Blogparade #KIBedenken

Joscha Falck und Nele Hirsch haben zu einer Blog­pa­ra­de auf­ge­ru­fen. Hin­ter­grund ist, dass bei den bei­den ange­sichts der Debat­te rund um den Ein­satz von KI im Kon­text von Lehr-/Lern­pro­zes­sen Ent­wick­lun­gen auf­tau­chen, die Nele und Joscha kri­tisch sehen. Ich zitie­re die Punk­te der bei­den ein­mal im Voll­text, damit auch die weni­gen, die mei­nen Blog über RSS wahr­neh­men nicht all­zu viel quer­le­sen müssen:

  1. In der KI-Debat­te geht es zu viel um digi­ta­le Tools und um das Zei­gen von Anwen­dun­gen, die an sich nicht beson­ders schwer zu bedie­nen sind. Dazu wer­den oft gan­ze Fort­bil­dungs­ta­ge ver­an­schlagt. Es fehlt damit an Fort­bil­dungs­zeit für The­men, die päd­ago­gisch und gesamt­ge­sell­schaft­lich ange­sichts der Kri­se unse­res Bil­dungs­sys­tems und unse­rer Gesell­schaft deut­lich wich­ti­ger wären.
  2. Der Fokus auf KI als Werk­zeug steht dem Fokus auf Ler­nen im Weg. Aspek­te der Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung wer­den eben­so (zu) wenig in den Blick genom­men wie fach­di­dak­ti­sche Fragen.
  3. Auf­grund der Omni­prä­senz von KI und der erwünsch­ten raschen Anwendung/Implementierung gerät die drin­gend nöti­ge Ver­än­de­rung der Lern­kul­tur und Lehr-/Lern­kon­zep­te wie bei­spiels­wei­se das selbst­ge­steu­er­te Ler­nen oder Indi­vi­dua­li­sie­rung in den Hin­ter­grund. Die Ver­knüp­fung mit KI scheint oft mehr „päd­ago­gi­sches Fei­gen­blatt“ als tat­säch­li­cher Ver­än­de­rungs­wil­le zu sein.
  4. Der empi­ri­sche Beleg der Wirk­sam­keit von KI-Tools im Unter­richt steht noch aus, wes­halb didak­ti­sche Emp­feh­lun­gen und ange­prie­se­ne Tools aus unse­rer Sicht mehr Skep­sis ver­tra­gen könnten.
  5. Die mit KI ein­her­ge­hen­de (zurück­ge­kehr­te?) Too­li­fi­zie­rung in der Bil­dung ver­sperrt den Blick auf die viel wich­ti­ge­re Fra­ge, wie wir gutes Ler­nen in einer zuneh­mend von KI-gepräg­ten Welt gestal­ten können.
  6. Im Fokus ste­hen sehr oft Tools pro­fit­ori­en­tier­ter inter­na­tio­na­ler Kon­zer­ne, deren Geschäfts­mo­del­le von Intrans­pa­renz geprägt sind. Auch man­gels Alter­na­ti­ven fließt der­zeit viel öffent­li­ches Geld in pri­vat­wirt­schaft­li­che Fir­men anstel­le Inves­ti­tio­nen in eine demo­kra­tisch kon­trol­lier­te, öffent­li­che KI-Infra­struk­tur zu tätigen.
Die kurze Antwort

Das ist alles so. Aber ich wei­ge­re mich, das als ein Spe­zi­fi­kum von KI zu sehen. Es gilt für nahe­zu alle digi­ta­len Ent­wick­lun­gen, die wir in den letz­ten Jah­ren im Kon­text von Schu­le gese­hen haben.  Man könn­te den Begriff „KI“ durch belie­bi­ge ande­re aus­tau­schen. Inter­es­sant ist für mich viel­mehr die Fra­ge, war­um sich Struk­tu­ren und Dis­kur­se rund um Neue­run­gen wie­der und wie­der wie­der­ho­len. Die The­sen von Joscha und Nele beschrei­ben für mich letzt­lich Phä­no­me­ne, die wir schon lan­ge kennen.

Wenn man noch wei­ter abkür­zen woll­te, müss­te man das gesam­te The­ma letzt­lich wie­der ein­mal auf Hal­tung komprimieren.

  1. Medi­en­bil­dung ohne infor­ma­ti­sches Grund­la­gen­wis­sen ist mög­lich, aber in mei­nen Augen sinn­los. Trotz­dem will das Auto immer wie­der zwar „gefah­ren“, aber kei­nes­falls „ver­stan­den“ wer­den, weil es ja auf das Fah­ren ankommt – die­se Hal­tung clasht recht hübsch mit den Anspruch an Mün­dig­keit im digi­ta­len Raum.
  2. Mit Phä­no­me­nen wie den Out­puts von gene­ra­ti­ver KI lässt sich auf unter­schied­lichs­ten Ebe­nen viel Geld ver­die­nen, etwa mit Klick&Wisch- oder Super­promp­tin­g­kur­sen zu Tools. Dafür gibt es eine Nach­fra­ge, die auch bedient wird, weil alle das Auto mög­lichst schnell fah­ren wol­len – genau die­se Hal­tung zemen­tiert bestehen­de Muster.
  3. Der vor­läu­fi­ge Waf­fen­still­stand mit der Digi­tal­in­dus­trie bestand dar­in, dass die­se z.B. im Mes­sen­ger­um­feld alle Meta­da­ten abgreift und die Inhal­te der Nutzer:innen selbst ver­schlüs­selt. Die Ver­schlüs­se­lung war tech­nisch so kon­zi­piert, dass auch die Anbie­ter selbst nicht in Inhal­te hin­ein­se­hen konn­ten. Die Nut­zung von gene­ra­ti­ver KI in der Brei­te gewährt der Digi­tal­in­dus­trie jetzt Zugriff auf die Inhal­te selbst und zwar auch auf sol­che, von denen sie bis­her nie zu träu­men gewagt hät­te. Die rei­nen Auto­fah­rer fin­den das cool, weil der Asphalt jetzt noch glat­ter wird. Eine kri­ti­sche Hal­tung dazu erfor­dert recht anstren­gend zu erwer­ben­des Wis­sen. War­um soll­te man den lang­sa­men Feld­weg neh­men, auf dem auch noch Krims­krams her­um­liegt, der das Auto beschä­di­gen kann? War­um selbst kor­ri­gie­ren oder Rück­mel­dun­gen geben, wenn doch eine von mir vor­ge­promp­te­te KI zu 90% immer ver­füg­bar ist und das ermü­dungs­frei sto­isch erledigt?
Meine Erfahrungen

Ich habe im Novem­ber 2022 gene­ra­ti­ve KI zu ers­ten Mal in einer Fort­bil­dung im Kon­text zum digi­ta­len Schrei­ben vor­ge­stellt. Das war weni­ge Wochen vor dem rake­ten­haf­ten Auf­stieg von ChatGPT. Bei den Teil­neh­men­den über­wog damals das Gefühl des Ent­set­zens. In der Fol­ge der All­ge­mein­ver­füg­bar­keit von ChatGPT muss es in Nie­der­sach­sen von unter­schied­li­chen Stel­len aus „Order“ gege­ben haben, sich mit die­sem The­ma dienst­lich aus­ein­an­der­zu­set­zen. Ganz so schlecht schei­nen mei­ne Vor­ar­bei­ten und Ansich­ten nicht gewe­sen zu sein, sodass ich durch sehr vie­le teil­wei­se sehr ein­fluss­rei­che Kon­tex­te gezo­gen bin. Über­wog anfangs noch über­wie­gend die Angst, nun­mehr stän­dig „betro­gen“ zu wer­den ver­bun­den mit dem Ruf nach for­ma­len Lösun­gen, ver­sach­lich­te sich das The­ma nach und nach. Das ging nach mei­nem Ein­druck bis dahin, dass ich teil­wei­se ein­ge­la­den wur­de, damit man den for­ma­len Auf­trag „von oben“ abge­ar­bei­tet hat­te, um dann „back to topic“ gehen zu können.

Ich hat­te kei­nen Auf­trag, das zu tun, was ich da getan habe. Ich habe es als mei­nen Auf­trag gese­hen, Wis­sen wei­ter­zu­ge­ben, mich selbst schlau­zu­ma­chen und ein­zu­ar­bei­ten und dabei auch die ethi­sche Per­spek­ti­ve mit ein­zu­be­zie­hen. Ich bin in der glück­li­chen und pri­vi­le­gier­ten Posi­ti­on, dass das Teil mei­ner Abord­nung als medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter ist. Ich muss kein Geld oder Rei­se­kos­ten neh­men. Das ist alles mit mei­nem Gehalt und den Rei­se­kos­ten­er­stat­tun­gen abgegolten.

Aber zu der Sache mit dem Geld kommt noch etwas viel Ent­schei­den­de­res als Pri­vi­leg: Sehr vie­le Men­schen, die sich neben dem Lehr­be­ruf für Fort­bil­dung ein­set­zen, tun das, weil das ihnen viel Freu­de und Aner­ken­nung bringt – viel­leicht die Freu­de und Aner­ken­nung, die in Schu­le selbst manch­mal feh­len. Natür­lich wird Aner­ken­nung durch Reich­wei­te und Erfül­lung von Bedar­fen mit erreicht und der Bedarf ist eben in der Brei­te oft das Auto­fah­ren (s.o.) – hier syn­onym für Too­li­fi­zie­rung ste­hend. Das trägt mit Sicher­heit mit zu den Phä­no­me­nen bei, die Joscha und Nele beobachten.

Ich kann aus mei­ner dop­pelt pri­vi­le­gier­ten Posi­ti­on her­aus „knö­tern“ und ande­ren das Spiel­zeug „KI“ auch ein­mal schmut­zig machen.

Wie müsste für mich die ideale Fortbildung (nicht nur zu KI) aussehen?

Dazu habe ich zusam­men mit eini­gen ande­ren ein klei­nes Sche­ma ent­wi­ckelt, was sich erst­mal nach einer Bin­se anhört und sich sehr stark an das Frank­furt-Drei­eck anlehnt.

