Und wieder zwei Diktate zur Getrennt- und Zusammenschreibung

Ich dies­mal die ent­spre­chen­den Refe­ren­zen direkt bei den Wor­ten zur Kon­trol­le für euch ver­linkt. Lei­der löst in mei­nen Augen der Duden die Regeln nicht ganz kon­se­quent und scheint sich in Tei­len auch der tat­säch­li­chen Pra­xis prag­ma­tisch anzupassen.

Dies­mal habe ich im Prin­zip nur drei Regeln vermittelt:

  1. Die Getrennt­schrei­bung ist die Regel.
  2. Dies gilt nicht bei Nominalisierungen.
  3. Dies gilt nicht, wenn eine über­tra­ge­ne Bedeu­tung vorliegt.

Im Wesent­li­chen klappt es mit die­sem redu­zier­ten Regel­satz. Die emp­foh­le­ne Schrei­bung des Wor­tes „leicht machen / leicht­ma­chen“ ist aus mei­ner Sicht durch den Duden hier inkon­se­quent gelöst. Wenn ich ein Flug­zeug leicht mache (es um Gewicht erleich­te­re), liegt in mei­nen Augen die wört­li­che Bedeu­tung vor (Getrennt­schrei­bung), wenn ich es durch ein anspruch­lo­ses Dik­tat einem Schü­ler leicht­ma­che, die über­tra­ge­ne. Der Duden schlägt in bei­den Fäl­len die Getrennt­schrei­bung vor, obwohl es hier ja einen seman­ti­schen Unter­schied gibt.

Die meis­te Wör­ter sind in der Unter­richts­ein­heit ent­we­der geübt wor­den, die SuS haben in Word­Press mit dem Quiz-Script-Frame­work die­se als Bei­spie­le in ihren selbst­ge­stal­te­ten Übun­gen ver­wen­det oder die Wor­te stan­den auf einer Lernliste.

Dik­tat 1 (ca. 225 Wörter):

Die Rege­lung zum Nach­schrei­ben von Klau­su­ren und Klas­sen­ar­bei­ten am all­ge­mein­bil­den­den (auch all­ge­mein bil­den­den) Kepp­ler-Gym­na­si­um ist mitt­ler­wei­le völ­lig unge­eig­net für zart­be­sai­te­te (auch: zart besai­te­te) Schü­ler­na­tu­ren. Die Lehr­kräf­te wol­len den Eltern und Schü­lern tat­säch­lich weis­ma­chen, dass der Ter­min an einem Frei­tag­nach­mit­tag geeig­net wäre. Dabei müs­sen doch die all­ge­mein ver­ständ­li­chen (auch: all­ge­mein­ver­ständ­li­chen) Nach­tei­le auch dem letz­ten klar sein. Wer kann sich denn nach einer lan­gen Schul­wo­che nach einer viel zu kur­zen Pau­se noch so locker­ma­chen, dass er mit die­sem Ter­min von sei­ner Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit her zurecht­kommt? All­zu oft sahen sich gera­de Schü­le­rin­nen und Schü­ler aus den jün­ge­ren Klas­sen außer­stan­de (auch: außer Stan­de), zu solch einem Zeit­punkt noch Wis­sen preis­zu­ge­ben. Von vorn­her­ein ist klar, dass die Leis­tun­gen dadurch ins­ge­samt sin­ken. Wur­de schü­ler­sei­tig bei einer anste­hen­den Arbeit auch ein­mal blau­ge­macht?
Natür­lich liegt die­ser Ver­dacht immer in der Luft, das darf man aus Leh­ren­den­sicht nicht wun­der­neh­men. Es ist auf­wän­dig, extra für ein Lern­grup­pen­mit­glied eine eige­ne Arbeit zu kon­zi­pie­ren, aber gerät die Schu­le nicht in Ver­dacht, es sich viel zu leicht zu machen (auch: leicht­zu­ma­chen), wenn durch den unter­stell­ten Gene­ral­ver­dacht auch die­je­ni­gen lei­den, die wirk­lich an dem betref­fen­den Tag krank waren? Auch bei Lehr­kräf­ten gilt ein Ver­trau­ens­prin­zip: Sie müs­sen sich bei Arbeits­un­fä­hig­keit erst ab dem drit­ten Tag offi­zi­ell krank­schrei­ben lassen. 
Nichts­des­to­trotz gehen die Fehl­zei­ten bei Klas­sen­ar­bei­ten und Klau­su­ren nach Ein­füh­rung der Rege­lung ste­tig zurück. Es wird den Schü­le­rin­nen und Schü­ler wohl nichts ande­res übrig blei­ben (auch: übrig­blei­ben), als sich mit der Rege­lung zu arrangieren.

