Der Mond

Der Mond ist mytho­lo­gisch weiblich:

  • er ist in Bezug auf die Son­ne weib­lich emp­fan­gend, er strahlt ihr Licht zurück (span­nend anti­fe­mi­nis­tisch, mytho­lo­gisch jedoch lei­der so)
  • er steht in bio­lo­gi­scher Ver­bin­dung zum weib­li­chen Zyklus

Des­we­gen hat man ihm schon immer – gera­de als Mann – Bal­la­den und Gedich­te gewid­met. Irgend­wann möch­te ich ein­mal die­sen bei­den Tex­te mit­ein­an­der mit Schülern ver­glei­chen. Das wird bestimmt spannend:

An den Mond

Schwes­ter von dem ers­ten Licht,
Bild der Zärt­lich­keit in Trauer!
Nebel schwimmt mit Silberschauer
Um dein rei­zen­des Gesicht;
Dei­nes lei­sen Fußes Lauf
Weckt aus tag­ver­schloß­nen Höhlen
Trau­rig abge­schied­ne Seelen,
Mich und näch­t’­ge Vögel auf.

For­schend über­sieht dein Blick
Eine groß­ge­meß­ne Weite.
Hebe mich an dei­ne Seite!
Gib der Schwär­me­rei dies Glück;
Und in wol­lus­tvol­ler Ruh
Säh der weit­ver­schlag­ne Ritter
Durch das glä­ser­ne Gegitter
Sei­nes Mäd­chens Näch­ten zu.

Dämm­rung, wo die Wol­lust thront,
Schwimmt um ihre run­den Glieder.
Trun­ken sinkt mein Blick hernieder.
Was ver­hüllt man wohl dem Mond?
Doch was das für Wün­sche sind!
Voll Begier­de zu genießen,
So da dro­ben hän­gen müssen;
Ei, da schiel­test du dich blind.

(Johann Wolf­gang Goe­the, 1770)

Das nen­ne ich einen jun­gen Goe­the – nicht den Wert­her (klei­ner Seitenhieb).

Voll­mond

Du bist voll, ich bin es auch
Begoß den Kum­mer tief unten in mei­nem Bauch
Der Tag ist gemein, nur die Nacht ist lieb
Schleich um ein und ande­re Haus, gera­de wie der letz­te Dieb
Ver­such schon lan­ge, mir ihr Herz zu klauen

Sie ist stur, ich bin es auch
Red ihr ein, dass sie mich unend­lich braucht
Lass nicht locker, sei mein Kumpan,
Wir zwei bei­den gra­ben sie von allen Sei­ten an
Steh mir bei, weil nur du es kannst

Komm und mach sie süch­tig, setz sie auf mich an
Lass mich durch ihren Schlaf wan­deln, wenn sie sich nicht weh­ren kann
Wenn du das für mich tust, ist abgemacht:
Dann wer­de ich zum Wer­wolf und heul dich an um Mitternacht

Voll­mond, setz mich ins rech­te Licht
Voll­mond, du weißt, sie will nicht
Leucht ihr ins Gewis­sen, mach mir ’nen Heiligenschein
Voll­mond, ich bin so allein

Du bist blass, ich bin es auch
Wenn bald nichts pas­siert, steh ich völ­lig auf dem Schlauch
Du ziehst so edel über­le­gen dei­ne Bahn
Bin so tod­trau­rig, rührt dich das denn über­haupt nicht an?
Tu was, Pla­net, mor­gen ist es zu spät

Mein letz­ter Hoff­nungs­schim­mer, schau mir ins Gesicht
Du musst es für mich ein­fä­deln, weil es sonst das Ende ist
Ertrink in mei­nen Trä­nen – und Trä­nen lügen nicht
Du kannst mich so nicht hän­gen lassen
Hilf mir, lass mich nicht im Stich

Voll­mond…

Komm und mach sie süch­tig, setz sie auf mich an
Lass mich durch ihren Schlaf wan­deln, wenn sie sich nicht weh­ren kann
Wenn du das für mich tust, ist abgemacht:
Dann wer­de ich zum Wer­wolf und heul dich an um Mitternacht

Voll­mond…

(Her­bert Grö­ne­mey­er, „Ö“, 1988

Das ist einer der frü­he­ren Grö­ne­mey­er, über den man ja sagen kann, was man will – Erfolg hat er. Ich fin­de, dass es gro­ße Unter­schie­de und gro­ße Par­al­leln in bei­den Tex­ten gibt. Super zum Ver­glei­chen also… Viel­leicht ein wenig modern – naja 1988…

Jungen/Jungs/Männer – Verlierer des Bildungssystems?