Für mich waren dar­an drei Aspek­te neu oder sind mir durch die Arbeit stär­ker bewusst geworden:

  1. Der Lebens­welt­be­zug ist nicht nur für Schüler:innen wichtig.
  2. Jede Grup­pe ist hete­ro­gen und erfor­dert eine inne­re Differenzierung
  3. Jede Grup­pe hat Kom­pe­ten­zen, die es zu nut­zen und sicht­bar wer­den zu las­sen gilt

Ganz platt läuft das in mei­ner klas­si­schen Fort­bil­dung zu gene­ra­ti­ver KI folgendermaßen:

  1. Phä­no­me­ne (= Pro­duk­te) gene­ra­ti­ver KI zei­gen (Audio, Video, Bild etc.)
  2. Den Ent­ste­hungs­pro­zess infor­ma­tisch ent­zau­bern – es ist letzt­lich Mathe.
  3. eini­ge weni­ge Anwen­dungs­bei­spie­le für Lern­pro­zes­se zeigen
  4. Unter­schied­li­che Tools mit unter­schied­li­chen Anfor­de­run­gen selbst erkun­den lassen
  5. Erfah­rungs­aus­tausch in der Grup­pe und Trans­fer auf Unterrichtssituationen
Ein Seitenhieb zum Thema Demokratisierung von KI

Nele und Joscha bekla­gen, dass rund um KI das übli­che Oli­go­pol der Big5 ent­steht und gera­de im Bereich der Bil­dung mehr zivil­ge­sell­schaft­li­che Enga­ge­ment not­wen­dig wäre – zumin­dest ver­ste­he ich die bei­den so.

Um das Spiel­zeug schmut­zig zu machen: KI ist letzt­lich nur Mathe, dum­mer­wei­se immens auf­wän­di­ge, kom­ple­xe Mathe­ma­tik. Das Trai­ning eines Modells wird auf abseh­ba­re Zeit nicht zivil­ge­sell­schaft­lich mög­lich sein. Alle frei ver­füg­ba­ren Model­le sind vor­trai­niert und hin­sicht­lich ihrer Quel­len auch nicht wesent­lich trans­pa­ren­ter als die kom­mer­zi­el­len Ansätze.

Wir wer­den als Medi­en­zen­trum dem­nächst eige­ne KI-Model­le betrei­ben, von Schüler:innen wer­den die­se aller­dings nur unter Auf­sicht genutzt wer­den kön­nen, da nicht klar ist, wel­che Inhal­te man die­sen Model­len prin­zi­pi­ell ent­lo­cken kann.

Wie kom­plex das Trai­ning eines Modells ist, kann man dar­an ermes­sen, dass selbst gro­ße Anbie­ter ihre Model­le nach Mög­lich­keit nicht mehr anfas­sen, wenn die­se einen gewis­sen Rei­fe­grad erreicht haben. Statt­des­sen wer­den Daten­ban­ken auf­ge­baut, die Benutzer:innen beim Promp­ting „unter­stüt­zen“ und auch letzt­lich die ethi­schen Aspek­te „umset­zen“. Das Modell selbst wird nicht mehr angefasst.

Daher ist aus heu­ti­ger Sicht aus infor­ma­ti­scher Per­spek­ti­ve mei­ner Mei­nung nach die Demo­kra­ti­sie­rung von KI ein net­tes Luft­schloss. Weder gibt es die not­wen­di­gen Rechen­ka­pa­zi­tä­ten noch das Know-How, aus belie­bi­gen spe­zi­fi­schen Trai­nigs­da­ten ein sta­bi­les Modell zu erzeugen.

Die Schule muss ein Raum ohne noch mehr Bildschirmzeit bleiben!

Zuneh­mend erle­be ich in Bera­tungs­si­tua­tio­nen, dass sich Leh­rer­kol­le­gi­en – vor­wie­gend im gym­na­sia­len Bereich – gegen eine 1:1 Aus­stat­tung aus­spre­chen und – falls sich das durch öffent­li­chen Druck nicht ver­hin­dern lässt – dann wenigs­tens für eine mög­lichst spä­te, etwa in der Oberstufe.

Tat­säch­lich hal­te ich es für falsch, den Grad der Digi­ta­li­tät einer Schu­le an der mög­lichst häu­fi­gen Nut­zung digi­ta­ler Gerä­te zu mes­sen. 1:1‑Klassen mit eltern­fi­nan­zier­ten Gerä­ten sind noch lan­ge kein Garant dafür, dass die poten­tia­le digi­ta­ler Werk­zeu­ge auch tat­säch­lich genutzt wer­den. Die­se Gerä­te stel­len eine Stö­rung dar – eine wort­wört­li­che durch ihr Ablen­kungs­po­ten­ti­al – aber eben auch eine sys­te­mi­sche Stö­rung und (eta­blier­te) Sys­te­me kon­fi­gu­rie­ren sich immer so um, dass die Aus­wir­kun­gen von Stö­run­gen mini­miert wer­den. Das geschieht auch in Sys­te­men, die eine 1:1‑Ausstattung haben: Nach außen gibt es gar nicht so sel­ten deut­lich posi­ti­ve Dar­stel­lun­gen, wohin­ge­gen die natür­lich im Inne­ren vor­han­de­nen Schwie­rig­kei­ten und Kon­flik­te aus­ge­blen­det sind – dabei lie­ße sich dar­an m.E. viel lernen.

Daher ist aus Sicht des Sys­tems völ­lig logisch, Gerä­te nicht stän­dig im Unter­richt prä­sent zu haben oder wenn, dann in mög­lichst spä­ten Ent­wick­lungs­pha­sen. Bemer­kens­wert sind dabei oft die Art und Wei­se des Dis­kur­ses mit den seit Jah­ren wie­der­keh­ren­den Argu­men­ten. Alle gän­gi­gen Argu­men­te sind seit Jah­ren dis­ku­tiert und wis­sen­schaft­lich ein­ge­ord­net, man­che bis heu­te nicht zufrie­den­stel­lend aus­dis­ku­tiert, aber eben­die­se Dis­kus­sio­nen müs­sen immer wie­der neu geführt wer­den und der Anspruch, „dass das ja alles all­mäh­lich klar sein müss­te“, läuft ins Lee­re – weil der Pro­zess zu Ein­sich­ten führt und nicht das blo­ße Lesen.

Die­se Art des Argu­men­tie­rens und Strei­tens ist nie spe­zi­fisch für ein Sys­tem. Ich hal­te es mit für eine Fol­ge, dass es nur wenig Res­sour­cen zur schul­über­grei­fen­den Zusam­men­ar­beit gibt. Daher wie­der­ho­len sich Struk­tu­ren eben wie­der und wieder.

Ich habe kei­ne Lösun­gen und kei­ne kla­ren Ant­wor­ten als Bera­ten­der. Ich kann im bes­ten Fall dafür sor­gen, dass es noch mehr, dafür aber ande­re Fra­gen mit brei­te­rem Fokus gibt. Ich kann dafür sor­gen, dass ande­re Per­spek­ti­ven wahr­ge­nom­men wer­den. Aber ich kann „nicht machen, dass alles gut wird“ – dafür braucht es schul­in­ter­ne Vor­aus­set­zun­gen. Jedoch gibt es in den statt­fin­den­den Dis­kur­sen ein paar Grund­struk­tu­ren, deren Kennt­nis hilf­reich bei der Ein­ord­nung bestimm­ter Äuße­run­gen sein kann.

Der Strohmann

Beim Stroh­mann-Argu­ment wird der Ein­druck erzeugt, dass ein geg­ne­ri­sches Argu­ment wider­legt wird, obwohl eigent­lich ein Argu­ment zurück­ge­wie­sen wird, das der Geg­ner gar nicht vor­ge­tra­gen hat, son­dern ihm ledig­lich unter­stellt wur­de. (Quel­le)

Bei­spie­le:

Die Kin­der müs­sen ver­läss­lich das Lesen, Schrei­ben und Rech­nen lernen“

Es ist für die kogni­ti­ve Ent­wick­lung wich­tig, auf Papier zu schreiben“

Es gibt tat­säch­lich ein­zel­ne (in mei­nen Augen eher nai­ve) medi­en­päd­ago­gi­sche Posi­tio­nen, die die­se Behaup­tun­gen ableh­nen oder im digi­ta­len Zeit­al­ter rela­ti­viert sehen wol­len. Das sind aber Ausnahmen.

In der Regel behaup­tet das von den Befür­wor­tern von 1:1‑Klassen an Schu­len nie­mand, son­dern impli­zit wird von den Skep­ti­kern ange­nom­men, dass von nun an aus­schließ­lich mit dem jewei­li­gen Gerät gear­bei­tet wer­den muss. Gemeint ist aber gemein­hin ledig­lich, dass von nun an auch mit dem Gerät gear­bei­tet wer­den kann.

 

Die Monokausalität

Bei einer mono­kau­sa­len Erklä­rung wird ange­nom­men, dass genau ein (alt­grie­chisch μόνος monos ‚allei­nig‘, ‚ein­zig‘) Ereig­nis ein wei­te­res Ereig­nis ver­ur­sacht. Es ist auch mög­lich, dass die­ses eine ursäch­li­che Ereig­nis meh­re­re Wir­kun­gen ent­fal­tet. (Quel­le)

Bei­spie­le:

Seit der Digi­ta­li­sie­rung wer­den Leis­tun­gen von Schüler:innen noch schlechter.“

Durch die Digi­ta­li­sie­rung nimmt die Anstren­gungs­be­reit­schaft von Schüler:innen dras­tisch ab.“

Bei­des ist in den PISA-Gewin­ner­län­dern nicht der Fall. Dass Tai­wan oder Finn­land Deutsch­land im Bereich der Digi­ta­li­sie­rung „gering­fü­gig“ vor­aus sind (wobei die Sache mit der Leis­tungs­stei­ge­rung in Finn­land rück­läu­fig ist), bele­gen die neus­ten Ergeb­nis­se. Es besteht damit zumin­dest Grund zu der Annah­me, dass wei­te­re Fak­to­ren dabei eine Rol­le spie­len könnten.

Eine der nahe­lie­gen­den Ursa­chen ist für mich der weit­ge­hend unre­flek­tier­te Umgang mit Medi­en­the­men in der Brei­te der Zivil­ge­sell­schaft und es wäre gera­de an Schu­le für eine ent­spre­chen­de Kom­pen­sa­ti­on zu sor­gen (s.u.).

