Blogparade „Zeitgemäßes Lernen“

Bob Blu­me ruft zu einer Blog­pa­ra­de unter dem Titel „zeit­ge­mä­ßes Ler­nen“ auf. Für mich gibt es kein zeit­ge­mä­ßes Ler­nen. Für mich gibt es kein digi­ta­les Ler­nen. Für mich gibt es kein was auch immer für ein Ler­nen. Es gibt für mich nur Ler­nen. Was bin ich für ein digi­ta­ler Ket­zer! VUCA, 4k, (S)AMR – alles habe ich nicht begrif­fen. Wie kom­me ich dazu, die­sen Ver­rat zu begehen?

Für mich heu­te fun­da­men­tal wich­ti­ge Din­ge in mei­nem Leben habe ich nicht durch insti­tu­tio­nel­le Sys­te­me wie Schu­le oder Uni­ver­si­tät gelernt. Ich wäre jedoch auch nicht da, wo ich jetzt bin, ohne die­se Insti­tu­tio­nen. Und inner­halb die­ser Insti­tu­tio­nen blitz­te hin und wie­der streif­licht­ar­tig etwas auf, was mich tief geprägt hat. Aber das eigent­li­che Ler­nen hat dort für mich in der Sum­me nicht stattgefunden.

Wo habe ich gelernt? Ich war in den aus­ge­hen­den 80er und 90er Jah­ren Teil einer gro­ßen Jugend­grup­pe. Wir haben offe­ne Ange­bo­te für ande­re Jugend­li­che gemacht – z.B. Dis­co­ver­an­stal­tun­gen. Wir haben rie­si­ge Som­mer­frei­zei­ten mit über 300 Per­so­nen orga­ni­siert. Wir hat­ten einen Treff­punkt und ein Zuhau­se, den Ort, an dem Ler­nen statt­fand. Denn man braucht eini­ges an Wis­sen und Fähig­kei­ten, um Kin­dern und Jugend­li­chen eine schö­ne Som­mer­frei­zeit in Zel­ten zu ermög­li­chen. Kochen, Nähen, Ein­kau­fen, Prä­sen­tie­ren, Pla­nen uvm.. Wir waren ca. 80 Per­so­nen. Alko­ho­li­ker, schrä­ge Vögel, Men­schen aus gutem Hau­se, Men­schen im Hand­werk, Milch­bu­bis wie ich damals – ein bun­ter Hau­fen, der unter der Flag­ge „evan­ge­li­sche Jugend“ segel­te. Die evan­ge­li­sche Jugend­ar­beit ist für mich bis heu­te eine der am meis­ten unter­schätz­te Grö­ße bei der Imple­men­ta­ti­on zeit­ge­mä­ßen Lernens.

Huma­nis­ti­sche Päd­ago­gik? Danach wur­de vor 30 Jah­ren in Jugend­lei­ter­schu­lun­gen aus­ge­bil­det. Pro­jekt­ler­nen? Na, wenn eine Pfingst­frei­zeit mit 80 Kin­dern in Zel­ten inklu­si­ve Logis­tik kein Pro­jekt ist, dann weiß ich auch nicht. Und im Übri­gen benö­tigt die selbst­or­ga­ni­sier­te Durch­füh­rung eini­ges an Netz­werk­fä­hig­kei­ten. Es gab ein Fall­back in Form einer Lei­tung. Die­se hat­te auch einen Dunst­kreis um sich her­um. Da irgend­wann dazu­zu­ge­hö­ren – das war für uns das größ­te Ziel.

Ich muss­te kochen für Grup­pen ler­nen und frag­te ein­mal: „Wieb­ke, wie viel muss ich eigent­lich davon neh­men?“ Und Wieb­ke sag­te: „Kei­ne Ahnung, ich habe das immer so im Gefühl und lie­ge auch oft falsch. Mach mal! Ich bin ja da!“ Wir haben den Pud­ding spä­ter gemein­sam im Wald beer­digt – aber ich konn­te danach Pud­ding kochen, habe mich an Neu­es her­an­ge­traut und ver­stan­den, dass mein Vater – ein begna­de­ter uni­ver­sel­ler Hand­wer­ker – das offen­bar auch so gelernt hat. Das Falsch­ma­chen war ein Schlüs­sel und Teil des Lern­wegs. Das über­tra­ge ich heu­te auf alle Kon­tex­te – das zwei­te Bade­zim­mer, was ich bau­en wer­de, sieht bestimmt schon viel bes­ser als das ers­te aus.