Wann habe ich als männ­li­cher Schü­ler in der Schu­le eigent­lich Erfolg? Doch (fast) nur, wenn ich flei­ßig, ruhig, kon­trol­liert und reflek­tiert bin.

Wann habe ich als männ­li­cher Schü­ler bei Frau­en Erfolg? Also, bei den Frau­en in mei­ner Klas­se schon­mal nicht. Die ste­hen in der Regel auf älte­re Typen. Bei den jün­ge­ren muss ich oft cool, männ­lich, gut­aus­se­hend, fein­füh­lig, bestimmt sein – meist Sachen, die sich nicht in Ein­klang brin­gen las­sen und dann – dann brennt sie  nach lan­gem Gezie­re doch mit so einem domi­nan­ten Macho­ty­pen durch.

Wann habe ich als männ­li­che Schü­ler in mei­ner Cli­que Erfolg? Wenn ich auch ein­mal Unsinn mache, Gren­zen über­schrei­te, Kon­flik­te ggf. auch mit kör­per­li­cher und ver­ba­ler Gewalt löse.

Das Pro­blem ist nun das folgende:

  1. Als Mann möch­te ich schu­li­schen Erfolg (das erwar­ten mei­ne Eltern und Leh­rer von mir)
  2. Als Mann möch­te ich eine Frau oder zumin­dest eben nicht allei­ne sein (das scheint so ein evo­lu­tio­nä­res Pro­gramm zur Art­erhal­tung zu sein).
  3. Als Mann möch­te ich mit ande­ren Män­nern mes­sen, um mei­nen Stand­punkt im Leben zu finden

Punkt 3 gibt es in Ansät­zen noch im Sport­un­ter­richt – wahr­schein­lich ein Haupt­grund für die hohe Moti­va­ti­on von Schü­lern beim Sport (Mäd­chen wer­den da eher ein­mal spon­tan krank, Män­ner gar nicht so oft – sub­jek­ti­ver Klas­sen­leh­rer­klas­sen­buch­le­se­ein­druck). Ange­ben darf ich nicht (das ist nicht huma­nis­tisch). Hau­en darf ich nicht (das ist nicht sozi­al). Sozia­ler ist es, wenn sich Mädels solan­ge dis­sen, bis das Opfer Selbst­mord­ge­dan­ken hat. So ein non­ver­ba­les Argu­ment kann auch Klar­heit schaf­fen – dürft ihr aber nicht. Das ist Gewalt.

Wenn ich gut bin, haue ich dann vir­tu­ell und nicht real… Da kann ich mei­ne Aggres­sio­nen abbau­en. Wenn ich bes­ser bin, mache ich z.B. Sport zur Kom­pen­sa­ti­on (in dem Bereich darf man noch Mann sein in unse­rer Gesell­schaft, so auch mit z.B. Schrei­en, Schub­sen, Angeben).

Jungs, manch­mal ver­ste­he ich euch, auch wenn ich die Schrift als Aus­druck eures inne­ren Wider­stan­des  (habe gera­de 90+ Arbei­ten – 9. Klas­se –  auf dem Tisch) nicht lesen kann. Ech­te Freund­schaft gibt es nur unter uns. Geschrie­ben wird spä­ter eh am Com­pu­ter. So.