Etwas wei­ter her­ge­holt sind für mich dabei gene­rel­le gesell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen aus­schlag­ge­bend: Wenn es z.B. mehr Arbeit gibt, als Men­schen, die sie erle­di­gen und Sozi­al­leis­tun­gen ein grund­stän­dig wür­di­ges Leben garan­tie­ren, muss ein Indi­vi­du­um in der Eigen­wahr­neh­mung vie­ler immer weni­ger leis­ten, um Arbeit zu fin­den. Dass die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Jobs im Gegen­satz dazu immer grö­ße­re Anfor­de­run­gen stel­len – auch und vor allem in Hin­blick auf digi­ta­le Fer­tig­kei­ten, steht auf einem ande­ren Blatt. Wir leben in einem rei­chen Land, in dem die Per­spek­ti­ve, noch mehr Wohl­stand errei­chen zu kön­nen, gar nicht so arg rea­lis­tisch ist wie z.B. in Schwel­len­län­dern. Das könn­te zumin­dest ansatz­wei­se Aus­wir­kun­gen auf die Anstren­gungs­be­reit­schaft haben.

 

Cherrypicking

Bei­spiel:

Die Kin­der ver­brin­gen schon viel zu viel Zeit in der Frei­zeit am digi­ta­len Gerät. Es muss bild­schirm­freie Zei­ten und Orte geben.“

Eigent­lich ist das zusätz­lich ein Stroh­mann, denn auch Ver­fech­ter von 1:1‑Klassen wür­den durch­aus beja­hen, dass Expe­ri­men­tie­ren am rea­len Gegen­stand, Sport­un­ter­richt und Dis­kus­sio­nen mit ech­ten Men­schen ohne die Prä­senz von digi­ta­len Gerä­ten wirk­lich sinn­vol­le Aktio­nen sind. Ich set­ze z.B. bis heu­te im Che­mie­un­ter­richt wenig Digi­ta­les ein – dafür gibt es da viel zu viel zu den­ken, bau­en, rie­chen, schau­en, hören usw..

Span­nend ist für mich an die­sem Argu­ment etwas völ­lig ande­res: Es impli­ziert, dass im Bereich der Frei­zeit unkon­trol­lier­ba­res, über­bor­den­des und in der Sum­me schäd­li­ches Medi­en­ver­hal­ten statt­fin­det, wel­ches durch expli­zit „medi­en­freie Räu­me“ kom­pen­siert wer­den muss – aktu­el­le Erkennt­nis­se aus Skan­di­na­vi­en schei­nen das zumin­dest für den Ele­men­tar- und Prim­ar­be­reich zu bestä­ti­gen – wer­den aber gene­ra­li­sie­rend wahrgenommen.

Es ist kei­nes­wegs so, dass Schwe­den sich gene­rell von digi­ta­len Medi­en abkehrt, man tut das im Ele­men­tar- und Prim­ar­be­reich. In der Regel erfolgt die Eta­blie­rung von 1:1‑Klassen in Deutsch­land ab Klas­se 7. Das ist in die­ser Alters­stu­fe sogar in Tei­len von unbe­streit­bar sehr kon­ser­va­ti­ven medi­en­päd­ago­gi­schen Posi­tio­nen gedeckt (vgl. Lan­kau, Spit­zer, Zierer).

Ange­nom­men, dass das mit dem schäd­li­chen Medi­en­kon­sum in der Sum­me stimmt (was – dif­fe­ren­ziert betrach­tet – nicht so ganz tri­vi­al zu beant­wor­ten sein dürf­te): Wer trägt dann die Ver­ant­wor­tung dafür? Kin­der und Jugend­li­che sind sehr oft Spie­gel ihrer Vor­bil­der. Gar nicht so weni­ge die­ser Vor­bil­der neh­men das Han­dy beim Auto­fah­ren in die Hand, legen es beim Essen nicht weg oder nut­zen es inten­siv in beruf­li­chen Kon­tex­ten, die als lang­wei­lig erlebt wer­den – man set­ze sich ein­mal ganz hin­ten in z.B. eine Leh­ren­den­kon­fe­renz. Aber da liegt der Fall ja völ­lig anders als bei Schü­lern, die sich im Unter­richt ablenken.

Es gibt – zumin­dest für medi­en­kom­pe­ten­te Eltern – ja durch­aus Hand­lungs­op­tio­nen. Wenn man aner­kennt, dass der Umgang mit der digi­ta­len Welt eine grund­le­gen­de Fer­tig­keit sein wird, wozu auch Ver­ein­ba­run­gen und Impuls­kon­trol­le gehö­ren, war­um liegt dann die Lösung dar­in, die­se Opti­on aus Schu­le weit­ge­hend her­aus­zu­hal­ten oder mög­lichst spät ein­zu­üben? Immer­hin set­zen beruf­li­che Schu­len die­se Fer­tig­kei­ten bei der Auf­nah­me der Schüler:innen vor­aus oder soll­ten das zumin­dest in Nie­der­sach­sen auf dem Papier vor­aus­set­zen können.

Der Charme der 1:1‑Ausstattung liegt dar­in, dass digi­ta­le Arbeits­tech­ni­ken und der Gebrauch als Lern­werk­zeug (statt als Kon­sum­ge­rät) in Schu­le nie­der­schwel­lig statt­fin­den kann und über­haupt erst auch für kur­ze Pha­sen zugäng­lich wird, was Kof­fer- und Schrank­lö­sun­gen auf­grund des erhöh­ten Auf­wan­des bei Buchung und Trans­port so nicht bieten.

Wie die Bild­schirm­zeit im häus­li­chen Bereich von Eltern ver­ant­wor­tet wird, besteht die­se Mög­lich­keit in der Schu­le grund­sätz­lich für die Lehr­kräf­te – es gibt hier sogar tech­ni­sche Lösun­gen dafür.

 

Projektionen

Die­ser Bereich ist immens sen­si­bel. Vie­le Lehr­kräf­te neh­men sehr wohl drei Din­ge wahr:

  • die digi­ta­li­sier­te Gesell­schaft wan­delt sich auf bis­her nicht erleb­te Art und Weise
  • die eige­ne Kom­pe­tenz kann nicht Schritt hal­ten im Umgang mit aktu­el­len Entwicklungen
  • vie­les scheint mit vie­lem zusam­men­zu­hän­gen und ist daher schwie­rig zu greifen

All dies erzeugt immense Unsi­cher­hei­ten, die sich manch­mal in Kon­flik­ten unschön kana­li­sie­ren. Für mich bringt es Fried­rich Glasl gut auf den Punkt:

Jede Per­so­nen neigt unter­schied­lich stark dazu, eige­ne Schwä­chen nur schwer anneh­men zu kön­nen, was zu inne­ren Span­nun­gen führt. Damit ver­bun­de­ne Ver­hal­tens­wei­sen wer­den in der Fol­ge ande­ren zuge­schrie­ben oder sogar als von die­sen ver­ur­sacht erlebt, was aller­dings mit Selbst­vor­wür­fen und Schuld­ge­füh­len ein­her­geht. Es droht dadurch ein Teu­fels­kreis von zuneh­men­der Anspan­nung, neu­en Pro­jek­tio­nen und ggf. Über­re­ak­tio­nen gegen­über Ande­ren, die wei­te­re Span­nun­gen und Frus­tra­tio­nen erzeu­gen. (Quel­le)

Nicht nur im digi­ta­len Bereich bekom­men enga­gier­te Kolleg:innen in Dis­kus­sio­nen oft eini­ges an Pro­jek­tio­nen aus dem Kol­le­gi­um ab, weil sie einem The­ma eine fass­ba­re Angriffs­flä­che bie­ten: „Du woll­test ja immer schon …“ „Wegen dir haben wir …“ usw. Oft wer­den sie dar­über­hin­aus im öffent­li­chen Dis­kurs in der Situa­ti­on nicht aus­rei­chend von ihren Schul­lei­tun­gen geschützt, da die­se selbst immer mehr in Anhän­gig­kei­ten gegen­über dem Kol­le­gi­um geraten.

In schlimms­ten Fall sehen das ande­re enga­gier­te Kolleg:innen, wor­auf sie sich selbst auch nicht mehr öffent­li­chen Dis­kus­sio­nen aus­set­zen und der Dis­kurs dann letzt­lich eher von den kon­ser­va­tiv-bewah­ren­den Kräf­ten getra­gen wird.

Als Bera­ter von außen ist es nicht sehr tra­gisch, Opfer von Pro­jek­tio­nen zu wer­den – das lässt sich durch ent­spre­chen­de Hand­lungs­mus­ter und rhe­to­ri­sche Stra­te­gien gut auf­fan­gen. Ich bin am nächs­ten Tag wie­der weg.

Jemand, der im jewei­li­gen Sys­tem Wur­zeln hat und noch län­ge­re Zeit leben muss, wird sich zwei­mal über­le­gen, sich zur Pro­jek­ti­ons­flä­che zu machen, wenn ihm/ihr die­ses „Glück“ ein­mal wider­fah­ren ist oder er/sie Kolleg:innen in die­sen Situa­tio­nen erlebt hat.

Was müssen wir zukünftig wissen und können?

Es geht hoch her in Bil­dungs­dis­kus­sio­nen. Ein Mathe­ma­tik­pro­fes­sor aus NRW äußert sich kri­tisch zum Stand der aktu­el­len Mathe­ma­tik­di­dak­tik. Bil­dungs­t­wit­ter geht steil nach eher kon­ser­va­ti­ven Äuße­run­gen einer ehe­ma­li­gen Lehr­kraft zu neu­en Prü­fungs­for­ma­ten. Im Kern geht es um die Fra­ge, was ein Indi­vi­du­um in einer Welt der Digi­ta­li­tät indi­vi­du­ell beherr­schen muss und was über Kom­pe­ten­zen in einer digi­ta­li­sier­ten Welt durch digi­ta­le Tech­no­lo­gie (die meist nur ein Por­tal in einen vir­tu­el­len gesell­schaft­li­chen Raum bie­tet) mehr oder min­der mit­tel­bar erschlos­sen wer­den kann.