Die Geschich­te ging spä­ter noch wei­ter: Es gab auch eine evan­ge­li­sche Schü­le­rin­nen­ar­beit wäh­rend mei­nes Stu­di­ums mit Klas­sen, die sich ihre The­men selbst wähl­ten. Wir muss­ten ver­pflich­tend in der Aus­bil­dung zum Klas­sen­ta­gungs­lei­ter und nach eini­gen durch­ge­führ­ten Tagun­gen an Super­vi­so­nen teil­neh­men. Dort habe ich mich selbst gese­hen – z.B. im Psy­cho­dra­men, in denen ande­re mei­ne Rol­len in schwie­ri­gen Situa­tio­nen über­nah­men. Was dort pas­sier­te, ist bis heu­te dort geblieben.

Die Hal­tun­gen und Erfah­run­gen waren grund­le­gend für mein erfolg­rei­ches Ler­nen in Insti­tu­tio­nen. Ich bin ein Arbei­ter­kind mit einem klas­si­schen Bil­dungs­auf­stei­ger­be­ruf. Mit Schu­le allein hät­te ich das nicht geschafft, obwohl es natür­lich zu mei­ner Zeit die soge­nann­ten 68er-Leh­rer gab, die auch schon in der Schul­zeit ein waches Auge auf mich hat­ten – wie auch an der Uni­ver­si­tät. Aber die ver­hiel­ten sich alle­samt nicht in der Insti­tu­ti­on, sie ver­hiel­ten sich mit Selbst­ver­trau­en in den Lücken der Insti­tu­ti­on und wuss­ten deren Ängs­te zu nut­zen, um Men­schen wie mich ganz per­sön­lich zu fördern.

Ich fin­de nicht, dass sich an mei­nem Ler­nen heu­te viel geän­dert hat. Die Netz­wer­ke wer­den durch Tech­no­lo­gie grö­ßer, ein­fa­cher zu mana­gen, erhal­ten aber durch Tech­no­lo­gie einen oft nicht unpro­ble­ma­ti­schen, aber glei­cher­ma­ßen fas­zi­nie­ren­den Zwi­schen­lay­er. In der Zelt­frei­zeit­kü­che zu Pfings­ten gab es auch ein Netz­werk – sogar mit Ver­bin­dun­gen nach außen – 60kg Hack im Zelt lagern? Das holt man sich doch lie­ber frisch aus der Küh­lung der befreun­de­ten Inter­nats­kü­che und dann sofort in die Pfan­ne damit. Und ob wir uns gestrit­ten und ange­mault haben!

Mei­ne Kin­der haben uns als Eltern, Sport­ver­ei­ne, Freun­de, Schu­le, Kon­fir­man­den­un­ter­richt und ab 12 Jah­ren auch Han­dys (die sie kaum nut­zen). Sie wach­sen hier in einer Her­de art­ge­recht auf. Ich fin­de es gut, wenn auch Frem­de ihnen Gren­zen zei­gen, sie aber auch ermun­tern und for­dern. Im per­sön­li­chen, nicht digi­tal ver­mit­tel­ten Kon­takt. Da und so kann Ler­nen statt­fin­den. Nicht im Her­um­he­li­ko­ptern, Abschir­men und bedin­gungs­lo­sem Ver­ständ­nis oder Erklä­rung für jedes Verhalten.

Für mich bil­den wir uns in Schu­le viel zu viel auf unse­ren Ein­fluss auf Schü­le­rin­nen und Schü­ler ein. Beim Aus­gleich von sozia­len Unter­schie­den kann Schu­le hel­fen (tut es in Deutsch­land jedoch wohl opti­mier­bar), aber nie Zivil­ge­sell­schaft erset­zen. Zivil­ge­sell­schaft kann ger­ne auch in Schu­le prä­sent sein. Dann wird da viel­leicht sowas wie „zeit­ge­mä­ßes Ler­nen“ draus.

Und noch eine wüs­te Theo­rie: Zivil­ge­sell­schaft wird durch digi­tal ver­mit­tel­te Kom­mu­ni­ka­ti­on und digi­tal ver­mit­tel­te Ver­net­zung viel­leicht nicht in allen Berei­chen stär­ker oder frei­er oder offe­ner. Das kann und muss noch gesche­hen und müh­sam aus­ver­han­delt werden.

