Aufgaben abarbeiten – was die die beste Strategie?

Wir alle haben jeden Tag eine Fül­le von Auf­ga­ben zu erle­di­gen. Eini­ge bekom­men das sehr gut hin und ant­wor­ten z.B. immer schnell auf Anru­fe oder E‑Mails, schrei­ben Kon­zep­te oder Arti­kel in der vor­ge­ge­ben Zeit und schaf­fen auch sonst sehr viel offen­bar mit spie­len­der Leich­tig­keit. Ande­re ver­zet­teln sich – man bekommt lan­ge kei­ne Rück­mel­dung oder muss ewig oft nachfragen.

Dar­in unter­schei­den sich Men­schen erst­mal gar nicht so sehr von einem Haupt­pro­zes­sor in einem Com­pu­ter. Es ste­hen auch dort begrenz­te Res­sour­cen zur Abar­bei­tung von Auf­ga­ben zur Ver­fü­gung. Es gibt unter­schied­li­che Stra­te­gien, wie ein Betriebs­sys­tem mit Bear­bei­tungs­zeit „umgeht“. Das nennt sich dort „Sche­du­ling“. Lässt sich davon viel­leicht etwas ler­nen für den eige­nen All­tag? Sind viel­leicht sogar All­tags­über­le­gun­gen mit in Betriebs­sys­tem­ar­chi­tek­tu­ren eingeflossen?

Vier gän­gi­ge Ver­fah­ren von soge­nann­tem „Task-Sche­du­ling“ sind unten ein­mal visua­li­siert. Ich idea­li­sie­re in einem ers­ten Schritt ein­mal und neh­me an, dass zu einem Zeit­punkt x sämt­li­che Auf­ga­ben T für einen Tag bereits vor­lie­gen. Die Auf­ga­ben T1 bis T5 benö­ti­gen unter­schied­li­che Zeit­ein­hei­ten (E), um erle­digt wer­den zu kön­nen. Die War­te­zeit mei­nes Gegen­übers auf die Erle­di­gung einer Auf­ga­be ist durch einen grü­nen Pfeil sym­bo­li­siert. Eine wei­te­re Idea­li­sie­rung besteht dar­in, dass wäh­rend der gesam­ten Bear­bei­tungs­zeit kei­ne Unter­bre­chun­gen auftreten.

Strategie 1: First in, first out

Dazu sor­tie­re ich mir die Auf­ga­ben nach der Zeit ihres Ein­tref­fens. Die von Frei­tag­abend kom­men vor denen von Sonn­tag­mit­tag, wenn ich am Mon­tag im Büro sit­ze. Wir schau­en uns jetzt mal die War­te­zei­ten an, die mei­ne Gegen­über haben, wenn ich nach die­sem Prin­zip arbei­te. Alle War­te­zei­ten (grü­ne Pfei­le) addie­ren wir zusam­men. Das sind in unse­rem ers­ten gra­fi­schen Bei­spiel 39 Zeiteinheiten.

Strategie 2: Shortest Processing Time First

Hier pas­siert eine wesent­li­che Ände­rung: Ich sor­tie­re mir die Auf­ga­ben so, dass ich zunächst das erle­di­ge, was schnell geht. Man sieht es schon an der Län­ge der Pfei­le: Die durch­schnitt­li­che War­te­zeit sinkt dras­tisch, d.h. mehr mei­ner Gegen­über erhal­ten schnel­ler von mir eine Ant­wort (26 Zeit­ein­hei­ten). An einem All­tags­bei­spiel: Wenn man an einer Super­markt­kas­se immer die­je­ni­gen mit weni­gen Tei­len vor­lässt und kei­ne neu­en Kun­den zur War­te­schlan­ge hin­zu­kom­men, sinkt im Mit­tel die War­te­zeit für alle. Übri­gens sind wir Men­schen in der Vor­her­sa­ge, wie schnell etwas geht, einer Maschi­ne meist überlegen.

 

Zwischenbilanz

Ein kur­ze mitt­le­re Ant­wort­zeit ist oft genau das, was mich nach außen hin als „orga­ni­siert“ erschei­nen lässt. Intui­tiv wür­den Men­schen mir für kom­ple­xe­re Auf­ga­ben auch mehr Zeit zuge­ste­hen. Wenn ich aber eine ganz kur­ze Fra­ge lan­ge lie­gen las­se, gel­te ich schnell als lang­sam. Einen Com­pu­ter wür­den wir auch als lang­sam emp­fin­den, wenn so etwas ver­meint­lich Bana­les wie die Maus über den Bild­schirm ruckelt. Dass gleich­zei­tig z.B. das Video im Hin­ter­grund schnel­ler ger­en­dert wird, erfas­sen wir intui­tiv nicht. Wir sind aber immer noch äußerst idea­li­siert unterwegs.