Dik­tat 2 (ca. 225 Wörter):

All­zu oft sah er sich außer­stan­de (auch: außer Stan­de) die Namen der neu­en Lern­grup­pe ken­nen­zu­ler­nen (auch: ken­nen zu ler­nen) und war so dem Spott der schö­nen Petra preis­ge­ge­ben. Wann immer sie ihn bloß­stel­len konn­te, tat sie es, was für ihn eine Angst machen­de Erfah­rung war. Erst seit kur­zem unter­rich­te­te er in der Klas­se, aber schon jetzt woll­te er in jeder Stun­de so schnell wie mög­lich mit dem Unter­richt fer­tig sein. Er hat­te das unbe­stimm­te Gefühl, dass Petra ihn sehr bald so rich­tig fer­tig­ma­chen wür­de. Das Bei­sam­men­sein mit der Lern­grup­pe wur­de für ihn bald zu einer Furcht ein­flö­ßen­den (auch: furcht­ein­flö­ßen­den) Pflicht.
Wie konn­te ein ein­zi­ges, unschul­dig aus­se­hen­des Mäd­chen so viel Angst und Schre­cken bei einem gestan­de­nen Mann wie ihm ver­brei­ten? Als Petra eines Tages krank­heits­be­dingt nicht am Unter­richt teil­neh­men konn­te, sah er sei­ne Chan­ce gekom­men: Gera­de­her­aus gestand er der Lern­grup­pe, wor­an er litt. Die­se nahm die Nach­richt ungläu­big auf. Petra war in der Klas­se dafür bekannt, es neu­en Lehr­kräf­ten nicht beson­ders leicht zu machen (auch: leicht­zu­ma­chen), aber auch hoch geschätzt (auch: hoch­ge­schätzt) für ihr sozia­les Enga­ge­ment. Die Klas­se konn­te es dem ver­zwei­fel­ten Refe­ren­dar nur nahe­le­gen, sich auf ein direk­tes Gespräch mit Petra ein­zu­las­sen. Dazu sah sich der jun­ge Leh­rer jedoch nicht in der Lage. Irgend so ein inne­rer Schwei­ne­hund hin­der­te ihn, das Pro­blem direkt anzu­ge­hen. Unver­rich­te­ter Din­ge ver­ließ er auch an die­sem Tag die Schu­le. Als er die Woh­nung sei­ner Freun­din betrat, blick­te er kurz ver­stoh­len in das Zim­mer ihrer kran­ken Tochter.