Wie Ler­nen funk­tio­niert, wis­sen wir eigent­lich intui­tiv durch Anschau­ung unse­rer selbst oder durch den Spie­gel, denen uns Kin­der vor­hal­ten. Unse­re Treue zum „Gewohn­ten“ steht da manch­mal im Weg. Was sich aber ändert, sind Kom­ple­xi­täts­gra­de und Inhal­te, die das Gewohn­te immer stär­ker infra­ge stellen.

Edit am 8.11.2019:

Typo ver­bes­sert, Link auf Buch „Art­ge­recht“ (Nico­la Schmidt) gesetzt.

Trennung von Sach- und persönlicher Ebene auf Social Media

Manch­mal kom­men alte Süch­te wie­der auf und ich ertap­pe mich dabei, der Welt jetzt etwas Bahn­bre­chen­des sagen zu wol­len. Ein Tweet von Vere­na Knob­lauch wur­de mir in den Feed­rea­der gespült, den ich so wich­tig finde:

Die ver­schie­de­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ebe­nen im Modell von Schulz von Thun (eigent­lich ein Auf­guss der Trans­ak­ti­ons­ana­ly­se) sind untrenn­bar(!) immer Teil einer Bot­schaft – auf Sen­der- wie Emp­fän­ge­r­ebe­ne. Ich kann ver­su­chen, mei­ne Bot­schaft zu „ver­sach­li­chen“, ich kann aber nicht bestim­men, auf wel­cher Ebe­ne sie wahr­ge­nom­men wird – die Gefüh­le des Gegen­übers befin­den sich außer­halb mei­nes Ein­fluss­be­rei­ches. Viel­leicht liegt gera­de in einer ver­meint­li­chen Ver­sach­li­chung der Grund dar­in, dass mein Gegen­über ver­letzt reagiert. Der Wunsch nach Ver­sach­li­chung ist damit – pla­ka­tiv for­mu­liert – der Wunsch, die Wahr­neh­mung mei­nes Gegen­übers zu kon­trol­lie­ren, um mich nicht selbst einem emo­tio­na­len Gespräch aus­zu­set­zen – das sehe ich als eine Art von Machteingriff.

Dazu kommt, dass bei einer Fokus­sie­rung auf „Text“, wie sie in Social­me­dia bestim­mend ist, kom­pen­sa­to­ri­sche prag­ma­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ele­men­te (Tona­li­tät, Kör­per­spra­che, Dyna­mik, Sprech­ge­schwin­dig­keit etc.) schlicht weg­kas­triert sind. Emo­ti­cons, Smi­leys usw. stel­len selbst schon wie­der mei­ne eige­ne Inter­pre­ta­ti­on mei­ner Bot­schaft dar, wäh­rend prag­ma­ti­sche Aspek­te durch mich oft nicht in die­ser Wei­se kon­trol­lier­bar sind oder in eine ein­fa­che iko­ni­sche Dar­stel­lung gepresst wer­den können.

Ein häu­fi­ger Rat besteht dar­in, auf emo­tio­na­le Erwi­de­run­gen (oder auf sol­che, die ich wie­der­um emo­tio­nal deu­te) ent­we­der nicht oder auf einer Sach­ebe­ne zu reagie­ren. Bei­des mögen gute Kon­zep­te für den Selbst­schutz sein – zu einer Ver­sach­li­chung ver­mö­gen sie mei­ner Ansicht nach nicht bei­zu­tra­gen, weil Erwar­tun­gen auf z.B. der Bezie­hungs­ebe­ne damit maxi­mal igno­riert wer­den. Das Bedürf­nis nach z.B. Deu­tungs­ho­heit ist kein sach­li­ches, son­dern für mich ein zutiefst emotionales.

Um die Aus­gangs­fra­ge des Tweets zu beant­wor­ten: Ich glau­be, das geht nicht.

Und: Das glei­che „Gespräch“ wür­de beim einem Bier ganz anders ver­lau­fen inklu­si­ve Aus­wir­kun­gen auf künf­ti­ge Twitterschlachten.

