß­teil mei­nes Stun­den­de­pu­tats nicht mehr in der Schu­le bin, son­dern beim NLQ. Trotz­dem ist das jetzt nicht so wenig, was in mei­nem Umfeld so läuft :o)… Es kom­men hau­fen­wei­se exter­ne Anfra­gen, ob wir nicht dies oder jenes auch in ande­ren Regio­nen ansto­ßen kön­nen. Das, was ich weiß, weiß ich, weil ich auf sehr unter­schied­li­chen Ebe­nen im Land unter­wegs bin.

Ich mache das nicht allei­ne, son­dern habe mich bewusst mit Men­schen und Kon­tex­ten umge­ben, die mir ein Umfeld bie­ten, in dem es sich arbei­ten lässt. Dazu zäh­len Ver­bind­lich­kei­ten, Arbeit im Team und Visio­nen. Mein Team trägt mich und macht das, was ich nicht kann – teil­wei­se ohne dass dazu expli­zi­te Abspra­chen not­wen­dig wären.

Ver­wir­rung

Ich bin auch in sozia­len Medi­en unter­wegs. Es ist mir wich­tig mit­zu­be­kom­men, wie Men­schen den­ken, wo sie ste­hen, was „die Basis“ so umtreibt, schließ­lich arbei­te ich ja für die Men­schen an den Schu­len. Ich fin­de dort zuneh­mend weni­ger das wie­der, was mir in die­sem „Real­li­fe“ wich­tig ist: Die gemein­sa­me Arbeit, auch wenn man im Detail durch­aus ande­rer Mei­nung sein kann.

Ich habe Grenzen.

Ich habe zuneh­mend Angst, über die­se Gren­zen öffent­lich zu sprechen.

Mir scheint, dass es zuneh­mend Men­schen gibt, die in Bezug auf Ler­nen in Zei­ten der Digi­ta­li­sie­rung die Weis­heit mit Löf­feln gefres­sen haben, weil sie Gerä­te, Apps und Tools ein­set­zen, die ande­re Lehr­kräf­te nicht einsetzen.

Viel­leicht kann ich mich noch ruhig zurück­leh­nen, in den Arro­ganz­mo­dus schal­ten, wohl­wis­send dass Selbst­ver­mark­tung – auch von gan­zen Schu­len – und päd­ago­gi­sche Wirk­lich­keit oft inter­es­san­te Dif­fe­ren­zen auf­wei­sen und sich die ver­meint­li­che Moder­ni­tät dann oft genug nicht in umge­setz­ten Kon­zep­ten, son­dern gebun­den an weni­ge Per­so­nen darstellt.

Jemand, der neu­gie­rig ist und viel­leicht erst ers­te Schrit­te geht, wird dar­aus ggf. ande­re Kon­se­quen­zen zie­hen – auch aus dem aus mei­ner Sicht zuneh­mend gewöh­nungs­be­dürf­ti­gen Umgang mit­ein­an­der – das #edchat­de-Deba­kel ist ja nur eine Aus­prä­gung davon.

Ich konn­te all das, was ich heu­te ver­meint­lich kann, nicht sofort. Das brauch­te alles viel Zeit – Zeit, die wir ande­ren Men­schen auch zuge­ste­hen sollten.