Textüberarbeitung mit Etherpad

Ich habe heu­te einen Text im Deutsch­un­ter­richt pseud­ony­mi­siert mit Ether­pad über­ar­bei­ten las­sen. Mein Lan­des­in­sti­tut bie­tet eine freie Instal­la­ti­on für die Schu­len Nie­der­sach­sen auf Ser­vern des Lan­des an. Mit der Lern­grup­pe übe ich gera­de den Inter­pre­ta­ti­ons­auf­satz, zu dem auch eine Inhalts­an­ga­be gehört. Unse­re Tex­te lie­gen bereits digi­tal in Form eines Blog­ar­ti­kels vor.
Ein End­ergeb­nis sah so aus (die Ver­öf­fent­li­chung des Ori­gi­nals ist aus recht­li­chen Grün­den nicht möglich):
Der  Schlos­ser Wall­fried Käns­ter­le begibt sich wie  jeden Tag nach sei­nem  Fei­er­abend vor dem Fern­se­her, um den Gesprä­chen mit sei­ner Frau Rosa zu ent­kom­men. Zunächst beschwert sich die Frau über die Faul­heit ihres  Man­nes, da er immer trä­ge sei.
Nach  den Anschul­di­gun­gen von Rosa, dass er sich sogar wei­gert, sei­nen Kin­dern am  Niko­laus­tag eine Freu­de zu machen, gibt Wall­fried ohne Wider­wor­te nach,  sodass er sich als Niko­laus ver­klei­det, um sei­ne Kin­der zu beschen­ken. Dies ver­läuft jedoch anders als erwar­tet, da  Wall­fried, kurz bevor er  sei­ne Haus­tür erreicht, aus­rutscht und mit einem dump­fen Geräusch fällt.  Nach­dem die Tür geöff­net wird, tritt Rosa außer sich her­vor. Die  Unge­schick­lich­keit gibt Rosa einen wei­te­ren Grund, um sich bei ihrem Mann zu beklagen. 
Sobald Wall­fried sei­ne Kon­trol­le ver­liert, ver­passt er sei­ner Frau eine Ohr­fei­ge, wor­auf­hin er im Wohn­zim­mer ver­schwin­det. Dort lässt er sei­ner Wut frei­en Lauf, indem  er Gegen­stän­de des Hau­ses zer­stört, die Rosa gern hat. Die Unru­he, die dadurch ent­steht,  sorgt dafür, dass der Nach­bar vor­bei­schaut und sich  dezent über ihn lus­tig macht.
Die Metho­dik:
  1. Mar­kiert Wor­te fett, die ihr als umgangs­sprach­lich einschätzt.
  2. Gestal­tet als Grup­pe den Text so um, dass umgangs­sprach­li­che For­mu­lie­run­gen ver­mie­den werden.
  3. Mar­kiert die Kon­junk­ti­on „und“ fett, wenn sie als Gedan­ken­ver­knüp­fung ein­ge­setzt wird.
  4. Kopiert den betref­fen­den Satz mit aus Auf­ga­be 3 unter den Text und notiert eine Alter­na­ti­ve darunter.

Nach jeder Auf­ga­be haben wir eine kur­ze Bespre­chungs­pha­se ein­ge­scho­ben und ggf. begrün­det, war­um eine For­mu­lie­rung geeig­net oder unge­eig­net ist.

Ich habe jetzt Teams aus drei Lern­grup­pen­mit­glie­dern gebil­det. Bis­her beka­men die­se Teams die Auf­ga­be, Tex­te ande­rer Lern­grup­pen­mit­glie­der (die eines ande­ren Teams) in einem Blog zu kom­men­tie­ren. In der zwei­ten Auf­bau­stu­fe sol­len die Teams die frem­den Tex­te in einem Ether­pad über­ar­bei­ten und dann die über­ar­bei­te­te Fas­sung als Kom­men­tar ver­öf­fent­li­chen. Der jewei­li­ge Autor reflek­tiert dann die Unter­schie­de zur Originalfassung.

Mei­ne Auf­ga­ben­for­mu­lie­rung (fett, unter den Text kopie­ren, Fas­sun­gen aus­wäh­len etc.) sind dabei nur Vor­schlä­ge, wie man vor­ge­hen kann. Es ver­steht sich von selbst, dass eine der­ar­ti­ge Auf­ga­be ohne vor­he­ri­ge Klä­rung der Kri­te­ri­en, die dabei anzu­wen­den sind, nicht sinn­voll zu lösen ist.

Zudem soll­ten die Tex­te bereits in digi­ta­ler Form z.B. in einem Blog­sys­tem vor­lie­gen. Sehr abge­speckt könn­te man auch einen zu über­ar­bei­ten­den Text schon vor­her in die Pads der ein­zel­nen Teams legen.