 

Fortbildung für Lehrkräfte im Zeitalter der Digitalisierung

In mei­nen „Meta-Prä­sen­ta­tio­nen“, mit deren Hil­fe ich mich mit ande­ren medi­en­päd­ago­gi­schen Bera­te­rin­nen und Bera­ter in Nie­der­sach­sen aus­tau­sche, blieb ein Kol­le­ge an die­ser Folie hängen:

Nach sei­ner Mei­nung sei das eine ganz bedeu­ten­de Gra­fik für die zukünf­ti­ge Arbeit von medi­en­päd­ago­gi­schen Bera­te­rin­nen und Bera­tern. Ich war erst ein wenig irri­tiert und bin dar­über dann hinweggehuscht.

Der Bedarf hier bei uns in der Gegend ist gera­de im Bereich „Umgang mit Gerä­ten“ sehr groß. Das ist für mich eigent­lich der zwei­te Schritt vor dem ers­ten, aber ich habe da schon eini­ge Ideen. Einer mei­ner Aus­schrei­bungs­tex­te in der Ver­an­stal­tungs­da­ten­bank des Lan­des lau­tet wie folgt:

Die inter­ak­ti­ve Tafel im Schulalltag

Vie­le Schu­len im Land­kreis Clop­pen­burg sind in den letz­ten Jah­ren mit inter­ak­ti­ven Tafel­lö­sun­gen aus­ge­stat­tet worden.

 Im Rah­men die­ser Fort­bil­dung ler­nen Sie Bei­spie­le zum didak­ti­schen Ein­satz die­ser Gerä­te ken­nen. Der Fokus liegt dabei nicht auf der Vor­stel­lung von Spe­zi­al­an­wen­dungs­fäl­len, son­dern schwer­punkt­mä­ßig wer­den Sie mit den Grund­funk­tio­nen der Gerä­te ver­traut gemacht.

Ihr eige­nes Han­deln steht dabei im Vor­der­grund. Sie arbei­ten selbst oder in klei­nen Teams pro­dukt­ori­en­tiert anhand von Auf­ga­ben mit unter­schied­li­chem Schwie­rig­keits­grad. Fron­ta­le Antei­le beschrän­ken sich auf kur­ze Impul­se. Wäh­rend der Ver­an­stal­tung wer­den Sie selbst­ver­ständ­lich beglei­tet und beraten.

 Für die Dau­er der Ver­an­stal­tung ste­hen fünf inter­ak­ti­ve Tafel­lö­sun­gen in vier Räu­men zur Ver­fü­gung, an denen in 3er-Teams gear­bei­tet wer­den kann.

 Falls vor­han­den brin­gen Sie bit­te Ihr eige­nes digi­ta­les Arbeits­ge­rät mit, wel­ches Sie im Schul­all­tag nut­zen (Tablet, Note­book, Handy …).

Es wird kei­ne Mate­ria­li­en in gedruck­ter Form geben, son­dern die­se ste­hen in Form eines Wikis aus­schließ­lich digi­tal bereit. Die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer müs­sen also streng genom­men gar nicht selbst kom­men. Wenn Schwie­rig­kei­ten bei der Umset­zung auf­tre­ten, kön­nen sie sich aber ent­we­der gegen­sei­tig unter­stüt­zen oder von mir Hil­fe holen. Auch das gin­ge prin­zi­pi­ell auch digi­tal ver­mit­telt. Ich möch­te in einer Feed­back­run­de das Mate­ri­al bespre­chen. Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge arbei­te ich gleich live ins Wiki ein. Das könn­ten die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer prin­zi­pi­ell auch selbst tun. All das möch­te ich ganz am Ende in einer Meta­me­ta­dis­kus­si­on noch ein­mal offen­le­gen und reflektieren.

Mir ist auf die­ser Fort­bil­dung wich­tig, die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer mit­ein­an­der in Inter­ak­ti­on zu brin­gen und ihnen bewusst zu machen, dass alle ange­wand­ten Prin­zi­pi­en auf auch ande­re The­men­be­rei­che über­trag­bar sind – z.B. auf die Fort­bil­dungs­an­ge­bo­te, die bereits schnell aus­ge­bucht waren – weil es das Netz prin­zi­pi­ell mög­lich macht. Ich nut­ze dafür bewusst sehr nie­der­schwel­li­ge Inhal­te. Die Inhal­te sind hier wich­tig – aber auch die Metho­dik. Die­se Metho­dik brau­che ich für sinn­vol­le Fort­bil­dun­gen zu allen ande­ren Berei­chen – z.B. bei ver­netz­ter und geleb­ter Curriculumsarbeit.