Tei­le mei­ner digi­ta­len Geschichte

Mei­ne ers­te Begeg­nung mit dem Ler­nen unter Ein­satz von digi­ta­len Tools war Mood­le. Mood­le war „damals“ in Deutsch­land noch sehr unbe­kannt. Es gab eini­ge Gleich­ge­sinn­te, mit denen ich mich auf den Weg gemacht habe, die­ses Tool zu erfor­schen und für den Unter­richt aus­zu­lo­ten. Dar­aus ist ein Ver­ein ent­stan­den, den es bis heu­te gibt. Wir waren von die­sem Tool so über­zeugt, dass wir sogar Schu­len kos­ten­lo­se Instan­zen zur Ver­fü­gung gestellt haben. Ich war für die Tech­nik ver­ant­wort­lich und hat­te sogar eine kom­plet­te Ober­flä­che für die Instal­la­ti­on, das Update und das Rever­se-Pro­xy­ing meh­re­rer Instan­zen ent­wi­ckelt, die auf einer Code­ba­sis lie­fen. Sogar unser schon damals völ­lig ver­al­te­tes Schul­netz, basie­rend auf Arktur4 mit LDAP hat­te ich schon dar­an­ge­bas­telt. Eines mei­ner Pro­jek­te mit Mood­le hat­te ich als Wett­be­werbs­bei­trag (schön mit LaTeX durch­ge­stylt)  ein­ge­reicht, um dann gegen ein E‑Mail-Brief­freund­schafts­pro­jekt zu ver­lie­ren – Mood­le war sei­ner Zeit damals dann doch etwas voraus.

Das mit dem Ver­ein ging für mich recht unschön zu Ende – es gab im mensch­li­chen Bereich zuneh­mend Schwie­rig­kei­ten – mei­ne Ansprü­che an Zusam­men­ar­beit waren ein­fach auch recht hoch. Heu­te ent­wick­le ich wie­der einen Mood­le­kurs zum The­ma Netz­werk­tech­nik für ange­hen­de Medi­en­be­ra­ter am NLQ. Mei­ne Kri­tik an Lern­platt­for­men bleibt davon unbehelligt.

Die­se Erfah­rung hat mich trot­zig im dem Sin­ne gemacht, dass ich von nun an etwas zei­gen woll­te: Eine Ein­zel­per­son kriegt inhalt­lich mehr auf die Ket­te als ein Ver­eins­team. Das glau­be ich heu­te zwar nicht mehr, aber riecken.de ist letzt­end­lich das Ergeb­nis die­ser Trotz­pha­se. Mit über 700 Arti­keln ist die­ses Blog mitt­ler­wei­le zu einer recht fes­ten Anlauf­stel­le bei ver­schie­de­nen The­men gewor­den. Den meis­ten „Umsatz“ mache ich übri­gens mit Dik­tat­tex­ten – völ­lig kon­trär zu den von mir sonst pro­pa­gier­ten Thesen.

Wäh­rend­des­sen kam die LdL-Bewe­gung mit Jean-Paul-Mar­tin. Auf einem Tref­fen in Lud­wigs­burg fiel mein Name öffent­lich in einem vol­len Hör­saal. Die­se Art von Wahr­neh­mung kann­te bis­her ich nicht. Auf ein­mal waren da Men­schen um mich, die einen ähn­li­chen Blick auf Schu­le hat­ten wie ich. Die meis­ten blogg­ten, eigent­lich glau­be ich, dass in der Zeit sogar der Ursprung der Blog­be­we­gung liegt. Wir dis­ku­tier­ten in Blogs und nicht auf Twit­ter, ver­link­ten uns gegen­zei­tig. Auf Edu­camps traf man sich und ich fühl­te mich dort wie auf einem ande­ren Stern, obwohl dort Lebens­kon­zep­te auf­ein­an­der­tra­fen, die unter­schied­li­cher nicht hät­ten sein kön­nen – allein die Bar­camp­me­tho­de, Twit­ter mit Ulf Blan­ke, ohne den ich heu­te nicht Medi­en­be­ra­ter wäre usw.

Ich kom­me mir jetzt oft schon vor wie der Groß­va­ter in der Wer­bung für Wert­hers Ech­te.

Och Leu­te …

Wor­auf ich hin­aus­will: Dass ich heu­te am NLQ ein- und aus­ge­he, dass ich neu­lich mei­nen ers­ten Ter­min am Kul­tus­mi­nis­te­ri­um hat­te, dass ich mich heu­te vor Anfra­gen von Schu­len kaum ret­ten kann, dass ich Din­ge wie die­ses Pam­phlet hier schrei­be, das ist das Ergeb­nis eines jah­re­lan­gen Pro­zes­ses, der streng­ge­nom­men schon weit frü­her in der evan­ge­li­schen Jugend­ar­beit begon­nen hat.