  • Man muss nicht mehr pro­gram­mie­ren kön­nen. Das wer­den Maschi­nen bald bes­ser und auto­ma­ti­siert machen.“
  • Man muss bestimm­te krea­ti­ve Pro­duk­te bzw. Vor­stu­fen davon nicht selbst erstel­len kön­nen. Nur die wenigs­ten Men­schen kön­nen mit den Leis­tun­gen von KI-Sys­te­men konkurrieren.“
  • Man muss Tech­nol­gie nicht ver­ste­hen. Die kom­pe­ten­te Benut­zung ist ausreichend.“

Vie­le Annah­men über die Zukunft sind Annah­men. Wir wis­sen nichts dar­über, was gesell­schaft­lich und poli­tisch gesche­hen wird, ob sich z.B. Demo­kra­tien mit ihren recht lang­wie­ri­gen poli­ti­schen Pro­zes­sen gegen auto­kra­ti­sche Staat­for­men vor allem wirt­schaft­lich behaup­ten wer­den, die eben durch ihre auto­kra­ti­schen Struk­tu­ren Pro­ble­men wie denen in Kon­text des Kli­ma­wan­dels viel effek­ti­ver ent­ge­gen­tre­ten kön­nen. Wir wis­sen selbst in Demo­kra­tien nicht, wel­che Effek­te durch z.B. Lob­by­is­mus lang­fris­tig die Gesell­schaft bestim­men werden.

Das mit den „Kom­pe­ten­zen von mor­gen“ ist ein wun­der Punkt in plau­si­bel klin­gen­den Model­len wie VUCA, BANI, die sich an Beschrei­bun­gen ver­su­chen, aus deren Buz­zwords sich aber kei­nes­falls kon­kre­te­re Hand­lun­gen ablei­ten lassen.

Damit rei­hen sich die­se Model­le wie vie­le ande­re struk­tu­rell in den Rei­gen von z.B. Sprach­mo­del­len ein, die Gegen­wart repro­du­zie­ren, kei­nes­falls aber dar­über hin­aus­ge­hen (kön­nen).

Weil alles so unbe­stimmt ist, scheint der Griff nach der guten, alten Zeit schlüs­sig: Das hat funk­tio­niert. Das ist die Grund­la­ge unse­rer immer noch sehr star­ken deut­schen Wirt­schaft, Anstren­gungs­be­reit­schaft, Ler­nen, sich mehr oder min­der lie­be­voll lei­ten las­sen. Und bei­de Lager rhe­to­ri­sie­ren unter dem Deck­man­tel der Sach­lich­keit mehr oder min­der pola­ri­sie­rend auf­ein­an­der ein.

Struk­tu­rell erin­nert mich das an sehr alte Kon­zep­te und Per­spek­ti­ven auf die Welt: Die Mate­ria­lis­ten mit ihrem eher kul­tur­pes­si­mis­ti­schen Ansatz und die Idea­lis­ten mit ihrem Glau­ben an die Ent­wick­lungs­fä­hig­keit des Menschen.

Autopoesis des Individuums ist eine (idealistische) Utopie

Eine bestimm­te Art des Ler­nens fin­det bei mir über Sinn­stif­tung statt: Wenn ich ein Ziel habe – etwa für eine Grup­pe Gitar­re spie­len zu kön­nen – dann wer­de ich natür­lich das Gitar­re­spie­len je nach Bega­bung viel schnel­ler ler­nen als wenn ich von mei­nen Eltern dazu gezwun­gen wer­den, Gitar­re zu spie­len. Letz­te­res schließt aber nicht per se aus, dass ich es in mei­nem Leben irgend­wann bereu­en könn­te, nicht doch das Gitar­ren­spie­len erlernt zu haben, weil ich eben noch nicht weiß, wie mein Leben ver­lau­fen wird. Ande­re – wie in dem Bei­spiel mei­ne Eltern – haben auf­grund ihrer Lebens­er­fah­rung eine Vor­stel­lung, wie es ver­lau­fen könn­te – die habe ich selbst zu die­sem Zeit­punkt viel­leicht nicht.

Wohl­wol­lend und bezo­gen auf Schu­le sind nun Cur­ri­cu­la („Lehr­plä­ne“) schlicht nach Vor­stel­lun­gen von dem auf­ge­baut, was ein auch immer gear­te­tes Kol­lek­tiv von Men­schen denkt, was im Leben von jun­gen Men­schen eine Rol­le spie­len könn­te – aber eben nicht muss. Und der Streit dar­über, was das genau ist, fin­det auf meh­re­ren Ebe­nen statt.

  • In wel­chem Maß soll­te Sinn­stif­tung beim Lern­pro­zess die allei­ni­ge Rol­le spielen?
  • In wel­chem Maß sind kom­plett indi­vi­dua­li­sier­te Lern­pro­zes­se mit wel­chem Sys­tem wie abbildbar?
  • In wel­chem Ver­hält­nis ste­hen Meta­kon­zep­te wie z.B. die Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung zu den für ihren Erwerb not­wen­di­gen Vor­aus­set­zun­gen wie Wis­sen oder Kennt­nis­se von Informationen?

Kom­pe­tenz­ler wer­den ant­wor­ten, dass Kom­pe­ten­zen sich ja immer an einem kon­kre­ten Sach­ge­gen­stand ent­wi­ckeln – ich stel­le ver­mehrt fest, dass ich von immer mehr Dumm­heit umge­ben bin – poli­tisch erle­ben wir das gera­de ganz hübsch mit dem Auf­stieg rech­ter Par­tei­en – über­all auf der Welt. Die loka­le Wirt­schaft klagt, dass Aus­zu­bil­den­de immer weni­ger wis­sen und kön­nen, was für den jewei­li­gen Beruf rele­vant ist. In mei­nem Stu­di­um neh­me ich gar nicht so wenig Men­schen wahr, die Ler­nen als sehr kon­sum­ori­en­tiert wahr­neh­men – es muss ihnen „gemacht wer­den“. Das Netz quillt über von Inhal­ten, die aus einer huma­nis­ti­schen Per­spek­ti­ve zumin­dest bemer­kens­wert sind: Por­no­gra­fie, Selbst­dar­stel­lung, Beau­ty­wahn, die x‑te durch­aus gesund­heits­ge­fähr­den­de Tik­Tok-Chall­enge, Kom­mu­ni­ka­ti­on auf opti­mier­ba­rem Niveau. Rein quan­ti­ta­tiv schei­nen mir die Schät­ze und Sup­port­sys­te­me dage­gen „leicht“ unter­re­prä­sen­tiert zu sein.

Trotz­dem wer­den vie­le Ver­fech­ter „neu­er Lern- und Schul­kon­zep­te“ nicht müde, die Vor­tei­le und Mög­lich­kei­ten, die das Inter­net bie­tet, immer wie­der ins Feld zu füh­ren. Kri­tik dar­an wird gar nicht so sel­ten als Kul­tur­pes­sim­i­mus abgetan.

Auto­poe­sis im Sin­ne einer huma­nis­ti­schen Denk­wei­se benö­tigt Vor­aus­set­zun­gen, die es im Rah­men von Bil­dungs­pro­zes­sen oft erst zu ent­wi­ckeln gilt. Die Vor­aus­set­zun­gen dafür sind in einer Gesell­schaft, die mate­ri­ell im Gro­ßen und Gan­zen sehr gut ver­sorgt ist, gar nicht immer „von sich aus“ gege­ben. Ich hal­te die­ses Kon­zept daher zuneh­mend für ein äußerst optimistisches.

Das Modalverb aus dem Titel dieses Artikels

Der Titel die­ses Arti­kels ent­hält das Modal­verb „müs­sen“. Dem Wesen nach ist das schon ziem­lich auto­kra­tisch. Es könn­te sein, dass etwas gemusst wird, was u.U. im ers­ten Moment gar kei­ne Freu­de macht und des­sen Sinn sich dem Indi­vi­du­um auch nicht sofort erschließt. Klar kann ich Kon­ver­sa­ti­on n einer Fremd­spra­che mitt­ler­wei­le ohne Fremd­spra­chen­kennt­nis­se betrei­ben. Und klar wird sich die­se Tech­no­lo­gie bald sehr weit ent­wi­ckelt haben – viel weni­ger Mühe und wesent­lich spaß­be­ton­ter als z.B. Voka­beln zu ler­nen. Das mit den Fremd­spra­chen ist nur ein Bei­spiel. Als ange­hen­der Infor­ma­tik­leh­rer den­ke ich da an Kon­zep­te wie das Binär­sys­tem oder Sor­tier­al­go­rith­men – braucht man nicht, nur wird man sein Leben lang von Tech­no­lo­gie umge­ben sein, die dar­auf auf­bau­en­de Kon­zep­te nutzt. Das Nicht­wis­sen kann gut gehen, muss es aber nicht.

Mein Plä­doy­er ist daher eines für mehr Sanft­mut mit Men­schen, die das „Müs­sen“ in den Mit­tel­punkt ihres Han­delns als z.B. Lehr­per­son stel­len. Auch sie könn­ten selbst in einer stark ver­än­der­ten Welt in Tei­len immer nicht rich­tig liegen.

 

Dieses Jahr im Abitur in der Vaterrolle – eine Elternrede

Eine Elternrede zum Abitur

Ich durf­te in die­sem Jahr die Eltern­re­de hal­ten. Der Song, von dem die Rede ist:

Akti­vie­ren Sie Java­Script um das Video zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=xMat6dqM298

Die beson­de­re Chall­enge lag dar­in, dass ich auch selbst Kol­le­ge und auch medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter im Land­kreis bin. Da muss man sich ganz sicher mit den unter­schied­li­chen Rol­len sein.

 

Die Rede

Ihr habt es geschafft. Ihr habt Abitur. Euch steht jetzt jede Aus­bil­dung offen – zumin­dest die, die nicht an einem Noten­schnitt oder einer Ein­gangs­prü­fung hängt. Kei­ne Fra­gen nach Noten oder dem Schul­tag mehr zu Hau­se. Das mit dem frü­hen Auf­ste­hen ist auch für eine Wei­le erle­digt. Für die meis­ten steht wohl ein chil­li­ger Som­mer an.

Gro­ßer Dank an die­ser Stel­le an eure Lehr­kräf­te. Ich konn­te haut­nah erle­ben, wie sehr so man­chen Kolleg:innen mit euch mit­ge­fie­bert haben. Und jetzt müsst ihr nur noch her­aus­fin­den, wie euer per­sön­li­cher Geist aus der Fla­sche fährt. Das Gemei­ne ist das Wört­chen „nur“ dabei in unse­rer Zeit. Das ver­ges­sen wir Älte­ren ger­ne. Denn es gibt so viel! Abun­dance. Über­fluss – über den wir Älte­ren im Digi­tal­be­reich oft sehr klagen.