Ich hof­fe, dass der Aus­schrei­bungs­text schon ent­spre­chend vor­fil­tert und nur Lehr­per­so­nen anspricht, die kei­ne fron­ta­len Set­tings erwarten.

Just zum glei­chen Zeit­punkt hat Phil­ip­pe Wampf­ler einen Bei­trag mit den Titel „Lehr­per­so­nen über­for­dern – ein Vor­schlag für Work­shops“ ver­öf­fent­licht. Ich ver­ste­he den Arti­kel so, dass es eine „Hid­den Agen­da“ gibt: Ein­mal wer­den Lehr­per­so­nen mit Inhal­ten kon­fron­tiert, die nicht zu ihren erlern­ten und als sicher emp­fun­de­nen Vor­stel­lun­gen von Schu­le und Ler­nen pas­sen (z.B. in BYOD-Set­tings ver­liert Instruk­ti­on an Bedeu­tung). Zum ande­ren wer­den Lehr­kräf­te mit unge­wohn­ten Tools kon­fron­tiert (z.B. dem kol­la­bo­ra­ti­ven HackMD), die wahr­schein­lich impli­zit die Hid­den Agen­da auf der metho­di­schen Ebe­ne ver­stär­ken (sol­len). Dazu kommt ein tech­no­lo­gi­scher Ter­mi­nus „Block­chain“, der im Zen­trum der eigent­li­chen Auf­ga­ben­stel­lung steht (in Deutsch­land mutiert die­ser Begriff mitt­ler­wei­le zu einem der tra­gen­den beim Bull­shit-Bin­go in Reden von Poli­ti­kern über Bil­dung). Ja, das ist geziel­te Überforderung.

Aus mei­ner Pra­xis her­aus sage ich: Der Ansatz *muss* auf sehr vie­len Ebe­nen schei­tern und wird nur einen Bruch­teil von Work­shop­teil­neh­mern errei­chen kön­nen – wahr­schein­lich sogar nur die­je­ni­gen, die die­sen Work­shop gar nicht für ihren Lern­pro­zess gebraucht hät­ten. Hoch­pro­ble­ma­tisch fin­de ich vor allem die Hid­den Agen­da. Sie ist eigent­lich ein typi­scher Beglei­ter des klas­si­schen gym­na­sia­len Unter­richts (oder von Expe­ri­men­ten in der psy­cho­lo­gi­schen For­schung): Lern­zie­le ste­hen vor der Stun­de fest und die Schü­le­rin­nen und Schü­ler wer­den durch aus­ge­klü­gel­te didak­tisch-metho­di­sche Set­tings zu die­sen Zie­len „geführt“. Hid­den Agen­das sind für mich abso­lut in Ord­nung, wenn sie am Schluss einer Lern­si­tua­ti­on mit den Teil­neh­men­den auf­ge­deckt und reflek­tiert wer­den. Das scheint bei die­ser Work­shop­an­la­ge aber nicht zu gesche­hen oder wird in der Beschrei­bung nur nicht sichtbar.

 

Die Autonomie der Schule und Medienentwicklungsplanung

Wenn Sie an einer Schu­le tätig sind, wird Sie der nächs­te Abschnitt wahr­schein­lich ärgern. Wenn Sie wohl­wol­lend lesen, tun Sie es mit der Bril­le eines Schul­trä­gers, der vor der Auf­ga­be steht, sei­ne Schu­len struk­tu­riert zu unter­stüt­zen und dabei von außen auf Sie und sei­ne Schu­len schaut.

Bei der Erstel­lung und vor allem der Umset­zung eines Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nes wird immer wie­der unter­schätzt, dass Schu­len über einen lan­gen Zeit­raum gewohnt waren, hin­sicht­lich des Ein­sat­zes von Mit­teln und der Anschaf­fung von Gerä­ten weit­ge­hend auto­nom zu ent­schei­den. Das ist bei Grund­schu­len, die in der Regel bei der Zuwei­sung von Etat­mit­teln gegen­über wei­ter­füh­ren­den Schu­len eher das Nach­se­hen hat­ten, weit weni­ger aus­ge­prägt als z.B. bei Gym­na­si­en oder tech­ni­schen Berufsschulen.