 

Strategie 3: Highest Priority First

Am All­tag etwas dich­ter dran ist die Stra­te­gie, nach Prio­ri­tä­ten zu sor­tie­ren. Je dunk­ler die Auf­ga­be T in der fol­gen­den Gra­fik ist, des­to höher ist ihre Prio­ri­tät. Wenn wir die glei­chen Annah­men machen wie für die bei­den ers­ten Stra­te­gien (z.B. alle Auf­ga­ben lie­gen am Tages­be­ginn vor), ist das Ergeb­nis für die mitt­le­ren Ant­wort­zei­ten dras­tisch schlecht, was natür­lich aber auch mit am kon­kre­ten Bei­spiel liegt. In der Ten­denz lässt sich das aber durch­aus verallgemeinern.

Wir stel­len durch die­se Stra­te­gie zwar die wich­tigs­ten Auftraggeber:innen schnell zufrie­den, zah­len das aber mit dem rela­tiv hohen Preis, dass umso mehr Men­schen lan­ge auf unse­re Ant­wort war­ten müssen.

Strategie 4: Preemptive Highest Priority First

Damit wir auch mal den Gegen­pol sehen am Schluss noch mehr Rea­lis­mus mit der Zusatz­an­nah­me, dass Auf­ga­ben unter­schied­li­cher Prio­ri­tät zu unter­schied­li­chen Zei­ten über den Tag hin­zu­kom­men. Auf­ga­ben höhe­rer Prio­ri­tät unter­bre­chen dabei die Abar­bei­tung nied­ri­ger prio­ri­sier­ter Auf­ga­ben. Die­se wer­den dann fort­ge­setzt, wenn alle „höher­wer­ti­gen“ Auf­ga­ben erle­digt sind. Das sieht erst­mal gut aus, scheint ziem­lich opti­mal zu sein und kommt der Rea­li­tät viel­leicht am nächs­ten, aber da ste­cken auch wie­der star­ke ver­steck­te Idea­li­sie­run­gen und Pro­ble­me drin.

  • Es ist wahr­schein­lich, dass nied­rig­prio­ri­sier­te Auf­ga­ben wäh­rend der Abar­bei­tung höher­prio­ri­sier­ter Auf­ga­ben kom­men und nicht wie in mei­nem fik­ti­ven Bei­spiel gleich bear­bei­tet wer­den, weil sie immer gera­de da sind, wenn nichts zu tun ist. Dadurch stei­gen die im Mit­tel erfor­der­li­chen Ant­wort­zei­ten (x+1).
  • Jeder Auf­ga­ben­wech­sel ist res­sour­cen­mä­ßig teu­er. Man muss sich jedes­mal neu ein­den­ken, vor allem, wenn eine kom­ple­xe Auf­ga­be unter­bro­chen wird. Auch ein Betriebs­sys­tem muss Zustän­de von Pro­zes­sen sichern und wie­der­her­stel­len. Das kos­tet Rechenzeit.
  • Immer neue Auf­ga­ben mit hoher Prio­ri­tät kön­nen Auf­ga­ben mit nied­ri­ger Prio­ri­tät ver­drän­gen, sodass sie gar nicht mehr bear­bei­tet wer­den. Bei Betriebs­sys­te­men spricht man davon, dass Pro­zes­se ver­hun­gern, im All­tag blei­ben Ver­walt­un­g­ar­bei­ten ger­ne mal lie­gen – so wie Kor­rek­tu­ren (deren Prio­ri­tät steigt aber mit der Zeit auto­ma­tisch von alleine …).
Wie mache ich das?

Ich kom­bi­nie­re SPF und PHPF. SPF sorgt dafür, dass Ant­wort­zei­ten kurz sind, PHPF lässt mich gegen­über für mich wich­ti­gen Per­so­nen „gut“ daste­hen. Wei­ter­hin ver­su­che ich, indi­rek­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­si­tua­tio­nen zu ver­mei­den. Wenn ich mer­ke, dass jemand etwas für einen ande­ren bei mir lösen möch­te, las­se ich die Anfra­ge ent­we­der bewusst ver­hun­gern oder ver­su­che, eine direk­te Kom­mu­ni­ka­ti­on zu eta­blie­ren. Indi­rek­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­si­tua­tio­nen sind sehr teu­er, weil man die Bedürf­nis­se meh­re­rer Per­so­nen mit­den­ken muss.

Wei­ter­hin ver­mei­de ich in Arbeits­pha­sen Unter­bre­chun­gen bzw. ver­su­che Men­schen klar zu machen, wie pro­ble­ma­tisch Unter­bre­chung sind (spon­ta­nes Vor­bei­kom­men, Tele­fon­an­ru­fe). Als Aus­gleich schaf­fe ich Pha­sen, in denen ich klar signa­li­sie­re: „Ich bin bereit für ‚Wo ich dich gera­de sehe …‘ “. Irgend­was an uns ist ja dann schon anders als bei einem Betriebssystem …