Mir ist vor nicht all­zu lan­ger Zeit eine Unter­hal­tung pas­siert. Mit einem jun­gen Men­schen wie euch. Die­ser Mensch hat­te sich das drit­te Mal für eine Ände­rung des Stu­di­en­gan­ges ent­schie­den und wuss­te immer noch nicht, ob das jetzt rich­tig wäre. Papa war so mit­tel amu­sed. Druck. Ich muss­te an einen Song von Tina Dico denken.

Some­ti­mes the fas­test way to get the­re is to go slow
and some­ti­mes, if you wan­na hold on, you got to let go.“

Eigent­lich lässt man es bes­ser auf Eng­lisch, weil es im Deut­schen viel von sei­ner Kraft ver­liert. Aber nicht jeder hier heu­te kann Eng­lisch. Des­we­gen ver­su­che ich es einmal.

Manch­mal ist der schnells­te Weg, um anzu­kom­men, lang­sam zu gehen.
Und manch­mal musst du etwas los­las­sen, um dabei­blei­ben zu können.“

Den bis­he­ri­gen Weg sind Men­schen mit euch gegan­gen. Ein gan­zes Dorf: Eure Fami­lie, eure Lehr­kräf­te – hier und an eurer Grund­schu­le, eure Ver­wand­ten, viel­leicht eure Trai­ner in den Sport­ver­ei­nen, viel­leicht Mit­ar­bei­ten­de und Ehren­amt­li­che in der Jugend­ar­beit und Kir­chen und sozia­len Ver­bän­den, Men­schen, die euch in der KiTa betreut haben, vie­le Men­schen, ohne die ihr viel­leicht jetzt nicht gera­de hier, gera­de heu­te sit­zen wür­det. Übri­gens: In einer der für mich schöns­ten Schu­len Nie­der­sach­sens! Und ich kom­me viel her­um. Ohne Schul­trä­ger, ohne Poli­tik , das Team der Schul­lei­tung (über die wir ger­ne eher meckern), ohne Per­so­nal wie Haus­meis­ter, Raumpfleger:innen, Sekretär:innen, Schul­so­zi­al­ar­beit – alles nicht mög­lich. Dan­ke an Sie alle.

Ihr habt viel­leicht schon heu­te Abend oder in der nächs­ten Wochen eine gute Chan­ce, man­chen von die­sen Men­schen gegen­über etwas los­zu­wer­den. Sagt es ihnen. Ein Lob wärmt. Kri­tik zeigt immer Inter­es­se. Schwei­gen ver­un­si­chert. Im Leben zer­bricht deut­lich häu­fi­ger etwas an dem, was nicht gesagt wird als an dem, was gesagt wird.

Viel­leicht erin­nert ihr heu­te am ehes­tens die immer­wäh­ren­den ner­vi­gen Fra­gen, wie es in der Schu­le war oder das gemein­sa­me, manch­mal etwas müh­se­li­ge gemein­sa­me Üben mit irgend­wem, wenn etwas in der Schu­le nicht so gelau­fen ist. Viel­leicht erin­nert ihr euch jetzt eher an das immer­wäh­ren­de Bewer­tet­wer­den. Das geht lei­der noch ein wenig wei­ter. Viel­leicht erin­nern wir Eltern uns an so man­chen Gefühls­aus­bruch und Zwei­fel an unse­ren Fähig­kei­ten, an apo­ka­lyp­ti­sche Par­tys, War­ten in Auto­kor­sos mit Eltern in Jog­gings­an­zü­gen vor der Par­ty und nächt­li­che Nah­rungs­ge­lüs­te nach sol­chen – gera­de in der letz­ten Zeit.
Viel­leicht mischen sich aber auch sen­ti­men­ta­le­re Töne in die­se Rück­schau. Bei euch, weil eurer Weg eigent­lich erst beginnt und mit jedem eurer Schrit­te wei­ter ent­steht, für uns Eltern, weil sich für uns etwas ändert – sodass wir uns gele­gent­lich bald wün­schen wer­den, end­lich wie­der ein­mal eine ver­wüs­te­te Küche oder Woh­nung auf­zu­räu­men oder Wäsche aus dem Puma­kä­fig waschen zu dür­fen. Schließ­lich ja noch gar nicht so lan­ge her, dass ihr auf eine Arm­län­ge von uns gepasst habt.

Some­ti­mes, if you wan­na hold on, you got to let go.“

Eini­ge von euch wis­sen viel­leicht schon fel­sen­fest, was sie machen wol­len. Ich wuss­te das auch. Ich woll­te in eurem Alter auf gar kei­nen Fall Leh­rer wer­den, weil mei­ne Mut­ter woll­te, dass ich Leh­rer wer­de. Ich woll­te auf jeden Fall nie mehr als zwei Kin­der. Und eine fes­te Bezie­hung konn­te ich mir erst­mal auch nicht vor­stel­len. Viel­leicht ver­mu­tet ihr es schon: Davon ist jetzt nicht so viel genau so gekom­men. Das geht bis heu­te so.
Eini­ge von euch aber wis­sen viel­leicht auch gar nicht oder gar nicht so ganz sicher, wie es wei­ter­geht und fra­gen sich jetzt viel­leicht: Was wer­de ich tun? Wel­cher Weg ist der Rich­ti­ge für mich? Habe ich die rich­ti­ge Ent­schei­dung getrof­fen? Schaf­fe ich das? Ich mache viel­leicht schon ein Jahr etwas ande­res – was ist, wenn ich es danach immer noch nicht weiß? Und was ist, wenn ich nichts fin­de? Was ist, wenn ich es nicht schaffe?

Some­ti­mes the fas­test way to get the­re is to go slow.“

Jeder von euch ist heu­te schon­mal hier.

Wie­der ein­mal ein skan­di­na­vi­sches Land hat die­se Fra­gen schon lan­ge im Blick. In Däne­mark kann man für über­schau­ba­re Prei­se für eini­ge Zeit in eine der „fol­kehø­js­ko­le“ (Volks­hoch­schu­le) gehen, die als Inter­nat kon­zi­piert sind – sie haben nur sehr wenig mit ihren deut­schen Pen­dants zu tun. Kur­se zu Hea­vy Metal in einer z.B. klös­ter­li­chen Umge­bung sind dort kein Wider­spruch. Es gibt kei­ne Zie­le, kei­ne Prü­fun­gen, kei­ne Zer­ti­fi­ka­te. Im Mit­tel­punkt ste­hen der Mensch, das Mit­ein­an­der, der mitt­ler­wei­le inter­na­tio­na­le Dia­log. Es geht dar­um, zu sich zu kom­men, lang­sam zu gehen, um dann eine ers­te Ent­schei­dung dar­über zu tref­fen, wie es wei­ter­geht. Gerüch­te­hal­ber sol­len däni­sche Bildungspolitiker:innen berech­net haben, dass die „ fol­kehø­js­ko­le“ dem däni­schen Staat trotz der teu­ren Inter­nats­struk­tur mehr Geld spart als sie an Kos­ten ver­ur­sacht. (Jetzt kommt etwas Poli­tik: Gerüch­te­hal­ber sol­len jen­seits der Lan­des­gren­ze zu Däne­mark aber auch Wär­me­pum­pen selbst in unsa­nier­ten Alt­bau­ten im Win­ter wirt­schaft­lich funktionieren.)
Es gibt neben den däni­schen „fol­kehø­js­ko­le“ vie­le Mög­lich­kei­ten in Deutsch­land, Euro­pa, teil­wei­se sogar in der gan­zen Welt, sich für eine Wei­le in Gesell­schaft ein­zu­brin­gen und Selbst­stän­dig­keit zu erpro­ben, Druck zu neh­men für eine Zeit.
Wenn man sich nicht ent­schei­den kann, ist Druck immer der schlech­tes­te Bera­ter, den ihr bekom­men könnt. Bei fast jedem Ange­bot, mit dem Druck auf euch aus­ge­übt wird, soll­tet ihr miss­trau­isch wer­den. Lei­der muss man auch das immer wie­der sagen: Gera­de ihr Frau­en. Übri­gens nahe­zu egal, in wel­chem Lebensbereich.

Some­ti­mes the fas­test way to get the­re is to go slow.“

Läufer:innen wis­sen das: Die Sekun­den, die man am Anfang gewinnt, legt man spä­ter in Minu­ten obendrauf.

Aber ent­schei­den müsst ihr euch in einer Welt, die alles bie­tet und in einem Staat, der zuneh­mend jeden von euch braucht. Und ihr könnt es! Weil ihr Abitur und damit eine Wahl habt! Eine Wahl zu haben ist Luxus und nicht selbst­ver­ständ­lich. Dum­mer­wei­se gehört zu einer Wahl eine Ent­schei­dung. Und ja: Wah­len kön­nen manch­mal dumm ausgehen.

Wie Heinz Rudolf Kun­ze in irgend­ei­nem Jahr­hun­dert mal gesun­gen hat: Eige­ne Wege ent­ste­hen ja erst beim Gehen – nicht durch Zögern und Abwar­ten des ver­meint­lich Opti­ma­le­ren. Und das, was euch prä­gen wird, sind die Umwe­ge, die ihr gehen wer­det, z.B. die Par­tys, auf die ihr nicht geht, son­dern gera­tet, die Gesprä­che, die ihr nicht führt, son­dern die euch pas­sie­ren. Das Gespräch vom Anfang die­ser Rede wird z.B. für mich bleiben.

Wir Eltern müs­sen gemein­sam mit dem gesam­ten Dorf an Men­schen, mit dem ihr auf­ge­wach­sen seid – eure Lehr­kräf­te sind ja z.B. hier, dar­auf ver­trau­en, dass wir euch dafür alles mit­ge­ge­ben haben, damit ihr für euch ent­schei­den könnt und an den ver­meint­li­chen Feh­lern wach­sen wer­det. Wir müs­sen euch ver­trau­en, aber vor allem auch uns selbst, dass wir doch mehr rich­tig als falsch gemacht haben. Erzie­hung ist schließ­lich wie Bör­se: Hin­ter­her ist immer einfach.