Bei letz­te­ren sind oft sowohl orga­ni­sa­to­risch als auch tech­nisch z.T. erheb­li­che Kom­pe­ten­zen vor­han­den, so dass die­se Sys­te­me bis­her auto­nom gut in ihrem Rah­men zurecht­ge­kom­men sind. Die Aus­sicht, jetzt mit einer struk­tu­rier­ten exter­nen Aus­stat­tungs­pla­nung kon­fron­tiert zu sein, sorgt in der­ar­ti­gen wei­ter­füh­ren­den Schu­len nicht unbe­dingt für Freu­de. Unter­stüt­zung in Form von qua­li­fi­zier­tem Per­so­nal sieht man zwar immer ger­ne, aber nur dann, wenn die jewei­li­ge Schu­le über deren Zeit und Ein­satz voll bestim­men kann. Zudem sol­len sol­che Mit­ar­bei­ter der Schu­le natür­lich exklu­siv zur Ver­fü­gung stehen.

Es geht bei Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung also um nichts weni­ger als um die Auf­he­bung einer klas­si­schen Rollenverteilung!

Damit wird klar, dass gera­de zu Anfang ein gut mode­rier­ter Pro­zess essen­ti­ell ist.

Schu­len waren bis­her gewohnt

  • … selbst Hard­ware auszuwählen
  • … ggf. Ver­gleichs­an­ge­bo­te dafür einzuholen
  • … Bud­gets „krea­tiv“ zu nutzen
  • … Beschaf­fungs­an­trä­ge zu sam­meln und einzureichen
  • … Hard­ware teil­wei­se selbst zu warten

Trä­ger waren bis­her gewohnt

  • … Hard­ware nach Vor­ga­ben der Schu­len auszuschreiben
  • … Für rechts­kon­for­me Aus­schrei­bungs­ver­fah­ren zu sorgen
  • … nicht nach Sinn oder Unsinn einer Beschaf­fungs­maß­nah­me zu fragen
  • … sich stets im Rah­men der Haus­halts­mit­tel bewe­gen zu müssen
  • … kaum objek­ti­ve Kri­te­ri­en an eine Beschaf­fungs­maß­nah­me anle­gen zu können

Gute Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ver­knüpft die Beschaf­fung von Aus­stat­tung eng mit päd­ago­gi­schen Fra­ge­stel­lun­gen. Es kann der Fall ein­tre­ten, in dem ein Aus­stat­tungs­wunsch extern von Fach­per­so­nal kri­tisch hin­ter­fragt wird – das hat man nicht so ger­ne. Bis­her war es gera­de in berufs­bil­den­den Schu­len prin­zi­pi­ell mög­lich, dass Lehr­kräf­te teu­re Nischen­pro­duk­te für die Aus­bil­dung beschaf­fen konn­ten, die letzt­lich aber nur spo­ra­disch im Unter­richt genutzt wur­den und ansons­ten eher der Außen­dar­stel­lung dien­ten. Das heißt nicht, dass sol­che Vor­komm­nis­se die Regel sind, zeigt aber ein Pro­blem: Woher soll ein Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­ter wis­sen, was päd­ago­gisch sinn­voll ist und was ggf. von eine Schu­le bei einem Aus­stat­tungs­wunsch nicht bedacht wur­de, damit z.B. ein Gerät über­haupt unter­richt­lich nutz­bar wird?

Sowohl die Frei­heit bei der Aus­wahl von Hard- und Soft­ware als auch die weit­ge­hen­de Auto­no­mie beim päd­ago­gi­schen Ein­satz der­sel­ben ist durch Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung „bedroht“.

Dazu kommt erschwe­rend, dass kom­ple­xe Pro­zes­se wie die Umset­zung einer Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung gera­de in der Anfangs­zeit gar nicht opti­mal lau­fen kön­nen und sich Erfol­ge nur so lang­sam ein­stel­len, dass Schu­len mit hohem Auto­no­mie­be­stre­ben die­se gar nicht wahr­neh­men wer­den und sich nach den „alten“ Zei­ten zurück­seh­nen, in denen schließ­lich alles bes­ser lief. Alter­na­tiv las­sen der­ar­ti­ge Schu­len sich gar nicht erst auf eine über­ge­ord­ne­te Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ein. Aus ihrer Sicht sind das zusätz­li­che Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren, die den ohne­hin schon schwie­ri­gen schu­li­schen All­tag wei­ter verkomplizieren.