Bei OER besteht die Gefahr einer tendenziösen Darstellung von Fakten

Ich war seit lan­ger, lan­ger Zeit ein­mal wie­der auf einer fach­be­zo­ge­nen Fort­bil­dung. Ich gehe i.d.R. ungern zu sol­chen Ver­an­stal­tun­gen, weil sie meist inhalt­lich wenig bie­ten und metho­disch vor­her­seh­bar struk­tu­riert sind. Dies­mal war es ein wenig anders, was vor allen Din­gen Herrn Prof. Schnei­der vom Erich Maria Remar­que Frie­dens­zen­trum zu ver­dan­ken war. An die­sem Insti­tut beschäf­tigt man sich seit Jah­ren u.a. mit der Kriegs­li­te­ra­tur Anfang des 20. Jahr­hun­derts. Auf die dort gewon­ne­nen Erkennt­nis­se stützt sich die von mir zur Vor­be­rei­tung des Unter­richts ver­wen­de­te Begleit­lek­tü­re „Olden­bourg Inter­pre­ta­tio­nen, Bd.90, Im Wes­ten nichts Neu­es“, die nur noch anti­qua­risch zu hor­ren­den Prei­sen ver­füg­bar ist – war­um eigentlich?

Ich bin eini­ger­ma­ßen ver­zwei­felt. Für das Zen­tral­ab­itur Deutsch 2016 in Nie­der­sach­sen ist „Im Wes­ten nichts Neu­es“ (Erich Maria Remar­que) als ver­bind­li­che Lek­tü­re vor­ge­se­hen. So sehr die­ser „Roman“ als Anti­kriegs­li­te­ra­tur welt­weit Auf­merk­sam­keit und damit immense rezep­ti­ons­ge­schicht­li­che Bedeu­tung erfah­ren hat, so wenig gibt der Text in mei­nen Augen spe­zi­ell für das Fach Deutsch her. Struk­tu­rell ist es ein Bericht, wenn­gleich voll­kom­men fik­tio­nal. Remar­que hat wohl nur sehr weni­ge Bege­ben­hei­ten selbst erlebt.

Der Text steht natür­lich für sich als Mahn­mal gegen bewaff­ne­te Aus­ein­an­der­set­zun­gen, kann in die­ser inhalt­li­chen Ver­or­tung aber m.E. nicht sinn­voll durch nur ein Fach behan­delt wer­den, son­dern erschließt sich hin­rei­chend wohl nur in enger Zusam­men­ar­beit mit den Fächern Geschich­te und Poli­tik. Wesent­li­che Kom­pe­tenz­be­reich des Deutsch­un­ter­richt las­sen sich mit ande­ren Wer­ken bes­ser abdecken.

Man fin­det in der didak­ti­schen Lite­ra­tur den sinn­ge­mä­ßen Einstieg:

Offe­ne Begeis­te­rung dage­gen herrsch­te vor allem in den groß­städ­ti­schen Zen­tren, wo die Kriegs­er­klä­run­gen und ers­te Sie­ges­mel­dun­gen beju­belt wur­den. Ihr Trä­ger war allem Anschein nach ins­be­son­de­re das Bür­ger­tum: Stu­den­ten und Ober­schü­ler mel­de­ten sich in Mas­sen frei­wil­lig, ins­be­son­de­re vie­le Bil­dungs­bür­ger schrie­ben begeis­ter­te Gedich­te und Aufrufe.

http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/ersterweltkrieg/155302/ausloesung-und-beginn-des-krieges

Meist wird das durch einen geeig­ne­ten Bild­im­puls beglei­tet. Die Logik:

Die Deut­schen waren vom Krieg begeis­tert und naiv hin­sicht­lich sei­ner Fol­gen für das Indi­vi­du­um. Remar­que setzt bewusst ein Denk­mal gegen die­se Haltung.