Some­ti­mes, if you wan­na hold on, you got to let go“

Ihr wer­det alle euren Weg machen. Das weiß ich z.B. von zahl­rei­chen Gesprä­chen mit Ehe­ma­li­gen, die mir pas­siert sind. Wir ver­ges­sen in Deutsch­land ger­ne, dass es uns im Wesent­li­chen sehr gut geht, dass wir zumeist min­des­tens in war­men Woh­nun­gen mit genug zu essen in einem fried­li­chen Land sitzen.

Die Zukunft kann heut­zu­ta­ge manch­mal Angst machen. Ver­gesst aber nicht: Das ist nur die Zukunft, die wir nicht gestal­ten, die wir in unse­rem Den­ken so las­sen. Wir gestal­ten von nun an noch mehr mit euch. Als Dorf. Mit euren Wegen und Ent­schei­dun­gen. Ihr macht was draus, da bin ich mir sicher.

Some­ti­mes the fas­test way to get the­re is to go slow
and some­ti­mes, if you wan­na hold on, you got to let go“

Wie Sprachmodelle unsere Gesellschaft verändern werden

Ein Blick ins Klassenzimmer

Mar­tha hat eine Eng­lisch­haus­auf­ga­be bekom­men. Sie soll einen Text über die drei bekann­tes­ten Sehens­wür­dig­kei­ten von New York schrei­ben. New York steht im Zen­trum der aktu­el­len Unit im Eng­lisch­buch. Mar­tha ist nicht sehr gut in Eng­lisch. Aber die App auf ihrem Han­dy ist direkt an ChatGPT ange­dockt. ChatGPT ist eine künst­li­che Intel­li­genz, die auf mög­lichst natür­li­che Text­aus­ga­be opti­miert ist. Mar­tha tippt in ihre App: „Wri­te an artic­le about the three most famous sights in New York.“, denn das ist die Auf­ga­ben­stel­lung, die ihre Leh­re­rin ihr gege­ben hat. Her­aus kommt fol­gen­der Text (abge­druckt ist die unver­än­der­te Ausgabe):

New York City is one of the world’s most vibrant and exci­ting desti­na­ti­ons. Known for its diver­se cul­tu­re, bust­ling streets, and ico­nic land­marks, the city is a hub of enter­tain­ment and com­mer­ce. From the bright lights of Times Squa­re to the gran­deur of the Sta­tue of Liber­ty, New York offers a wealth of sights to explo­re. In this artic­le, we will take a clo­ser look at the three most famous sights in the city.

1. The Sta­tue of Liberty

The Sta­tue of Liber­ty is one of the most ico­nic land­marks in New York City. Loca­ted on Liber­ty Island, the sta­tue was gifted to the United Sta­tes by the peo­p­le of France in 1886 as a sym­bol of free­dom and demo­cra­cy. The sta­tue is 151 feet tall and is made of cop­per pla­tes, which have tur­ned green over time due to weathering.

Visi­tors can take a fer­ry to Liber­ty Island and climb to the top of the pedes­tal or even to the crown of the sta­tue for pan­o­r­amic views of the city sky­line and har­bor. The sta­tue is also visi­ble from Bat­tery Park in Lower Man­hat­tan, whe­re visi­tors can take in the stun­ning view of the sta­tue against the back­drop of the city.

1. The Empire Sta­te Building

The Empire Sta­te Buil­ding is a towe­ring sky­scra­per loca­ted in Mid­town Man­hat­tan. It was com­ple­ted in 1931 and was the world’s tal­lest buil­ding until 1971. The buil­ding stands at 1,454 feet tall and has 102 flo­ors. Visi­tors can take an ele­va­tor to the obser­va­ti­on deck on the 86th flo­or for breath­ta­king views of the city sky­line. On a clear day, visi­tors can see up to 80 miles in every direction.

The Empire Sta­te Buil­ding has been fea­tured in num­e­rous movies and is a popu­lar tou­rist desti­na­ti­on. The building’s art deco archi­tec­tu­re is a sight to behold, and the night­ti­me light­ing dis­play is an ico­nic part of the city skyline.

1. Cen­tral Park

Cen­tral Park is a vast green space loca­ted in the heart of Man­hat­tan. The park covers 843 acres and is a popu­lar desti­na­ti­on for both locals and tou­rists. Visi­tors can explo­re the park on foot, by bike, or even by hor­se-drawn car­ria­ge. The park fea­tures num­e­rous wal­king paths, gar­dens, lakes, and ponds, as well as famous land­marks such as the Cen­tral Park Zoo and the Bethes­da Fountain.

In the win­ter, visi­tors can go ice-ska­ting at the Woll­man Rink, and in the sum­mer, the­re are num­e­rous con­certs and events held in the park. Cen­tral Park is a wel­co­me respi­te from the hust­le and bust­le of the city and pro­vi­des a tran­quil oasis in the heart of Manhattan.

In con­clu­si­on, New York City is home to many famous sights, but the Sta­tue of Liber­ty, Empire Sta­te Buil­ding, and Cen­tral Park are three of the most ico­nic. The­se land­marks repre­sent the city’s histo­ry, cul­tu­re, and natu­ral beau­ty and are must-see desti­na­ti­ons for anyo­ne visi­ting the city. Whe­ther you’­re a first-time visi­tor or a lifel­ong New Yor­ker, the­se sights never cea­se to ama­ze and inspire.

Mar­tha mel­det sich und liest ihren Text vor. Ihre Lehr­kraft ist ver­wun­dert. Die­ser Text ent­spricht über­haupt nicht Mart­has bis­her im Unter­richt gezeig­ten Fähig­kei­ten. Sie hat den Ver­dacht, dass die­ser Text von irgend­wo­her kopiert sein könn­te – fin­det im Netz aber nichts. Mar­tha erhält eine gute Note.

Han­nes und Fred prä­sen­tie­ren ihren Text im Unter­richt. Eigent­lich lässt sich zum Inhalt wenig Schlech­tes sagen, aber das Geschrie­be­ne erin­nert dann doch mehr an Gespro­che­nes: Satz­zei­chen­in­fla­ti­on am Satz­en­de, kaum Groß- und Klein­schrei­bung und die Zei­chen­set­zung ist opti­mier­bar – oder gar nicht erst vor­han­den. Han­nes und Fred kopie­ren ihren Text dar­auf­hin in https://www.deepl.com/write . Das ist ein KI-basier­ter Web­dienst, der kei­ne Daten sam­melt und bis 2000 Zei­chen kos­ten­los ohne Account nutz­bar ist. Deepl ist eigent­lich ein sehr gutes Über­set­zungs­werk­zeug, kann in einer Beta­ver­si­on jetzt aber auch Tex­te sti­lis­tisch über­ar­bei­ten. Han­nes und Fred schau­en sich die vor­ge­schla­ge­nen Ände­run­gen an. Eini­ges gefällt ihnen, eini­ges scheint den Sinn ihres Tex­tes zu stark zu ver­än­dern. Sie ent­schei­den sich dazu, eini­ge Pas­sa­gen zu ändern, weil sie durch die Ände­run­gen wirk­lich bes­ser klingen.

Die­se bei­den Bei­spie­le zei­gen, was heu­te für alle bereits mit sprach­ba­sier­ter künst­li­cher Intel­li­genz mög­lich ist. Wäh­rend das ers­te Bei­spiel in vie­len Kol­le­gi­en in deut­schen Schu­len für Auf­ruhr sorgt, wenn das Poten­ti­al von Sprach­mo­del­len dort über­haupt ankommt, zeigt das zwei­te Bei­spiel, dass Sprach­mo­del­le gera­de unsi­che­re Schrei­ber sehr gut unter­stüt­zen könnten.

Die Auseinandersetzung über ChatGPT in sozialen Netzwerken

Zwi­schen die­sen bei­den Polen bewe­gen sich manch­mal emo­tio­nal sehr auf­ge­la­de­ne Dis­kus­sio­nen in sozia­len Netz­wer­ken. Die einen sehen bestehen­de Struk­tu­ren und Auf­ga­ben­for­ma­te in Gefahr, die ande­re expe­ri­men­tie­ren mutig mit den sich erge­ben­den neu­en Mög­lich­kei­ten. Die­se Expe­ri­men­te bewe­gen sich oft pri­mär auf einer phä­no­me­no­lo­gi­schen Ebe­ne: Im Kern geht es dar­um, die Ein­ga­ben („Prompts“) zu fin­den, die eine vor­her erdach­te Auf­ga­ben­stel­lung mit Hil­fe eines Sprach­mo­dells opti­mal lösen.

Natür­lich bleibt die Aus­ein­an­der­set­zung vor­erst phä­no­me­no­lo­gisch. Man gibt sich Tipps, wel­che Ein­ga­ben zu einem gewünsch­ten Ergeb­nis füh­ren und wie der Chat­Bot in z.B. eine ande­re Rol­le ein­neh­men kann. Das klappt auf der Ober­flä­che. Die tech­ni­schen Abläu­fe in einem Sprach­mo­dell sind gar nicht so leicht zu verstehen.

Was ist ein Sprachmodell eigentlich?

Ein Sprach­mo­dell ist eine sehr kom­ple­xe Soft­ware, die zur Klas­se der künst­li­chen Intel­li­genz gezählt wird. Schon der Begriff „Intel­li­genz“ ist je nach Fach­dis­zi­plin nicht ein­fach zu defi­nie­ren. Daher spre­chen eini­ge Fach­leu­te lie­ber von „maschi­nel­lem Ler­nen“, was das Defi­ni­ti­ons­pro­blem jedoch ledig­lich auf den Begriff des Ler­nens ver­schiebt. Als Aus­weg aus die­sem Dilem­ma haben eine Rei­he von Autor:innen nicht nur aus dem Infor­ma­tik­um­feld fol­gen­de Arbeits­de­fi­ni­ti­on für künst­li­che Intel­li­genz vorgeschlagen:

Künst­li­che Intel­li­genz bezeich­net die Fähig­keit von Com­pu­ter­sys­te­men, auf sie zuge­schnit­te­ne Auf­ga­ben selbst­tä­tig zu lösen, die auf­grund ihrer Kom­ple­xi­tät bis­lang mensch­li­che Fähig­kei­ten erfor­der­ten”1

Ange­wen­det: Sprach­mo­del­le lösen nun selbst­stän­dig das Pro­blem der Erstel­lung von Tex­ten auf Basis von Ein­ga­ben, die Nutzer:innen vor­ge­ben. Aber wie machen sie das?

