Kategorie: Aus der Schule
Ich traue mich gar nicht…
… euch das zu erzählen: Wir haben bis Weihnachten keinen Unterricht mehr. Nein, es gibt keine Fotos von den zentimeterhohen Schneemassen, um nicht den Spott der Süddeutschen heraufzubeschwören. Wasser kennen wir hier nur im flüssigen Aggregatzustand, in anderer Form beherrschen wir das Scheißzeug nicht. Morgen gibt es noch eine kurze Dienstbesprechung und das war es dann.
Alle Stapel sind durchkorrigiert, neue Termine für die drei noch ausstehenden Diktate eingetragen. Die Diktate sind alle auch schon konzipiert. Was mache ich denn jetzt nur in den Weihnachtsferien? Buuuhuuuu.… Gar nichts Schulisches mehr auf dem Tisch.
Alle sagen gerade: Dann denk doch einmal an dich! Aber wie geht denn sowas? Ich glaube, ich baue lieber den Dachboden aus – dann muss ich mir zwar überlegen, was ich Ostern mache, aber das ist ja noch eine Weile hin.
Burnout
Wenn du…
- deine Zynik zum Selbstzweck erklärst, d.h. du kannst gar nicht mehr über Schule und vor allem Schüler reden, ohne zynisch zu werden
- Kritik mehr wahrnimmst, als Offenheit und Interesse
- dich zunehmend von deinen Kolleginnen und Kollegen zurückziehst
- Stellvertreterkriege auch gegen die führst, die dir wohlgesonnen sind
- Freund und Feind nicht mehr auseinanderhalten kannst
- du nicht mehr siehst, dass es SuS gibt, die etwas leisten
- du nicht mehr siehst, dass an deiner Schule Dinge gut laufen
- du Engagement – vor allem pädagogisches – insgeheim belächelst, da es ja eh keinen Zweck hat
- wenn du deine Erfahrung, nicht getragen worden zu sein, nun quasi als Lebensaufgabe auch noch anderen vermitteln willst
… dann such‘ dir einen anderen Beruf oder einen Therapeuten. Deine Gesundheit und vor allem dein Herz werden es dir danken.
Heute in der Schule – Paralleluniversum
Ich komme in unseren Raum und sie trinken Tee und moffeln auf ein paar Minibrötchen herum. Irgendwer hat die Kaffeemaschine angeworfen. Nach ein wenig Smalltalk setzen sich alle in einen Kreis. Dann läuft ein Ritual: Jeder erzählt, welcher Rest bzw. welche Reste aus dem letzten Tagen übriggeblieben sind. Dann stellt jeder das vor, was er heute zu tun gedenkt. Aus der Gruppe kommen Tipps, welcher Lerncoach sich z.B. fachlich in der und der Sache am besten auskennt oder wer ein geeignetes Tool erklären kann, um die selbstgestellten Aufgaben möglichst effektiv anzugehen. Bei 15 Leuten aus vier Jahrgängen dauert das ein wenig.
- Tarik hat sich bisher immer vor Mathe gedrückt und sich im Schreiben weiterentwickelt – Hanne ist zwei Jahre älter und kann ihn dabei unterstützen.
- Hanne hat gerade ihre Präsentation zum Problem der Westtangente um unsere Stadt fertig und wird die Präsentations- und Präsenzzeit um 14:00 Uhr für ihren Vortrag nutzen. Dabei muss sie natürlich auch Josie, unser jüngstes Stammgruppenmitglied ansprechen. Sie hat in der letzte Woche viel mit Peter gemacht, der im Web2.0 zu Hause ist und Leute sowie Tools kennt.
- Kincaid ist gerade total von der Rolle. Irgendwelche Hormone spielen da verrückt. Er gibt in der Präsenzzeit nur blöde Kommentare von sich. Sportcoach Jürgensen bietet heute Krafttraining an.
- Isabell kommt mit der Photometriegeschichte zum Koffeinnachweis in verschiedenen Getränken nicht weiter. Ist in dem speziellen Fall ohne Kenntnisse im Bereich der elektrophilen Addition und der Periodide nicht so leicht. Da werden wir zwei wohl zu anderen zuerst ins Labor gehen. Da gibt es aber auch den Dr. Schmidt – ziemlicher Spezialist und als Coach kaum einsetzbar, aber eine fachliche Ikone.
[…]
Der Morgenkreis war heute irgendwie ziemlich komplex in unserer Stammgruppe aus 15 Menschen. Normalerweise stecken mindestens 50% gerade in irgendwelchen Projekten und brauchen eigentlich nur noch den einen oder anderen vorbereiteten Stups in die und die Richtung. Wir Coaches tauschen uns dazu in virtuellen, fachbezogenen Räumen aus, machen ggf. dort gepostete Links und Materialverweise dem Schüler zugänglich oder gleich unsere ganze Konversation. Einmal die Woche treffen wir uns auch persönlich in der Schule in den entsprechenden Konferenzzimmern.