Hört sich erst­mal gut an. Stimmt aber wohl so nicht. Ich gebe sinn­ge­mäß eini­ge State­ments aus der Fort­bil­dung wieder.

  1. Die Eupho­rie war wohl auf Tei­le des Bür­ger­tums begrenzt. Die länd­li­chen Bevöl­ke­rung fand das mit dem Krieg­aus­bruch wohl bedingt witzig.
  2. Gym­na­si­as­ten mel­de­ten sich wohl auch zum Kriegs­dienst, weil mit dem „Not­ab­itur“ eine ver­kürz­te Schul­zeit mög­lich wurde.
  3. Die Bil­der, die das öffent­li­che Bild von der Eupho­rie präg­ten, sind Teil einer Insze­nie­rung, um Akzep­tanz für den Kriegs­ein­tritt als brei­ten Kon­sens in der Bevöl­ke­rung darzustellen.
  4. Bild­ma­te­ri­al zum ers­ten Welt­krieg war fast grund­sätz­lich insze­niert. Die dama­li­gen Film­ka­me­ras hät­ten wohl aus den Schüt­zen­grä­ben hin­aus­ge­guckt und dem Kame­ra­mann einen Kopf­schuss beschert. Also nahm man sich wohl eher ein paar Sol­da­ten und spiel­te hin­ter der Front den Krieg ein­fach nach – die Ver­öf­fent­li­chung von Fotos aus dem ers­ten Welt­krieg war weit­ge­hend durch das Reichs­ar­chiv kon­trol­liert, indem mili­tä­ri­sche Füh­rungs­eli­ten das Zep­ter führten.
  5. […]

Über­prüft mal bit­te, inwie­weit die­ser For­schungs­stand in aktu­el­len Schul­bü­chern Berück­sich­ti­gung fin­det, also in Qua­li­täts­me­di­en. Wenn Herr Prof. Schnei­der Recht hat, ist mein Bild von der Wirk­lich­keit des ers­ten Welt­krie­ges doch ein wenig verzerrt.

Ten­den­ziö­se Dar­stel­lun­gen sind für mich kei­ne Fra­ge von frei­en oder kom­mer­zi­el­len Publi­ka­ti­ons­for­men, son­dern eine der Metho­dik und den Rah­men­be­din­gun­gen der Erstel­lung. Die Rah­men­be­din­gun­gen im kom­mer­zi­el­len Sek­tor schei­nen nicht unbe­dingt bes­ser zu werden.

In Deutsch auch einmal etwas Vor-schreiben

Auf einem Minit­weet­up mit Herrn Lar­big sind wir irgend­wie auf das Pro­blem gesto­ßen, dass es z.B. in Mathe­ma­tik oder Che­mie üblich ist, Auf­ga­ben oder Übun­gen durch die Lehr­kraft vor­zu­rech­nen, um z.B. bei­spiel­haft einen Lösungs­weg zu zei­gen, der dann bei ana­lo­gen Auf­ga­ben als Leit­fa­den die­nen kann.

Im Fach Deutsch wer­den von SuS oft durch­struk­tu­rier­te Tex­te ver­langt. Im Ide­al­fall übt man an vor­ge­ge­ben Text­bei­spie­len aus dem Lehr­buch – neu­er­dings auch mit Über­ar­bei­tungs­auf­ga­ben, d.h. der schlaue Lehr­buch­au­tor hat im Qua­li­täts­me­di­um Schul­buch extra ein paar Feh­ler­chen versteckt.

Wann aber schrei­ben Deutsch­lehr­kräf­te ein­fach ein­mal selbst einen Ana­ly­se­teil, eine Inhalts­an­ga­be oder eine Inter­pre­ta­ti­on und the­ma­ti­sie­ren ihren Text mit der Lerngruppe?