Ich habe die­sen Back­ground, aber immer noch die Hose voll, wenn ich Schul­trä­ger und Schu­len bei Din­gen wie der Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung oder bei dem Pro­zess der Erstel­lung eines Medi­en­bil­dungs­kon­zep­tes beglei­te. Ich schei­te­re dabei sehr oft, am aller­meis­ten an mei­ner eige­nen Schu­le – weil das – geben wir es doch end­lich mal zu – noch kaum jemand bis­her gemacht hat.

Wenn ich eines über die Jah­re gelernt habe, dann dieses:

Als ein­fa­che Lehr­kraft wer­den wir unse­re Schu­len nicht in Lern­or­te der Zukunft trans­for­mie­ren, schon gar nicht unse­re eige­nen. Das vie­le poten­ti­el­le Geld, was momen­tan her­um­schwirrt, die Bil­dungs­cloud­idee usw. – das kann alles auch ganz anders enden. Es geht eben nicht nur um „unse­re Schu­le“, son­dern um eini­ges mehr. Wer in sei­ner Sicht beschränkt auf sei­ne Schu­le bleibt, wird es m.E. sehr schwer haben, sich den momen­tan wirk­sa­men Kräf­ten aus z.B. der Wirt­schaft zu wider­set­zen. Die hat Lob­by­is­ten und Ein­flüs­te­rer – wir nicht. Wir müs­sen zuneh­mend poli­tisch und in grö­ße­ren Zusam­men­hän­gen den­ken. Dabei wer­den wir auf mas­si­ve Gren­zen sto­ßen, die nicht ohne die Poten­tia­le von Ver­net­zung und Arbeit im Team über­wun­den wer­den können.

Über die Gren­zen müs­sen wir offen spre­chen kön­nen. Nicht so wie es jetzt oft geschieht. In die­sem „Real­li­fe“ habe ich für mich ein Team und Ver­net­zungs­mög­lich­kei­ten gefun­den. Ich wür­de ger­ne einen mehr oder weni­ger öffent­li­chen Ort fin­den, an dem ich über Gren­zen spre­chen kann. Das geht nicht, wenn ich befürch­ten muss, dass jeder Post über den den „Highest-SAMR“-Level oder die anzu­stre­ben­den Uto­pi­a­ge­sell­schaft gezo­gen wird.

Wenn mir als Wert­her-Groß­va­ter das so geht – wie muss es dann denen gehen, die gera­de erst anfan­gen und die­se oder eine ganz ande­re Ent­wick­lung noch vor sich haben?

Facebook ist mir potentiell zu teuer

Det­lef Teich kom­men­tiert in einer sei­ner neu­es­ten Arti­kel Gedan­ken von Adam Soboc­zyn­ski, ver­öf­fent­licht in der Online-Aus­ga­be der Zeit. Mich bewegt die­ser Kom­men­tar, wie mich auch der Zeit­ar­ti­kel bewegt, der (also der Zeit­ar­ti­kel)  für mich zwar unbe­streit­ba­re struk­tu­rel­le Schwä­chen im Argu­men­ta­ti­ons­gang auf­weist, aber den­noch man­ches beim Namen nennt, was dem „typi­schen Onli­ner“ schwer ver­dau­lich sein dürf­te.  Zwei in die­sem Zusam­men­hang beson­ders har­te Bro­cken grei­fe ich heraus:

Soboc­zyn­ski ana­lo­gi­siert das Web2.0 und dabei ins­be­son­de­re Com­mu­ni­ty­platt­for­men wie z.B. Face­book mit einem abso­lu­tis­ti­schen Hof mit den dort übli­chen Umgangs­for­men, die pri­mär auf Reprä­sen­ta­ti­on und Offen­le­gung des eige­nen mate­ri­el­len und intel­lek­tu­el­len Sta­tus abziel­ten. Genau wie an einem sol­chen Hof der zurück­ge­zo­ge­ne Den­ker mit dem Wort „Blöd­heit“ und Nicht­ach­tung bedacht wur­de, gilt laut dem Autor für das Web2.0:

Wei­ter­le­sen