Vormittags pendeln wir zwischen verschiedenen Räumen und versuchen, bei Projekten, technischen Problemen zu helfen, spielen Versuchskaninchen für neue Präsentationstechniken und haben auch im Auge, dass jeder die zentralen staatlichen Prüfungen möglichst rund auf die Reihe bekommt. Dazu schauen wir regelmäßig in die Portfolios der Schülerinnen und Schüler. Glücklicherweise muss nicht jeder alle Prüfungen zur gleichen Zeit ablegen, aber es gibt gewisse Mindeststandards in jedem Fach – sowas wie die verschiedenen Gürtel in einer Kampfsportart. Das Schulportfoliosystem reiht die am wenigsten kommentierten Ansichten ganz oben ein, sodass wir Coaches immer wissen, wem wir wie Rückmeldung organisieren oder geben müssen. Nebenbei fallen uns dabei auch Konflikte und soziale Probleme auf. Wir können diese „Bewertungsarbeit“ in unserem Büro in der Schule oder gar mobil oder von zu Hause aus erledigen. Natülich erfolgt auch eine Auswertung unserer Arbeit durch das System (Ratings der Kommentare, Frequenz, zeitliche Nähe…).
Präsentationszeit – Hanne redet an einigen Stelle über die Köpfe der anderen hinweg – bekommt insgesamt jedoch ein brauchbares Feedback. Zoes Beitrag passt hervorragend zu einem der nächsten Aulaabende – wir geben dem Koordinator für das Programm Bescheid. Tagesabschlussrunde – nur ein kurzes Blitzlicht zum Stand der Dinge. Gegen 16:00 Uhr geht es ohne Hausaufgaben nach Hause. Stress hat es heute noch mit G. und F. gegeben – so viel Stress, dass sie morgen bei der Eröffnungsrunde fehlen werden. Unser Sozialpädagoge kümmert sich mit seinem Team um eine Regelung wegen der Sachbeschädigung.
Um 17:00 Uhr schalte ich meine Schulhardware aus (MobilePad). Die Vorbereitungen für den nächsten Tag hab ich dank unserer Teambüros noch am Tag selbst unterbringen können, da meine Sprechstunde heute nur wenig besucht war. Mal sehen, was morgen kommt – ach ja: Da ist ein Lebensmittellabor auf das Blog von Isabell aufmerksam geworden – gab schon so manches Praktikum in den Ferien für SuS dort…
Genese einer Vorabiturklausuraufgabe (Rahmen)
In den letzten beiden Wochen habe ich gemerkt, dass das Erstellen einer „Klausur unter Abiturbedingungen“ ganz schöne Anforderungen stellt, z.B. die rein formalen Vorgaben:
- man muss die thematischen Vorgaben des KM berücksichtigen
- auch die EPA sollte realisiert sein
- der Umfang muss anhand früherer zentraler Abituraufgaben festgelegt werden
- Operatoren sind bei Aufgabenstellungen zu beachten
- Aufgaben sollten nach Möglichkeit zwei unterschiedliche Kurshalbjahre sinnvoll verbinden
- der sinnvolle Einsatz eines an der Schule eingeführten Taschenrechners sollte obligatorisch sein
- die eingeführte Formelsammlung sollte benutzt werden müssen
Man könnte jetzt darüber schreiben, inwieweit die letzten zentralen Abituraufgaben in meinen beiden Fächern diesen formalen, durch das Kultusministerium vorgegebenen Anforderungen genügt haben, aber das wird nur ein Mittel sein, meinen Blutdruck zu heben.
Ich stelle persönlich noch weitere Anforderungen an eine Vorabiturklausur:
- sie soll den SuS einen realistischen Eindruck verschaffen, welche Abiturleistung sie zum jetzigen Zeitpunkt erreichen können
- mindestens eine Aufgabe sollte auf meinen Mist gewachsen und mir in dieser Form noch nicht untergekommen sein
- ich selbst möchte dabei tüfteln und lernen
- sie sollte einigermaßen korrekturfreundlich gestaltet sein, fünf Zeitstunden bieten viel Potential für Quantität
- die Verbindung zweier thematischer Schwerpunkte sollte nicht zu konstruiert sein und wirklich jeweilige Kernbereiche betreffen
- idealerweise wird die richtige Abiturklausur dann eher noch etwas leichter
- in den EPA steht etwas von „wissenschaftspropädeutisch“ – lieber als ein Einserabitur wäre mir persönlich, dass ich später von den SuS höre, dass sie an der Uni klarkommen. Aber das ist ein Dilemma.
Das hat also teilweise immer etwas von Kaffeesatzlesen. Viele hier in NDS wetten zur Zeit darauf, dass das Anforderungsniveau in diesem Jahr nicht so hoch sein wird, weil der Doppeljahrgang und damit der „Test“ für das G8 ansteht – fallen im G8-Zug viele SuS durch, könnte das ein bestimmtes Licht auf die Kultuspolitik werfen – oder auch nicht. Ich vermute, dass die Noten der Vorabiturklausuren nach G8/G9 differenziert gemeldet werden müssen – mal sehen. Über Gründe zu sinnieren, wäre in diesem Fall natürlich spekulativ.