Häu­fi­ge Ausflüchte:

  1. Ich soll ja nichts ler­nen, son­dern die SuS!
  2. Ich mache mich doch vor der Lern­grup­pe nicht angreifbar!
  3. Das dau­ert doch viel zu lange!
  4. Dann kann man mich doch festnageln!
  5. (dann sehen die SuS doch auch mei­ne Unzulänglichkeiten …)

Ich habe mich heu­te getraut und mei­nen SuS etwas vor-geschrie­ben. Es han­del­te sich dabei um eine Ana­ly­se der Erzähl­hal­tung zum Roman­an­fang von „Bekennt­nis­se des Hoch­stap­lers Felix Krull“. Hier der Auszug:

Indem ich die Feder ergrei­fe, um in völ­li­ger Muße und Zurück­ge­zo­gen­heit- gesund übri­gens, wenn auch müde, sehr müde (so dass ich wohl nur in klei­nen Etap­pen und unter häu­fi­gem Aus­ru­hen wer­de vor­wärts schrei­ten kön­nen), indem ich mich also anschi­cke, mei­ne Geständ­nis­se in der sau­be­ren und gefäl­li­gen Hand­schrift, die mir eigen ist, dem gedul­di­gen Papier anzu­ver­trau­en, beschleicht mich das flüch­ti­ge Beden­ken, ob ich die­sem geis­ti­gen Unter­neh­men nach Vor­bil­dung und Schu­le denn auch gewach­sen bin. Allein, da alles, was ich mit­zu­tei­len habe, sich mei­nen eigens­ten und unmit­tel­bars­ten Erfah­run­gen, Irr­tü­mern und Lei­den­schaf­ten zusam­men­setzt und ich also mei­nen Stoff voll­kom­men beherr­sche, so könn­te jener Zwei­fel höchs­tens den mir zu Gebo­te ste­hen­den Takt und Anstand des Aus­drucks betref­fen, und in die­sen Din­gen geben regel­mä­ßi­ge und wohl been­de­te Stu­di­en nach mei­ner Mei­nung weit weni­ger den Aus­schlag, als natür­li­che Bega­bung und eine gute Kin­der­stu­be. An die­ser hat es mir nicht gefehlt, denn ich stam­me aus fein­bür­ger­li­chem, wenn auch lie­der­li­chem Hau­se; meh­re­re Mona­te lang stan­den mei­ne Schwes­ter Olym­pia und ich unter der Obhut eines Fräu­leins aus Vevey, das dann frei­lich, da sich ein Ver­hält­nis weib­li­cher Riva­li­tät zwi­schen ihr und mei­ner Mut­ter – und zwar in Bezie­hung auf mei­nen Vater – gebil­det hat­te, das Feld räu­men musste; […]
Unse­re Vil­la gehör­te zu jenen anmu­ti­gen Her­ren­sit­zen, die, an sanf­te Abhän­ge gelehnt, den Blick über die Rhein­land­schaft beherr­schen. Der abfal­len­de Gar­ten war frei­ge­big mit Zwer­gen, Pizen und aller­lei täu­schend nach­ge­ahm­tem Getier aus Stein­gut geschmückt; […]
Dies war das Heim, wor­in ich an einem lau­en Regen­ta­ge des – einem Sonn­ta­ge übri­gens – gebo­ren wur­de, und von nun an geden­ke ich nicht mehr vor­zu­grei­fen, son­dern die Zeit­fol­ge sorg­fäl­tig zur Richt­schnur zu neh­men. Mei­ne Geburt ging, wenn ich recht unter­rich­tet bin, nur sehr lang­sam und nicht ohne künst­li­che Nach­hil­fe unse­res dama­li­gen Haus­arz­tes, Dok­tor Mecum, von­stat­ten, und zwar haupt­säch­lich des­halb, wenn ich jenes frü­he und frem­de Wesen als »ich« bezeich­nen darf – außer­or­dent­lich untä­tig und teil­nahms­los dabei ver­hielt, die Bemü­hun­gen mei­ner Mut­ter fast gar nicht unter­stütz­te und nicht den min­des­ten Eifer zeig­te, auf eine Welt zu gelan­gen, die ich spä­ter so instän­dig lie­ben sollte.