Von Sei­ten wei­ter­füh­ren­der Schu­len soll­te man sich als Trä­ger auf viel Wider­stand ein­stel­len, gleich­zei­tig aber auch selbst­kri­tisch reflek­tie­ren, was man selbst in der Ver­gan­gen­heit zu die­sem oft­mals vor­han­de­nen Miss­trau­en bei­getra­gen hat: Man­che Sor­ge ist vor dem Hin­ter­grund ver­gan­ge­ner Pro­zes­se und Ver­wal­tungs­ab­läu­fe durch­aus berechtigt.

Ohne eine struk­tu­rier­te Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ist aber etwas ganz Wesent­li­ches nicht mög­lich – streng­ge­nom­men auch nicht mehr in den „alten“ Beschaf­fungs­stru­ku­ren: Die Gewähr­leis­tung von Sup­port. Zum einen wach­sen zur­zeit auch durch den Digi­tal­pakt immense digi­ta­le Gerä­te­struk­tu­ren in den Schu­len auf, die der Betreu­ung bedür­fen und die gewohn­ten Struk­tu­ren bald über­for­dern dürf­ten. Zum ande­ren sind die bis­her hete­ro­ge­nen Umge­bun­gen ( z.B. dort iPads, hier Note­books, da Bea­mer, hier LED-Dis­plays, dort Prä­fe­renz für Her­stel­ler A, dort für Her­stel­ler B ) sup­port­tech­nisch nicht mit end­lich viel Per­so­nal zu bewäl­ti­gen. Schu­len möch­ten einer­seits oft auto­nom ent­schei­den kön­nen, wel­che Gerä­te und wel­che Soft­ware beschafft wird, ander­seits bei Pro­ble­men aber auf ein Sup­port­sys­tem tref­fen, wel­ches mit jeder Pro­blem­stel­lung bei jeder Hard- und Soft­ware sofort zurecht­kommt. Das ist in der Band­brei­te der anzu­tref­fen­den Vor­stel­lun­gen nicht zu leisten.

Die Idee, zusam­men mit der Hard­ware gleich bestimm­te Sup­port­leis­tun­gen eines Her­stel­lers aus­zu­schrei­ben, ist nach mei­ner Erfah­rung als schein­ba­rer Aus­weg eini­ger­ma­ßen naiv: Der Haupt­zeit­fres­ser ist die Kom­mu­ni­ka­ti­on – ein Feh­ler will fest­ge­stellt, beschrie­ben und wei­ter­ge­lei­tet sein. Die Feh­ler­be­he­bung muss beglei­tet wer­den. Je mehr unter­schied­li­che Sup­port­part­ner hier mit im Boot sind, des­to kom­ple­xer und auf­wän­di­ger wird ein sol­ches Vorhaben.

IT-Mit­ar­bei­ter für den öffent­li­chen Bereich sind sehr schwie­rig zu fin­den, da u.a. die Ver­gü­tung tarif­recht­lich fest­ge­schrie­ben und zum frei­en Markt nicht kon­kur­renz­fä­hig ist. Tref­fen Per­so­nen dann schon in der Pro­be­zeit auf sehr hete­ro­ge­ne Umge­bun­gen mit indi­vi­dua­li­sier­ten Ansprü­chen von Lehr­kräf­ten, ist das eine Situa­ti­on, die in der frei­en Wirt­schaft nicht üblich ist. Ohne Ansät­ze der Ver­ein­heit­li­chung ist das für vie­le nicht lan­ge ein attrak­ti­ves Arbeits­um­feld – die­se Per­spek­ti­ven ist Schu­len i.d.R. völ­lig fremd, da dort meist ein unre­flek­tier­ter gene­rel­ler Leis­tungs­an­spruch for­mu­liert wird. Die natür­lich nach­voll­zieh­ba­re und über Jah­re ange­stau­te Ent­täu­schung bekommt i.d.R. das Sup­port­per­so­nal vor Ort zuerst ab. Das muss trä­ger­sei­tig durch z.B. regel­mä­ßi­ge Gesprä­che, aber auch ein ent­schie­de­nes Auf­tre­ten gegen­über Schul­lei­tun­gen kom­pen­siert wer­den – gera­de in der Anfangszeit.

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