In den Anfangs­zei­ten von künst­li­cher Intel­li­genz waren die Auf­ga­ben und Mög­lich­kei­ten von IT-Sys­te­men noch etwas beschränk­ter. Ein sehr ein­fa­ches Bei­spiel sind die dama­li­gen Obst­waa­gen in den Fri­sche­ab­tei­lun­gen der Super­märk­te. Der Kun­de füll­te eine Ware in einen Beu­tel, ging zur einer Waa­ge, leg­te den Beu­tel auf und drück­te eine Tas­te mit einem Sym­bol oder einer Num­mer. Die Waa­ge druck­te dann einen Kas­sen­zet­tel mit Strich­code aus. Es waren aber nicht alle Kun­den ehr­lich, so dass man auf die Idee kam, die­se Waa­gen durch eine Kame­ra zu ergän­zen, mit deren Hil­fe die auf­ge­leg­te Ware erkannt wer­den konn­te, z.B. anhand von Grö­ße oder Far­be. Im Prin­zip konn­te man drei Fäl­le unterscheiden:

a) Wenn der Tas­ten­druck des Kun­den zur erkann­ten Ware pass­te, war die Ent­schei­dung eindeutig.

b) Wenn der Tas­ten­druck ein­deu­tig nicht zur auf­ge­leg­ten Ware pass­te, konn­te ein alter­na­ti­ver Kas­sen­zet­tel gedruckt werden.

c) Wenn die Erken­nung selbst unein­deu­tig war, d.h. zwei Pro­duk­te in Fra­ge kom­men wür­den, aber der Kun­de z.B. die Tas­te mit dem teu­re­ren Pro­dukt gedrückt hat, wur­de natür­lich die teu­re­re Vari­an­te gewählt – gleich­zei­tig ließ sich die­se Situa­ti­on abspei­chern, so dass sie für die Zukunft mit berück­sich­tigt wer­den konnte.

Die­se Waa­ge erzeug­te also auf Basis von Ein­ga­ben und der Bil­der der Kame­ra (Ein­ga­be­schicht) Daten, die sie ver­ar­bei­te­te (Ver­ar­bei­tungs­schicht). Bei der Ver­ar­bei­tung flos­sen die Ein­ga­be­da­ten eben­so ein, wie gespei­cher­te Fäl­le aus einer Daten­bank. Die Daten wur­den unter­ein­an­der gewich­tet, mit einer Daten­bank vol­ler Stan­dard­fäl­le abge­gli­chen und dann eine Aus­ga­be in Form eines Kas­sen­zet­tels erzeugt (Ausgabeschicht).Mit einer gewis­sen Wahr­schein­lich­keit stimm­ten dann Kas­sen­zet­tel und Pro­dukt tat­säch­lich über­ein. Die Wahr­schein­lich­keit der Über­ein­stim­mung war umso grö­ßer, je mehr Stan­dard­fäl­le in der Daten­bank der Waa­ge erfasst wur­den und je mehr Ein­ga­ben die „intel­li­gen­te Waa­ge“ bereits ver­ar­bei­tet hat­te. Softwarentwickler:innen konn­ten die Stan­dard­fäl­le in Form einer Daten­bank vorgeben.

Sprach­mo­del­le funk­tio­nie­ren nach einem ähn­li­chen Prin­zip, nur dass die Stan­dard­fäl­le und Aus­ga­ben ungleich kom­ple­xer sind als bei dem Bei­spiel der Waa­ge. Zudem ist ver­hält­nis­mä­ßig wenig dar­über bekannt, mit wel­chen Daten die zugrun­de­lie­gen­den Daten­ban­ken gefüllt wur­den. Letzt­lich gilt aber auch hier, dass die Aus­ga­ben ledig­lich mit einer gewis­sen Wahr­schein­lich­keit kor­rekt sind oder gar zur Anfra­ge des Nut­zen­den pas­sen – daher ver­hal­ten sich Han­nes und Fred deut­lich smar­ter als Martha.

Es mag auf den ers­ten Blick erstau­nen, dass Sprach­mo­del­le Aus­ga­ben in der momen­ta­nen Qua­li­tät lie­fern. Wir hal­ten Spra­che für ein kom­ple­xes Sys­tem und wür­den einer Maschi­ne deren Imi­ta­ti­on zunächst nicht so recht zutrau­en. Aller­dings sind Sprach­mo­del­le nicht ein­fach vom Him­mel gefallen.

Die Grund­la­gen wur­den schon früh gelegt: Sprachassistent:innen wie Siri, Ale­xa, Cort­a­na usw. sind schon län­ger in der Lage gespro­che­ne Spra­che zu erken­nen und Reak­tio­nen auf ein­fa­che Ein­ga­ben zu erzeugen.

In der Infor­ma­tik gilt der Grundsatz:

Wenn du eine Soft­ware oder KI bau­en kannst, die etwas erkennt, kannst du auch eine Soft­ware oder KI bau­en, die das­sel­be Ding imi­tiert.“2

Neben­bei bemerkt wird durch die­sen schlich­ten Satz auch klar, dass jedes Sicher­heits­sys­tem, das auf der Erken­nung von z.B. mensch­li­cher Spra­che oder der Erken­nung von Gesich­tern basiert, kei­ne gute Idee zur Her­stel­lung von Sicher­heit ist – wenn es künst­li­che Intel­li­genz gibt, die mensch­li­che Spra­che und mensch­li­che Gesich­ter imi­tie­ren kann und die­se sich zudem wei­ter entwickelt.

Einen wei­te­ren Ein­blick in die Kom­ple­xi­tät von Sprach­mo­del­len bie­ten übri­gens auch deren Hard­ware­an­for­de­run­gen. Vor kur­zem tauch­te Face­books Sprach­mo­dell „LLaMA“ im Netz auf. Ein hand­li­cher Down­load von 268GB ent­hält unter­schied­li­che Sprach­mo­dell­va­ri­an­ten. In der ein­fachs­ten 7B Vari­an­te benö­tigt LLaMA zwi­schen 12–16GB an VRAM einer Gra­fik­kar­te, mög­lichst vie­le Pro­zes­sor­ker­ne und RAM. Die Ver­ar­bei­tungs­zei­ten selbst ein­fa­cher Prompts auf Stan­dard­hard­ware bewe­gen sich jen­seits erträg­li­cher Wer­te. Damit ist zumin­dest für den Moment klar, dass auf Basis des heu­ti­gen Wis­sens­stan­des nur sehr weni­ge Mark­teil­neh­mer in der Lage sein wer­den, in der Brei­te ver­füg­ba­re Sprach­mo­del­le sta­bil zu betreiben.

Mögliche Auswirkungen auf das kommerzialisierte Internet

Der dazu not­wen­di­ge immense Ener­gie­ver­brauch ist in die­sem Kon­text letzt­lich eine Fuß­no­te, weil Sprach­mo­del­le das Poten­ti­al besit­zen, das Netz in sei­ner Struk­tur fun­da­men­tal zu verändern.

Gera­de das kom­mer­zi­el­le Inter­net besteht aus einer Viel­zahl von Tex­ten, die einen Gebrauchs­cha­rak­ter auf­wei­sen: Nach­rich­ten, Sport­be­rich­te, Pro­dukt­be­schrei­bun­gen und Zusam­men­fas­sun­gen sind durch Sprach­mo­del­le mit rela­tiv begrenz­ten Anwei­sun­gen und Ein­ga­ben auto­ma­ti­siert erstell­bar. Die dazu not­wen­di­gen Daten lie­gen teil­wei­se bereits in digi­ta­li­sier­ter Form vor. Es wird z.B. bei Hand­ball­spie­len ein dezi­dier­tes Spiel­pro­to­koll geführt, aus dem ein heu­ti­ges Sprach­mo­dell mühe­los und weit­ge­hend auto­ma­ti­siert einen Spiel­be­richt erstel­len kann.

Das wird sowohl immense Aus­wir­kun­gen auf jeden Mark­teil­neh­mer haben, der sich mit Con­ten­ter­stel­lung beschäf­tigt, als auch den Such­ma­schi­nen­markt kom­plett ver­än­dern: Der zur Such­an­fra­ge pas­sen­de Inhalt kann theo­re­tisch indi­vi­du­ell gene­riert wer­den – natür­lich auch aus kom­mer­zi­el­len Quel­len. Das wer­den damit span­nen­de Zei­ten für das Leis­tungsschutz­recht: Zitie­ren auch klei­ne­rer Text­pas­sa­gen ist im Prin­zip nicht mehr not­wen­dig. Die Ergeb­nis­se wer­den einer signi­fi­kant gro­ßen Anwender:innengruppe voll­kom­men aus­rei­chen. Die dann ggf. höf­li­cher­wei­se mit ange­ge­be­nen Ori­gi­nal­quel­len erfah­ren kei­ne Auf­merk­sam­keit durch Klicks und Besu­che mehr – einer immens wich­ti­gen ideel­len Wäh­rung im Netz. Damit wer­den ins­be­son­de­re die Inter­net­gi­gan­ten es noch effek­ti­ver bewerk­stel­li­gen, Nutzer:innen in ihrem eige­nen digi­ta­len Öko­sys­tem zu hal­ten. Micro­soft unter­nimmt bereits ers­te Schrit­te mit Bing­AI und der Inte­gra­ti­on von sprach­mo­dell­ba­sier­ter Kor­rek­tur­funk­tio­nen in sei­ne Office­pro­duk­te. Goog­le holt als Reak­ti­on sei­nen auf Lam­da basier­ten Chat­bot „Bard“ wie­der auf die Büh­ne, des­sen Pro­duk­tiv­be­trieb zunächst auf Basis von ethi­schen Beden­ken ver­wor­fen wur­de: Bard konn­te per Sprach­aus­ga­be täu­schend ech­te Anru­fe z.B. zur Reser­vie­rung von Restau­rant­ti­schen oder Essens­be­stel­lun­gen auf Basis von ein­fa­chen Prompts rea­li­sie­ren. Das poten­ti­el­le Miss­brauchs­po­ten­ti­al die­ser Funk­tio­nen stand einer Markt­ein­füh­rung 2021 noch im Weg.