(aus: Tho­mas Mann, Bekennt­nis­se des Hoch­stap­lers Felix Krull. Der Memoi­ren ers­ter Teil, Frankfurt/M.: Fischer 1989, S.7–13, gekürzt)

Und hier mein Arbeits­blatt dazu:

Vor­schlag für einen Analysetext Funk­ti­on für die Ana­ly­se / Kommentare
Der vor­lie­gen­de kur­ze Aus­zug aus dem Roman „Bekenntnisse des Hoch­stap­lers Felix Krull“, geschrie­ben von Tho­mas Mann, wird durch die Ich-Per­spek­ti­ve geprägt.
Der fik­ti­ve Ich-Erzäh­ler gestal­tet stel­len­wei­se den zeit­li­chen Auf­bau der Hand­lung, z.B. wenn er sich selbst zur Räson ruft „nicht mehr vorzugereifen“ (Z.21). Er kon­sta­tiert, sich bei sei­ner eige­nen Geburt „untätig und teilnahmslos“ (Z.25) ver­hal­ten zu haben. Sich erzäh­le­risch noch in der Ver­gan­gen­heit befin­dend, beschreibt er in eine Welt zu gelan­gen, die er „später so innig lie­ben sollte“ (Z.27).
Gene­rell ver­fügt der Ich-Erzäh­ler über detail­lier­tes Wis­sen zu sei­ner Umwelt (Z.17 ff.) oder den sozia­len Bezie­hun­gen inner­halb sei­ner Fami­lie (Z.14 ff.).
Auch wenn es Text­stel­len gibt, in denen der Erzäh­ler sehr auf die eige­ne Per­son zurück­ge­wor­fen ist (Z.2 ff.) über­wie­gen den­noch die Pha­sen, in denen er aktiv Ein­fluss auf das Gesche­hen nimmt und den Ablauf der Hand­lung beein­flusst. Sei­ne Wert­ur­tei­le sind geeig­net, die Wahr­neh­mung des Lesers zu lenken.
Klas­sisch han­delt es sich dabei um Ele­men­te einer aukt­oria­len Erzähl­wei­se. Der Ich-Erzäh­ler weist in sei­nem Han­deln über sich als Per­son hin­aus und erweckt ledig­lich die Fik­ti­on des per­so­na­len Erzählens.
Die­ses im gewis­sen Maß mani­pu­la­ti­ve Vor­ge­hen des aukt­oria­len Ich-Erzäh­lers lässt sich dem Ver­hal­ten  eines Hoch­stap­lers zuschrei­ben. Dies wäre durch eine wei­te­re Ana­ly­se des Tex­tes zu prüfen.

Es kam natür­lich die ein oder ande­re kri­ti­sche Äuße­rung, aber es war ins­ge­samt eigent­lich gar nicht so schlimm. Die Ergeb­nis­se haben wir kurz aus­ge­wer­tet, um dann ein­mal zu ver­su­chen, mei­ne Ver­si­on als Scha­blo­ne auf einen ande­ren Romanau­schnitt zu legen. Die­ser wies einen eher per­so­nal gepräg­ten Ich-Erzäh­ler auf.

Als drit­te Stu­fe (Haus­auf­ga­be) gab es einen Input zu den Begrif­fen Erzähl­zeit und erzähl­te Zeit. Unter die­sen Aspek­ten soll nun wie­der­um einer der bei­den Roman­aus­schnit­te ana­ly­siert werden.

Ich habe auch schon ein­mal eine Kurz­ge­schich­te selbst ver­fasst und als Klas­sen­ar­beits­text gege­ben, kam mir dabei aber irgend­wie blöd vor. Eigent­lich ver­wun­der­lich: Immer­hin tren­nen mich nur vier Wochen und eine gepimp­te Staats­examens­ar­beit vom dama­li­gen Magis­ter – da soll­te man doch wohl schrei­ben können …

Eine Doppelstunde zu „Neue Liebe, neues Leben“

… wahl­wei­se metho­disch über­trag­bar auf ande­re Texte.