Living in perfect harmony

Es ist wie­der so weit: Noten müs­sen ver­ge­ben wer­den – hier in Nie­der­sach­sen geschieht das vor der Zeug­nis­ver­ga­be. Die Noten müs­sen mit den SuS bespro­chen wer­den. In Schles­wig-Hol­stein war das unter­sagt  – das hat­te Vor­tei­le. Noten­ge­bung gibt immer Ärger. In Regel läuft es auf eini­ge Grund­fra­gen heraus:

  • Was muss stär­ker gewich­tet wer­den: Qua­li­tät oder Quantität?
  • Hat ein Schü­ler oder eine Schü­le­rin, die sich aktiv am Unter­richt betei­ligt ein „Befrie­di­gend“ ver­dient, auch wenn die fach­li­che Leis­tung nicht stimmt?
  • Darf eine stil­le Schü­le­rin (sor­ry Mädels), die alle zwei Stun­den ful­mi­nan­te Bei­trä­ge lie­fert und ansons­ten 14 Punk­te schreibt, ein „Sehr gut“ erhalten?
  • Dür­fen Unter­richts­stö­run­gen (Ober­stu­fe) mit bei der münd­li­chen Note berück­sich­tigt werden?
  • usw.

SuS hal­ten hier­bei „münd­li­che Noten“ für beson­ders kri­tisch, obwohl man im schrift­li­chen Umfeld auch treff­lich hin­sicht­lich der Objek­ti­vi­tät strei­ten kann.

Oft besteht ein Aus­weg dar­in, mas­siv zu doku­men­tie­ren, d.h. z.B. nach jeder Stun­de Noti­zen anzu­fer­ti­gen. Dann ste­hen da Plus- und Minus­zei­chen, die genau so sub­jek­tiv sind wie die Gene­ral­ab­rech­nung nach meh­re­ren Wochen. Da kann das zitier­te stil­le Mäd­chen schnell bei doku­men­tier­ten Null Punk­ten ste­hen – aber das wenigs­tens objek­tiv, oder?

Die Plus- und Minus­zei­chen ste­hen – da bleibt kein päd­ago­gi­scher Spiel­raum für den­je­ni­gen, der sich durch har­te Arbeit bemüht und in der alles ent­schei­den­den Klau­sur die ret­ten­de Vier erreicht. Die geht dann im Minuss­umpf unter und trotz­dem kommt dann der Unter­kurs. Motivierend.

Die Zei­ten wer­den här­ter. Die Stu­di­en­an­for­de­run­gen höher. Der NC droht selbst Ein­ser­kan­di­da­ten in z.b. dem Bereich Medi­zin. Die Ner­ven wer­den dün­ner. Bei SuS. Bei LuL, die aus der Schlacht zie­hen. Es wird ver­gli­chen, gera­de bei den Kol­le­gen und Kol­le­gin­nen, die aus Grün­den der Trans­pa­renz ihre Noten öffent­lich vor der Lern­grup­pe bespre­chen. Da kom­men natür­lich auch Kon­flik­te offen zuta­ge. Gut so. Schwie­rig wird es, wenn es dabei Mit­schü­ler trifft, wo ich doch die ZIel­schei­be sein soll­te, weil ich die Noten gebe – es ist mein Job.

Fazit:

Wie man es macht, man macht es immer irgend­wo falsch. Man tut immer irgend­wo irgend­wem Unrecht. Am wenigs­ten Ärger wird man wahr­schein­lich haben, wenn man die Schwa­chen nicht berücksichtigt.

Das dicke Fell, dass mir das rein gar­nichts aus­macht, besit­ze ich bis heu­te nicht. Und wenn sich in mir kein Gewis­sen regt, kämp­fe ich immer noch dage­gen an.

Und:

Mich freut jeder Schü­ler und jede Schü­le­rin, die mich in die­ser Bezie­hung sach­lich und offen kri­ti­siert, denn bei allen Una­nehm­lich­kei­ten zeugt es von einem gewis­sen Maß an Ver­trau­en und – Mün­dig­keit (die wol­len wir auf einem huma­nis­ti­schen Gym­na­si­um ja auch).