Sprachmodelle als Unterstützung bei Anträgen und Dokumentationen

Deutsch­land hat ein aus­ge­präg­tes Doku­men­ta­ti­ons- und Antrags­we­sen in unter­schied­li­chen Berei­chen eta­bliert: In der Medi­zin z.B. der Arzt­be­richt, in För­der­pro­gram­men umfang­rei­che Anträ­ge, in der Pfle­ge kom­ple­xe Doku­men­ta­tio­nen, Pro­to­kol­le von allen mög­li­chen Sit­zun­gen – die Lis­te lie­ße sich belie­big fort­set­zen. Allen die­sen „Text­gat­tun­gen“ ist gemein, dass sie oft sehr sche­ma­tisch sind – sche­ma­ti­sche Tex­te sind schon heu­te eine Domä­ne von Sprachmodellen.

Sprach­mo­del­le wer­den dabei hel­fen, Men­schen von die­sen sche­ma­ti­schen Auf­ga­ben zu ent­las­ten. Für spe­zi­el­le Fach­be­rei­che sind Text­ge­ne­ra­to­ren denk­bar, die pri­mär mit fach­be­zo­ge­nen Inhal­ten trai­niert wer­den. Dadurch kön­nen sie bei Rou­ti­ne­auf­ga­ben unter­stüt­zen, wenn­gleich nach heu­ti­gem Stand immer noch eine Über­prü­fung der Aus­ga­ben durch einen sach­kun­di­gen Men­schen erfor­der­lich ist.

Aber auch in die­sem Feld ist es kom­pli­ziert. Neh­men wir das Antrags­we­sen in För­der­pro­gram­men: Die teil­wei­se hohen Anfor­de­run­gen an För­der­an­trä­ge die­nen dazu, den Zugriff auf eine begrenz­te Res­sour­ce (z.B. Geld oder Per­so­nal) zu begren­zen. Sprach­mo­del­le wer­den natür­lich dabei hel­fen, bis­her nicht aus­rei­chend genutz­te För­der­mit­tel tat­säch­lich abru­fen zu kön­nen. Es gibt jedoch Res­sour­cen, die völ­lig über­lau­fen sind – etwa die son­der­päd­ago­gi­schen Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te in Schu­len. Auch hier wer­den Sprach­mo­del­le z.B. bei der Erstel­lung von Gut­ach­ten unter­stüt­zen, jedoch blei­ben gera­de per­so­nel­le Res­sour­cen wei­ter­hin knapp. Damit wird der Zugang zu eben­die­sen Res­sour­cen auf ande­ren Wegen erschwert wer­den: Ein gut begrün­de­ter Antrag steht ledig­lich in Kon­kur­renz zu ande­ren sehr gut begrün­de­ten Anträgen.

Sprachmodelle als neutralere Entscheidungsinstanzen?

Sascha Lobo setzt sich in sei­ner Kolum­ne KI kann mensch­li­che Ver­ant­wor­tung nicht erset­zen? – Doch!“ mit der Stel­lung­nah­me des deut­schen Ethik­ra­tes zu künst­li­cher Intel­li­genz aus­ein­an­der. Er for­dert, dass künst­li­che Intel­li­genz in bestimm­ten Berei­chen an die Stel­le der mensch­li­chen Ent­schei­dung tritt – genau da fällt für den deut­schen Ethik­rat die letz­te Gren­ze. Als Bei­spiel kann die Dia­gno­se eines Arz­tes die­nen: Ein spe­zi­ell mit medi­zi­ni­schem Wis­sen trai­nier­tes Sprach­mo­dell könn­te dabei unter­stüt­zen. Als Ein­ga­be die­nen z.B. Labor- und Ana­mne­se­da­ten. Das spe­zia­li­sier­te Sprach­mo­dell könn­te denk­ba­re Erkran­kun­gen auf Basis die­ser Daten ermit­teln und wäre dabei nicht auf das Wis­sen einer Ein­zel­per­son beschränkt.

Für Sascha Lobo ist das ein Fall, bei dem sich die Fra­ge nach dem Ein­satz von Sprach­mo­del­len nicht stellt, son­dern für ihn ver­bind­lich sein soll­te, weil das spe­zia­li­sier­te Sprach­mo­dell dem Men­schen über­le­gen sei. Die­se Argu­men­ta­ti­on erscheint zunächst bestechend – aller­dings ist ein Modell immer nur so gut wie des­sen Ein­ga­be­da­ten, die hier im Rah­men einer Ana­mne­se durch einen Men­schen ent­ste­hen. Das kann bei eini­gen Krank­heits­bil­dern kom­plex und feh­ler­träch­tig sein – gera­de in Zwei­fels­fäl­len: Die glei­che Krank­heit kann bei unter­schied­li­chen Men­schen völ­lig unter­schied­li­che Sym­pto­me aus­lö­sen – es wird eine span­nen­de Fra­ge in wel­chem ggf. lücken­haf­ten Ver­hält­nis das Erfah­rungs­wis­sen eines Men­schen und des­sen Inter­ak­ti­ons­mög­lich­kei­ten mit ande­ren zu der von einer KI gelie­fer­ten Infor­ma­ti­on steht.

Sprachmodelle und Bildungsprozesse

Kom­men wir am Schluss noch ein­mal zurück zu Mar­tha, Han­nes und Fred: Sie wach­sen in einer Welt auf, in der Sprach­mo­del­le mit ihren immer men­schen­ähn­li­che­ren Inter­faces wie ChatGPT in ganz kur­zer Zeit selbst­ver­ständ­lich sein wer­den – gera­de auch in Kom­bi­na­ti­on mit Sprach­ein- und ‑aus­ga­be. Nie wie­der schu­li­sche Übungs­tex­te? Nie wie­der Haus­auf­ga­ben mit künst­li­chen Auf­ga­ben­stel­lun­gen? Sind Haus­auf­ga­ben gar tot? Wenn doch heu­te ein­fa­ches „Promp­ting“ ausreicht?

Ent­schei­dend beim Schrei­ben ist der gedank­li­che Pro­zess bei der Erstel­lung eines Tex­tes. Wenn wir an die Stel­le des Schreib­pro­zes­ses Promp­ting bei einem Sprach­mo­dell set­zen und den Schreib­pro­zess selbst auto­ma­ti­sie­ren, ver­schie­ben wir den Lern­pro­zess auf eine ande­re Ebe­ne. Die­se Ebe­ne erfor­dert letzt­lich gro­ße Beur­tei­lungs­kom­pe­ten­zen, die sich bei Schreib­ler­nen­den wie Mar­tha, Han­nes und Fred noch in einer sen­si­blen Ent­wick­lungs­pha­se befin­den und damit in vie­len Fäl­len eine Über­for­de­rung dar­stel­len müs­sen. Gleich­zei­tig gehen mit eini­ger Wahr­schein­lich­keit schreib­kom­pe­ten­ten Men­schen durch die Nut­zung von Sprach­mo­del­len Trai­nings- und Denk­pro­zes­se bei eigent­li­chen Erstel­len von Tex­ten ver­lo­ren. An deren Stel­le tre­ten Mecha­nis­men zur Ent­wick­lung und Modi­fi­ka­ti­on von geeig­ne­ten Prompts. Genau die­se Vor­ge­hens­wei­sen und Anwen­dun­gen wer­den bereits in gro­ßer Brei­te in den sozia­len Medi­en dis­ku­tiert. War­um den Ein­füh­rungs­text zu Imma­nu­el Kant aus dem Schul­buch lesen? Las­sen wie Schüler:innen doch ein­fach mit einem Chat­Bot „Imma­nu­el Kant“ chat­ten, den eine Lehr­kraft zuvor per „Mega­prompt“ mit Hil­fe eines Sprach­mo­dells erschaf­fen hat und der auf die indi­vi­du­el­len Fra­gen der Schüler:innen eingeht.

Sprach­mo­del­le selbst kön­nen auf­grund ihrer Kom­ple­xi­tät nur von gro­ßen Markt­teil­neh­mern betrie­ben wer­den – das wirft die Fra­ge nach neu­en Abhän­gig­keits­ebe­nen auf, gera­de im Bildungssystem.

Chancen und neue Herausforderungen

Sprach­mo­del­le berüh­ren einen Bereich, der eine Gesell­schaft aus­macht: Die Kom­mu­ni­ka­ti­on und den Umgang mit Spra­che. Sie sind nach Maß­stä­ben der Digi­ta­li­sie­rung nichts wirk­lich Neu­es, wie Goo­gles Chat­Bot „Bard“ bereits vor drei Jah­ren zeig­te. Mit ChatGPT steht erst­mals ein Inter­face zum Sprach­mo­dell GPT zur Ver­fü­gung, was durch vie­le Men­schen nie­der­schwel­lig nutz­bar ist. Vie­le Anfor­de­run­gen wer­den noch nicht zufrie­den­stel­lend gelöst. Jedoch kön­nen Sprach­mo­del­le auf Mil­lio­nen von Nutzer:inneneingaben zurück­grei­fen und auf deren Basis wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den. Bereits auf dem Stand der heu­ti­gen Ent­wick­lung ist immenses Poten­ti­al auf unter­schied­li­chen Ebe­nen erahn­bar. Gleich­zei­tig tre­ten ganz neue Fra­ge­stel­lun­gen auf, die vor allem Juris­ten und Ethi­ker beschäf­ti­gen wer­den. Die Kom­ple­xi­tät bei der Modi­fi­ka­ti­on und dem Betrieb von Sprach­mo­del­len wird dafür sor­gen, dass sie pri­mär in der Hand der Inter­net­gi­gan­ten blei­ben wer­den. Was die­se ohne wirk­sa­me staat­li­che Regu­lie­rung dar­aus machen wer­den, bleibt eine offe­ne Frage.

1 Geth­mann, Bux­mann Dis­tel­rath, Humm, Ling­ner, Nit­sch, Schmidt, Spiecker genannt Döh­mann: „Künst­li­che Intel­li­genz in der For­schung – Neue Mög­lich­kei­ten und Her­aus­for­de­run­gen für die Wis­sen­schaft“, S. 10, aus der Rei­he: Ethics of Sci­ence and Tech­no­lo­gy Assess­ment Bd. 48, bei: Springer

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