Neue Lie­be, neu­es Leben 

Johann Wolf­gang von Goe­the

Herz, mein Herz, was soll das geben? 

Was bedrän­get dich so sehr? 

Welch ein frem­des, neu­es Leben ! 

Ich erken­ne dich nicht mehr. 

Weg ist alles was du liebtest, 

Weg, war­um du dich betrübtest, 

Weg dein Fleiß und dei­ne Ruh – 

Ach, wie kamst du nur dazu ! 

 

Fes­selt dich die Jugendblüte, 

Die­se lieb­li­che Gestalt, 

Die­ser Blick voll Treu und Güte 

Mit unend­li­cher Gewalt? 

Will ich rasch mich ihr entziehen, 

Mich erman­nen, ihr entfliehen, 

Füh­ret mich im Augenblick, 

Ach, mein Weg zu ihr zurück. 

 

Und an die­sem Zauberfädchen, 

Das sich nicht zer­rei­ßen lässt, 

Hält das lie­be lose Mädchen 

Mich so wider Wil­len fest; 

Muss in ihrem Zauberkreise 

Leben nun auf ihre Weise. 

Die Ver­än­de­rung, ach, wie groß! 

Lie­be! Lie­be! Laß mich los!

 

Auf­ga­ben:

  1. Sam­melt gemein­sam in eurer Grup­pe eure Beob­ach­tun­gen zu Spra­che (rot), Form (grün) und Inhalt (blau) auf dem bei­gefüg­ten, far­bi­gen Zet­teln. (15 Minuten)
  2. Über­legt euch gemein­sam eine geeig­ne­te Inter­pre­ta­ti­ons­hy­po­the­se. Notiert die­se für alle deut­lich sicht­bar vor­ne am SMART­Board. (15 Minuten)
  3. Teilt euch auf in: Ein­lei­tung, For­ma­les, Spra­che, Inhalt. Jeder schreibt zu sei­nem Teil­aspekt einen zusam­men­hän­gen­den Text, der zu eurer Inter­pre­ta­ti­ons­hy­po­the­se passt. (30 Minuten)
  4. Prä­sen­tiert euer Arbeits­er­geb­nis nach fol­gen­dem Ablauf:
  • Stellt eure Grup­pe mit Namen vor
  • Tragt eure Tex­te in fol­gen­der Abfol­ge vor: Ein­lei­tung, Inter­pre­ta­ti­ons­hy­po­the­se, for­mal Ana­ly­se, sprach­li­che Ana­ly­se, inhalt­li­che Analyse.

 

Hin­weis:

Ihr dürft euer Han­dy benut­zen, um Wor­te zu klä­ren. Ver­mei­det aber bit­te die Über­nah­me von Tex­ten aus „Hausaufgabenseiten“ etc.

Das Gan­ze gibt es auch als Arbeits­blatt (ODT, PDF). Die Prä­senz meh­re­rer Inter­pre­ta­ti­ons­hy­po­the­sen hilft bei der Selbst­re­fle­xi­on des eige­nen Ergeb­nis­ses. Die Grup­pen­ar­beit ist bewusst so ange­legt, dass jeder aus der Grup­pe eine Auf­ga­be zu erle­di­gen hat, es aber auch Pha­sen des gemein­sa­men Aus­tau­sches gibt. Es kom­men natür­lich kei­ne voll­stän­dig geschlos­se­nen Tex­te her­aus. Es bie­tet sich aber an, in z.B. einer Haus­auf­ga­be die Über­lei­tun­gen zwi­schen den Text­bau­stei­nen gestal­ten zu las­sen. Dafür wäre es gut, wenn die Tex­te schon digi­tal, z.B. in Form eines Blog­ein­tra­ges vorliegen.

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