Verarmter Wortschatz = Sammelbeckenwörter

unklar!“, „unge­nau!“, „undif­fe­ren­ziert!“ – das sind Rand­be­mer­kun­gen, die SuS oft am Rand ihrer kor­ri­gier­ten Arbei­ten lesen müs­sen. Ich glau­be, dass SuS mit die­sen Wor­ten nichts anfan­gen kön­nen. Ich glau­be wei­ter­hin, dass es so vie­le didak­ti­sche Kon­zep­te gar nicht gibt, um die­ser Her­aus­for­de­rung Herr zu wer­den. Ich glau­be, wir leben in einer Gesell­schaft, die emo­tio­nal ver­armt. Die­se emo­tio­na­le Ver­ar­mung ist ein der Spra­che ables­bar. Von SuS höre ich oft den Ausspruch:

Ich bin gestresst!“

Stress“ ist ein Sam­mel­be­cken­wort für alle mög­li­chen Gefüh­le gewor­den. Man könn­te statt­des­sen auch sagen:

Ich lei­de unter den gan­ze Hausaufgaben.“

Ich bin trau­rig dar­über, kei­ne Zeit mehr für mei­ne Freun­de zu haben.“

Ich bin zor­nig über die blö­den Anfor­de­run­gen hier an der Schule.“

Ich bin total ver­zwei­felt, weil ich nicht weiß, ob ich alles hinbekomme.“

Ich habe Angst, nicht reicht­zei­tig mit dem Ler­nen fer­tig zu werden.“

All das u.v.m. kann gemeint sein, wenn jemand „gestresst“ ist. Viel­leicht liest man des­we­gen in Klau­su­ren oft von „Din­gen“, „Sachen“, „Leu­ten, die etwas sagen“, „Sachen, die sind“ oder moder­ner: „Aspek­ten“. Man liest sel­ten etwas von „Les­ar­ten“, „Denk­an­sät­zen“, „Kon­zep­ten“, „Auf­fas­sun­gen“.

Was hilft?

Wir müs­sen wahr­schein­lich mit SuS auf die Suche nach Wor­ten gehen. Wor­te für Gefüh­le sind dabei nach mei­ner Erfah­rung sehr gut geeig­net, weil sie die Über­lei­tung zu Wor­ten für z.B. Sprech­ak­te bil­den kön­nen. Ohne Wort­schatz kei­ne Rede, kein guter Auf­satz, kei­ne dif­fe­ren­zier­te Inhalts­an­ga­ben. Und den Aus­spruch: „Dein Wort ist ein Sam­mel­be­griff für alles Mög­li­che und das meint die Bezeich­nung ‚unklar‘ “ ver­steht viel­leicht ein Schü­ler eher… Denn „unklar!“, „unge­nau!“, „undif­fe­ren­ziert!“ sind schließ­lich Sam­mel­be­cken­be­grif­fe von uns Lehrern.

Kreidestafette

Aus der Rubrik: War­um soll ich etwas tun, was die SuS tun können?

Gele­gent­lich habe ich kei­ne Lust, ganz allei­ne die Tafel voll­zu­schrei­ben, z.B. in Che­mie. Da arbei­ten dann meh­re­re Klein­grup­pen an einem Ver­such und nun müs­sen die Ergeb­nis­se an die Tafel – oft erst in der nächs­ten Stun­de, weil der Riecken sich ein­mal mehr in der Zeit ver­schätzt hat.

Dann ver­tei­le ich drei oder vier Krei­de­stü­cke an SuS, die sich mel­den. Sie schrei­ben ihren Stich­punkt oder ihren Mess­wert an die Tafel und geben die Krei­de, wenn sie fer­tig sind, an einen ande­ren aus der Lern­grup­pe wei­ter usw.. Auch in Deutsch macht das gele­gent­lich Sinn, etwa wenn man sprach­li­che Beob­ach­tun­gen aus einer Stil­l­ar­beits­pha­se zusam­men­trägt (ich ver­ges­se z.B. grund­sätz­lich die Text­stel­le und muss dann noch ein­mal nachfragen).

Ich ste­he dann meist hin­ten irgend­wo in der Lern­grup­pe oder sit­ze auf einem der frei­ge­wor­de­nen Plät­ze und kann mir in aller Ruhe über­le­gen, wo ich nach­ha­ken oder posi­tiv ver­stär­ken muss. Gut für den Stress­ab­bau. Und den SuS scha­det es in der Regel auch nichts.

Bei Mess­wer­ten ist es natür­lich am schöns­ten, alles gleich am Bea­mer in das vor­be­rei­te­te Sheet der Tabel­len­kal­ku­la­ti­on ein­zu­tra­gen – dann am bes­ten aber schon wäh­rend des lau­fen­den Ver­su­ches. So erhal­ten die ande­ren Grup­pen schon eine Orientierung.

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